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VIII

Längs des Sioux war schon damals weit flußaufwärts und -abwärts von Simon Baarstads Anwesen ein ansehnliches Settlement fast ausschließlich von Tröndern entstanden. – Es war eine für damalige Verhältnisse wohlgeordnete Dorfschaft. Einige von den Farmern hielten sich für bereits alteingesessen; denn der erste Siedler hatte sich schön im Jahre 1868 hier niedergelassen. Die meisten waren gut vorwärtsgekommen, hatten sich feste Blockhäuser errichtet und ein beträchtliches Stück Acker unter den Pflug gelegt. Der größte Teil von ihnen lebte in Wohlstand. Und sie erzählten die reinen Abenteuer aus jenen ersten Jahren, als sie zum Beispiel das ganze Land, das jetzt Süd-Dakota heißt, und den westlichen Teil von Nebraska durchqueren mußten, wenn sie mit ihrem Korn zur Mühle wollten, – oder als die Indianer hier im Sommer und Winter in großen Horden durchzogen. – Jetzt sei alles ein Kinderspiel dagegen, meinten die Trönder, – jetzt seien doch überall Menschen, und Siedlungen sproßten bald allerorten aus der Prärie hervor.

Der Per Hansen hörte ihren Erzählungen gern zu; es lag in ihnen solch eine eigentümlich beruhigende Sicherheit, und zugleich etwas, was ihm immer das Blut ins Gesicht trieb: Oho' was ein Trönder fertiggebracht, war wohl nicht unerreichbar für einen Helgeländer; das war es nicht in alter Zeit gewesen und werde es auch heute nicht sein! – Abwarten!

Der nächste Tag brachte klares, stilles Wetter; aber es war so schauderhaft kalt, daß es im Strauchwerk auf den Feldern knackte. Der Per Hansen, der sich auf seiner ersten Fahrt hierher im vorigen Sommer beim Simon Baarstad einen Acre Waldland gepachtet, wohnte dort im Hause, während er Holz fällte und die Fuhre nach und nach lud; die andern drei quartierten sich bei denen ein, die ihnen Brennwerk abließen. – Die vier Präriebauern verbrachten volle zwei Tage im Settlement und reisten erst in der Frühe des dritten Tages zurück. Sie hätten zwar schon einen Tag früher aufbrechen können, verspürten aber so gar keine Lust, sich zu beeilen.

Nein, die verspürten sie nicht; seit mehreren Monaten hatten sie kaum je ein fremdes Gesicht zu sehen bekommen. Und die Trönder waren ein gastfreundliches Volk, die wollten nichts davon hören, daß einer so bald abreisen wolle. – Die vier ließen sich unschwer verlocken; es waren Festtage für sie. Und sie hatten auch über so vielerlei mit den Tröndern zu verhandeln. Bis zu ihrer Abreise hatten sie sich alles Frühjahrssaatgut, Weizen wie auch Hafer, ausbedungen, und Tönset'n sogar noch einen halben Sack Gerste; aber er hütete sich, den vor den Kameraden zu erwähnen. Die Trönder verstanden sich nämlich gut aufs Bierbrauen, und jetzt hatte er vom Tommaas genaue Anleitung dazu bekommen.

Der Per Hansen hatte seine Fuhre geladen und mußte durchaus noch an den Fluß. Er bearbeitete den Simon Baarstad, bis der mitkam. Da standen nun die beiden Männer und hackten sich durch das dicke Eis, daß der Schweiß von ihnen herabtroff.

Ja, da fischte also Trönder und Helgeländer gemeinsam in der größten Eintracht durch dieselbe Wake, und für beide war alles eitel Freude und Herrlichkeit! – Am Abend dampfte goldfrischer Hecht auf dem Tisch, und zwei alte Lofotfahrer tauschten bei Schmausen fröhlich ihre Erlebnisse aus dem Ost- und Westlofot aus, und alles andere war darüber vergessen. Den Per Hansen deuchte der Simon Baarstad der prächtigste Kerl, der ihm seit langem begegnet, und es war nicht zu verkennen, daß der Simon Baarstad etwas Ähnliches von dem Per Hansen dachte, – wohl an die zwanzig Mal hatte er ihn bereits gebeten, nicht gar zu lange mit dem Wiederkommen zu zögern.

Als sie so behaglich beieinandersaßen, steckte ein Bursch die Nase zur Tür herein; er wolle die Tochter vom Hause nur einen Augenblick sprechen. Er hatte es so überaus eilig, der Bursch, als stände sein Leben auf dem Spiel.

»Was gibt es denn?« wollte Baarstad wissen.

Oh, beim Tommaas hätten sie Gäste, – sie wollten sich halt heut abend ein wenig Jul-Spaß Jul = nordisches Weihnachten. gönnen.

Die Dirn zog sich eilig an und ging mit.

Und da kam der Baarstad darauf, daß auch sie hingehen müßten, und er hieß die Frau sich schleunigst fertigmachen. »Jetzt wollen wir's den Helgeländern einmal zeigen, wie Trönder sich im Tanz zu schwingen wissen!«

Bald darauf traten alle drei in den Flur beim Tommaas. Aus der Stube klang lustiges Fiedeln und kräftiges Aufstampfen in die froststille Nacht hinaus. Drinnen war es gerüttelt voll von alt und jung. Ein Lämplein mit handgeschmiedetem Schirm hing oben an der Balkenwand und bemühte sich, alle die Paare im Auge zu behalten; aber es wollte ihm nicht recht gelingen; es mußte sich halt begnügen, auf die allernächsten herabzublinzeln. – Die drei Neuankommenden wurden sogleich in einen Winkel geschupft.

Dem Per Hansen kam ein gelindes Kribbeln in die Beine; das war von einer andern Art als das, was ihn in jener Nacht nicht hatte Schlaf finden lassen. War doch merkwürdig, wie es aus der Fiedel sang! Das mußte er wirklich zugeben: der Mann, der die traktierte, der war dafür, daß er kein Helgeländer, sondern ein Trönder war, gar nicht einmal so uneben! – »Nein, alle Wetter!« Mehr ließ der Per Hansen nicht verlauten, – jetzt schwang sich der Solumbub mit der Baarstaddirn an ihm vorbei. »Freilich, wird aus dem mit der Zeit noch ein Kerl!« – Da schaukelte sich ein anderes Paar heran, das wollte er sich doch einmal etwas genauer vor den Krimstecher nehmen; ihm schien, der Mann sei ihm bekannt. Hei! Da kam ja Tönset'n mit einer kugelrunden Trönderbäurin angeschwenkt!

»Hüte dich, Vater Syvert! Es sind Schären wie auch Blindklippen im Fahrwasser! Was, meinst du, wird die Kjersti –?«

»Halt's Maul, Per Hansen, was lungerst du da herum!«

– Tönset'n war feuerrot im Gesicht und hatte im Augenblick nicht Zeit zu weiteren Erläuterungen.

Der Per Hansen fing an zu schnaufen, die Augen blinkten klein und munter. Mitten im tollsten Gedränge wippte über allen den übrigen immerzu ein Kopf auf und ab, immerzu auf und ab, wie eine Tonne auf bewegter See.

Da vergaß sich der Per Hansen: »Da tanzt ja, hol mich der Kuckuck, der Hans Olsen Rheinländer!«

Es zuckte in ihm; er zwinkerte heftig, schaute sich nach seinen beiden Wirten um und nahm die Gurine beim Arm: »Komm und zeig' mir einmal, wie die Trönder nach dieser Melodei den Reigen treten!«

Und alles war vergessen. Er bugsierte die Gurine mitten hinein, bis er an die Seite des Nachbarn gelangte:

»Aus dem Weg, Hans Olsen! Jetzt brauch' ich Platz, mich ein wenig zu schwingen!« –

Punkt elf Uhr war Schluß; der Tommaas selber kommandierte stopp. Aber wie es nun zugehen mochte: der Sam war es, der die Baarstaddirn wieder heimgeleitete. – –

Am nächsten Morgen fuhren die vier Männer in aller Herrgottsfrühe heim.


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