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Es regnete am Montag, es regnete am Dienstag; aber doch nicht schlimmer, als daß der Hans Olsen am Bau arbeiten konnte; er hatte jetzt zwei Tischler zur Hilfe, und das Werk schritt rüstig vorwärts. Der Tag sei schon vorbei, ehe er noch recht begonnen, meinte der Hans.
Und das war nicht so verwunderlich, denn er brummte vor sich hin vom Frühmahl bis zum Nachtessen; dieses Gebrumm war als Gesang beabsichtigt, nur daß es recht gemächlich vonstatten ging, geradeso wie der Hans sich selber bewegte; aber von der Stelle kamen beide.
Ja, jetzt baute der Hans Olsen, baute ein Haus. Und er sang zur Arbeit. Und es wurde ein hübsches Haus, und größer – weit größer – als er es sich anfangs gedacht; das Haus bekam eine große Küche, Eßstube wie auch Wohnstube und fünf Schlafzimmer, drei oben und zwei unten!
Wegen der unteren Schlafzimmer war es zwischen ihm und der Sörine zu einigem Akkordieren gekommen, nicht etwa gerade zu Unstimmigkeiten, aber – sie hatten also unter vier Augen darüber gesprochen. Es war nicht des Hans Olsens Art zu schimpfen, und die Sörine sah ohnehin immer freundlich aus, selbst bei der schlimmsten Verärgerung; von einer ausgesprochenen Uneinigkeit konnte hier also nicht die Rede sein. Aber – sie hatte auf dem Ihren bestanden, nämlich, daß unten ebenfalls ein Schlafzimmer vorhanden sein müsse, ohne Rücksicht darauf, wieviel sie oben bekämen. Und alldieweil er aus diesem Grunde dadurch genötigt war, unten einen Anbau zu machen und sie bereits drei solche Zimmer im Obergeschoß hatten, war ihm das als pure Verschwendung erschienen. Und sie war doch sonst keineswegs verschwenderisch – nein, gar nicht! – und darum hatte er versuchen müssen, sie davon abzubringen.
Aber es war ihm halt nicht gelungen. Und da hatte er denn nachgegeben. Und wenn er nun schon doch den Anbau machen müsse, so, meinte er, könne er gerade so gut gleich quer über das ganze Haus bauen! So also ging es zu, daß unten als Draufgabe gleich zwei Zimmer mehr entstanden. Das war überaus unklug, gewiß, – aber getan ist getan, und jetzt stand das ganze Haus unter Dach.
Der Hans Olsen war immer der Meinung gewesen, er habe eine gute Frau bekommen, und gerade jetzt gab es nichts, was er nicht gern für sie getan hätte. Seit diesem Frühling trug sie ein Kind, und er fühlte es in sich: diesmal wurde es ein Bub. Seit dem Augenblick, daß sie es ihm anvertraut, war er in einer Freude herumgelaufen, die ihm schier den Atem beklemmte. – Wäre nicht das mit ihr eingetroffen, wäre wohl auch dies Jahr nichts aus dem Bauen geworden. Auf die Fahrt aber sollte sie nicht in der alten Gamme! Das war sein erster Entschluß gewesen, als er wieder recht zur Besinnung kam. Und wenn ihr nun soviel darum zu tun war, unten das Zimmer zu bekommen, dann sollte sie es auch haben, – so sinnlos es freilich war!
Der Hans Olsen sah jetzt jeden Tag, wie sich alles so gut für ihn fügte, und darum war er so fröhlich. Die Herde vermehrte sich mit jedem Jahr; er legte dauernd neuen Acker unter den Pflug; auch mit der Heuschreckenpest nehme es gewiß einmal ein Ende, – das sagten wenigstens alle vernünftigen Menschen. Hier rundum, wo im ersten Jahr nicht ein Mensch zu erblicken gewesen, wuchsen jetzt große Dorfschaften auf; guter Boden war das, und Sonne und Feuchtigkeit reichten aus. Und jetzt baute er einen Gutshof für den, der unterwegs war! Der Hans Olsen war ein kluger und besonnener Mann, aber er hätte am liebsten noch zwei weitere Zimmer angebaut, bloß um seine Dankbarkeit zu beweisen. –
Er hatte den Pastor letzten Sonntag predigen hören und war mit jedem Satze froher geworden; er war nur ein einfacher Mann und hatte sich um das, von dem der Pastor gesprochen, nicht sonderlich gekümmert. Aber das wußte er: so schön wie in des Per Hansens Gamme am letzten Sonntag während des Gottesdienstes war es in seinem Leben noch nicht gewesen. Mocht' nicht viel dran fehlen, daß das schon das große Wunder gewesen war, von dem der Pastor erzählt hatte; er trug das Gefühl noch immer in sich.
Als aber der Per Hansen und die Beret vor der Lade knieten, da hatte der Hans Olsen beide anschauen müssen und dabei seine Gedanken gehabt. Man konnte ihr ja ansehen, wie es um sie stand; und gering war wohl die Hoffnung, daß sich hier etwas ändern werde! O nein, verläßt der Verstand erst den Menschen, dann kommt er gewiß nicht zurück! – Und der Per Hansen war in kurzer Zeit ein ältlicher Mann geworden. Jetzt erst begriff der Hans Olsen das Fürchterliche, gegen das der Per Hansen anzukämpfen hatte. Und hätte er in jener Stunde, als er das Paar vor der Lade knien sah, seinem alten Nachbar etwas von seinem eigenen Glück abzugeben vermocht, er hätte es ihm willig dargeboten.
Nach der Heimkehr vom Gottesdienst hatte er lange überlegt, – aber doch noch nicht sogleich mit der Frau davon sprechen wollen; – er wollte sich erst eine Weile bedenken. – Aber am Montag abend sprach er mit der Sörine.
Sollten sie sich nicht erbieten, das Kind der Nachbarn zu sich zu nehmen, – oder was meinte sie? – Vielleicht werde es ihr zuviel, – nein, er wisse nicht recht? – Aber es sei gar so traurig um die Nachbarin bestellt. Und er erzählte ihr, was er am Sonntag gefühlt. – Was meine sie also: sollten sie das Kind zu sich nehmen?
Die Sörine hatte ihn lachend geneckt, ob er nicht nächstens genug eigene Kinder haben werde. Hatte aber sogleich ernst hinzugesetzt, daß sie schon lange das gleiche gedacht, aber es nicht habe sagen wollen; der Per Hansen wisse, wie gern sie es täten, – hätte er es also gewünscht, wäre er wohl selber gekommen.
Oh, das sei nicht so sicher, – der Per Hansen wisse auch, was jetzt hier im Hause bevorstehe, und der sei nicht einer, der sich den Leuten aufdränge! – Auch sehe er vielleicht nicht selber, wie schlimm es um die Frau stehe? – Und komme auch in diesem Sommer die Pest und breche es wieder bei ihr aus, dann sei der Ausgang ungewiß! – Die es aber mit ansähen, trügen doch wohl auch eine Verantwortung?
Da kam die Sörine mit einem unerwarteten Einwand: »Ich glaube, die Beret nährt Eifersucht gegen mich, weil ich das Knäblein so lieb hab'.«
Der Hans Olsen dachte eine Weile nach. Das war gewiß nicht ganz ausgeschlossen, und jetzt kam er mit eigenen Bedenken: Wenn sie den Buben wirklich zum Sommer hernähmen, sei es dann auch ausgemacht, daß er hier besser gedeihe als daheim? – Und sei es auch recht gegen die Eltern? – Übrigens, wenn es so schlimm werde, daß der Per Hansen die Beret fortschicken müsse – und es bleibe wohl kein anderer Ausweg –, dann müsse einer das Kind wohl für immer annehmen? – Könnten sie das jetzt noch – werde es nicht zuviel für sie –, nein, er wisse nicht recht?
Für diese letzten Bedenken hatte die Sörine nur ein fröhliches Lachen. Sie wolle es schon übernehmen, auch noch diesem Knäblein Mutter zu sein, käme es darauf an! Doch damit sei der Per Hansen schwerlich einverstanden; der halte von dem Jungen mehr als von einem der andern – wenn sie sich nicht sehr täusche.
Sie sprachen an dem Abend noch lange darüber.