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An dem Morgen, da die Männer auszogen, um mit den Iren zu verhandeln, blieb die Kjersti allein in der Gamme und fühlte sich gar so schwer und unpäßlich, sowohl im Körper wie im Gemüt. Wenig Schlaf hatte sie des Nachts gefunden; denn der Syvert hatte sich gedreht und gewendet und immer wieder auf und ab dasselbe erzählt, – fürchterliche Menschen seien da gekommen, er und der Hans Olsen müßten jetzt beide noch einmal von vorne anfangen. – Vielleicht, daß sie am besten wieder nach dem Osten zurückzögen?
Schließlich aber da war er ihr mit seinem Wehgeklage zuwider geworden, und das hatte sie ihm auch gesagt. Vorläufig habe doch noch keiner Leib und Leben dabei zugesetzt, ihre Papiere seien in Ordnung, Gesetz und Obrigkeit im Lande, und fünf gesunde Mannsleut liefen hier herum – ja, jedenfalls also viere!
Alles das und noch mehr dazu hatte sie dem Syvert gesagt. Und es war gar nicht einmal so bös gemeint gewesen. Aber er war darüber gar so zornig geworden, hatte sie beschuldigt, weder Witz noch Verstand zu besitzen, und so war denn ein Wort zum anderen gekommen. Als das Unwetter zwischen ihnen sich endlich besänftigt hatte, da befand sich jeder innerlich auf der entgegengesetzten Seite des Erdballs, obwohl sie äußerlich Seite an Seite in demselben Bette lagen.
Es war ihr einsam, als die Männer am Morgen gegangen waren; der Kaffeekessel stand auf dem Herd, sie legte ein paar Holzscheite unter, – er mochte wohl einen Schluck, wenn er zurückkam. Und dann setzte sie sich seinen alten Hut auf und ging zur Beret hinüber, um zu hören, was denn der Per Hansen gesagt habe, als er gestern abend heimgekommen war.
Dort erhielt sie nicht gerade ausgiebigen Bescheid.
Sie erzählte zunächst einmal das meiste von dem, was Tönset'n berichtet; habe sich der Per Hansen denn gar nicht darüber ausgelassen?
Beide Buben verspeisten ihr Frühmahl, die Beret kleidete beim Herd das Kind an; sie antwortete nicht sogleich, wurde rot und sah nicht auf.
Aber der Ole machte sich lachend sofort daran, die Flausen des Vaters vom Abend zuvor haarklein zu wiederholen; der Große-Hans aber wußte noch genauere Auskunft zu geben, und die Buben erzählten in heller Begeisterung, so daß die Kjersti sich bekreuzigte.
Die Mutter hörte es eine Weile mit an; sie vermochte nicht einzuschreiten – ein Gedanke verscheuchte alle andern; er hatte anderer Leute Wohnmarken zerstört und wollte sie jetzt vertreiben! – Herr im Himmel – war so etwas möglich?
Aber jetzt wurden ihr die Buben zu unbändig, sie lachten so gellend und brauchten häßliche Ausdrücke. So geht es, dachte sie; die Saat, die im Verborgenen gesät wird, offenbart sich am Licht des Tages. – – Sie erhob sich mit dem Kind auf dem Arm, kam zum Tisch und wies die Buben mit strengen und ernsten Worten zurecht.
Die Kjersti bedurfte des Trostes und sagte deshalb selbst: »Du weißt doch wohl, daß zum Klagen kein Grund ist, – wir haben das Land rechtmäßig zugesprochen erhalten, und wir waren die ersten!«
»Und Per Hansens Land?« fragte die Beret.
»Das beanspruchen sie nach dem, was der Syvert sagt, überhaupt gar nicht – und auch das ist merkwürdig!«
»Es ist dabei wohl kaum etwas zu machen,« sagte die Beret leise; »es ist schwer zu wissen, wer sich hier draußen getummelt hat, ehe daß wir kamen – es können ihrer viele gewesen sein.«
Eine so unverständige Rede erzürnte die Kjersti: »Das müssen doch wohl die wissen, die angestellt sind, das alles zu ordnen, meine ich! – Wäre nicht der Syvert so ein Piephähnlein, so liefe er stracks zum Sheriff, – – für so etwas kommt man in Amerika ins Staatsgefängnis!«
Die Beret schwieg eine Weile, neigte sich über das Kind mit feuerrotem Gesicht. Dann aber sagte sie leise: »Die Strafe verdienen, bekommen sie wohl!« Kaum hatte sie es gesagt, setzte sie das Kind hin, ging hinaus und sah nach Westen über die Prärie. So fand sie die Kjersti, als sie herauskam.
»Dort kommen sie jetzt, sehe ich!« äußerte die Beret.
Und da mußte die Kjersti sich schleunigst heimbegeben, um dem Syvert das Frühmahl zu richten. –
Die Iren bildeten lange Zeit das Tagesgespräch der kleinen Siedlung.
Jedesmal, wenn die Rede auf sie kam, verstummte die Beret; sie hatte keinen Teil an der Freude der andern; denn es waren Tatsachen damit verknüpft, die sie nicht verwinden konnte: Er hatte die Merkzeichen zerstört und, seltsam genug: er erwähnte es vor niemandem, – nicht einmal vor ihr!
O nein, er schämte sich wohl. – Wohl waren die Merkzeichen dort auf ungesetzliche Weise eingerammt worden; aber gesetzt, es hätte sich anders verhalten, – würde er dann nicht akkurat ebenso gehandelt haben? – – War das der Mensch, von dem sie einst überzeugt gewesen, es gebe in ihm nichts Böses? – War er vielleicht schon früher so gewesen?
Aber es verhielt sich wohl so: Diese Einöde konnte nur Böses hervorrufen. Hier lag Land über Tausende von Meilen derselben Güte wie das ihre; und diese Menschen hatten ihnen entreißen wollen, was sie bereits in Besitz genommen hatten, und gemeint, das ginge an, bloß, weil sie die stärkeren waren; – ihre, Berets, eigene Leute hatten Ränke und Gewalt angewendet, um sie zu vertreiben, und jetzt sollte alles miteinander sehr gut sein!
Was sollte aus den Kindern werden, wenn die in dieser Luft aufwuchsen? – Und aus deren Kindern wieder? – Sie hatte gesehen, wie die Buben in den Berichten von dem, was geschehen, geradezu geschwelgt hatten, und es überlief sie kalt. –
An einem Nachmittag, ein paar Tage nach jenem Auftritt, kamen die Iren zum Per Hansen und kauften Kartoffeln. Sie hielten sich eine ganze Weile auf, fragten nach diesem und jenem, was die Buben, so gut sie konnten, dem Vater dolmetschten, und der Per Hansen fand, das sei vortreffliches Volk.
Bei Tönset'ns und Hans Olsens hatte man die Iren kommen und gehen sehen, und am Abend kam man, um zu hören, wie sie sich aufgeführt hätten.
»Die nettesten Kerle der Welt!« versicherte der Per Hansen; er ging auf und ab und war so froh, daß er dem auf irgendeine Weise Luft schaffen mußte. Kaum hatte er sich gesetzt, so sprang er schon wieder auf; sein Humor hatte etwas Ansteckendes; Tönset'n wieherte unaufhörlich, und die Kjersti und die Sörine, die jede mit ihrem Strickzeug auf dem einen Bett saßen, ließen die Arbeit sinken und lachten schallend über Tönset'n und ihn. Die Beret hatte gerade das Kind hingelegt und saß auf dessen Bettrand; beide Buben horchten wie gebannt auf das Geplauder der Erwachsenen.
An dem Abend erzählte der Per Hansen von den Grenzzeichen, wie er sie gefunden, was er sich gedacht und dann mit ihnen getan hätte. Er erzählte laut und fröhlich, und es klang wie ein Märchen, und es wurde an Lob über seine kluge Handlungsweise nicht gespart. Besonders Tönset'n strömte über vor Begeisterung – – nein solch ein guter und getreuer Nachbar!
»Das muß ich sagen,« meinte der Hans Olsen, »hierbei setztest du alles auf eine Karte; – es war wohl Gottes Fügung, daß du's verschwiegst; denn hätten die mir ihren Grenzpflock auf meinem Lande vorzeigen können, dann bauten wir wohl jetzt an neuen Gammen weiter nach Westen, und die Arbeit dieses Sommers genössen dann andere – ich sage dir Dank, Per Hansen!«
Die Beret hörte den Per Hansen erzählen und mußte ihn immer dabei ansehen; denn das war er ja doch gar nicht! Sie dachte daran, wie er jenen Morgen mit den Pflöcken heimgekommen, sie zerspalten und in den Ofen gesteckt hatte, und wie er in jener Zeit nicht in die Hand zu nehmen gewesen war, – der hier war ein anderer Mensch!
So weit war es mit ihm gekommen, daß er sich seiner eigenen Schändlichkeit nicht schämte, – und achtbare Menschen teilten seine Freude! Ihr verging der Atem, und sie stand auf. Ohne zu wissen, was sie tat, sagte sie: »Dort, wo wir herkommen, ist es allezeit als entsetzliche Sünde angesehen worden, anderer Leute Wohnmarken zu zerstören, – jetzt höre ich, daß man sich darüber auch freuen kann!«
Die andern verstummten nach ihrem Ausfall, nur nicht der Per Hansen. Er griff ausgelassen nach ihr und lachte: »Red nicht darüber, du Beret! Böses muß mit Bösem vertrieben werden – das ist gute Scheuerregel!«
»Das verstehe ich wohl, obgleich es schlechtes Christentum ist, dem nachzuleben. – Du warst an jenem Abend, als du am Hackblock die Merkzeichen zerspaltetest, keineswegs so sicher, wie es sich verhielt, – ich meine, wir müssen uns vorsehen, daß wir nicht alle miteinander hier draußen zu Tieren werden.«
Der Per Hansen lachte ganz unnötig ausgelassen, hielt dann plötzlich inne und sagte: »Ehe wir's uns versehen, Alte, wird noch aus dir ein Prädikant!«
Sie antwortete nicht, sondern ging hinaus; es war dunkel, und sie wußte nicht, wohin sie sich wenden sollte. Auf der Hofreite wäre sie fast über den Pflug gefallen, und sie setzte sich auf den Pflugbaum. – Und wie sie hier saß, dämpfte sich der Aufruhr in ihrem Herzen, und tiefe Trübsal kam statt dessen zurück; hier saß sie noch lange, nachdem die anderen gegangen waren; – er kam nicht heraus, nach ihr zu sehen. Als sie hineinkam, hatte er sich gelegt; ob er schlief, konnte sie nicht sagen, aber sie sprach ihn nicht an, – die Buben lagen auch bereits.
In den nächsten Tagen fielen die Worte keineswegs leicht zwischen dem Per Hansen und seiner Frau.