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VI

Der Per Hansen hielt die Nacht über Krankenwache und wechselte die Umschläge nach der Uhr; jedesmal rieb er mit ein paar Tropfen aus Hans Olsens großer Flasche ein. Daß der Schmerz nicht zunahm, war an dem Manne zu sehen; jetzt schlummerte er sogar ab und zu.

Mitternacht kam heran. Das ganze Lager schlief. Die Männer lagen, in ihre bunten Decken gewickelt, wie Mumien, die Füße zum Feuer gekehrt. Von Zeit zu Zeit erhob sich einer und legte Brennwerk auf – immer derselbe.

Die Nacht war still und erhaben.

Der Per Hansen fühlte, daß er müde und schläfrig wurde; jetzt hieß es sich zusammenreißen, wollte er die Hundewache Norw. Seemannsausdruck für die Mittelwache von 12 bis 4 Uhr nachts. bestehen!– – – Da plötzlich setzte er sich hellwach auf: Im Grase raschelten Schritte; – blieben stehen; – lauschten. Der Kranke schlief, ebenso das ganze Lager. Wer mochte das sein? – Er stand auf, trat näher zum Feuer. Da ließen sich die Schritte wieder vernehmen, wurden fest, kamen heran: Die Beret stand im Lichtkreis und sah ihn an.

Der Per Hansen fing ihr Bild ein, und es durchströmte ihn gut und warm.

»Komm du nur her!« sagte er leise. »Hier schlummert das ganze Haus.«

Sie kam mit gesenkten Blicken zu ihm auf die andere Seite des Feuers. Das Gesicht war rot und verschwollen. Sie hat gewiß geweint, dachte er, und es reute ihn bitter, daß er sie mit harten Worten angelassen. Er faßte sie bei der Hand: »Du Armes! Hast dich jetzt wieder gefürchtet?«

Es zuckte in ihrem Gesicht, aber zu reden vermochte sie nicht; sie hockte sich auf den Boden. Er setzte sich daneben, legte den Arm gut um sie und faßte ihre Hand. – Da begann sie leise zu schluchzen; er streichelte ihr die Hand: »Sollst sehen, der Alte übersteht's,« fühlte aber sogleich, daß sich das gar seltsam anhörte und fragte nach den andern in der Siedlung.

Sie gab nicht Antwort; er hörte den Indianer sich bewegen und sah hin. Der Mann starrte sie beide mit seinen dunklen Augen an.

Der Per Hansen erneuerte den Verband, der Mann saß jetzt aufrecht; die Beret sah zu. »Wenn du etwas hättest, die Lappen festzubinden, so daß sie sich beim Trocknen nicht lockerten, würden sie die Wärme länger halten,« sagte sie leise.

»Da hast du freilich recht! Wer's bloß hätte!«

Sie kehrte sich ab und nestelte an ihren Strümpfen, kam dann schüchtern heran und reichte ihm das eine ihrer Strumpfbänder. »Geht das?«

»Geht das! – O nein, du Beret, du Beret! Gerad, was wir brauchen!« Und er legte den Verband diesmal fester an. »Dem Alten geht's besser, – ich seh's an seinen Augen, und die Hand ist auch nicht mehr so hart!«

Als der Indianer mit dem Umschlag versehen war, stand er auf, ging zu einem der Wagen, kam mit drei Decken zurück und reichte sie dem Per Hansen.

»Ja, so ist's, Beret, wenn man bei redlichen Leuten zu Gast ist! – Jetzt kann der Alte sich eine Stunde allein überlassen bleiben, und wir wollen in die Kojen!« Er wickelte sie in die eine Decke, sich selber in die zweite; dann kehrten sie die Füße zum Feuer und zogen die dritte gut über sich. »Und jetzt schlaf, du meine Gold-Beret!« Sie schlummerte sofort ein und erwachte erst, als über der östlichen Prärie der Morgen sich rötete.

Die Indianer blieben noch einen Tag und eine Nacht.

Erst um die Mittagszeit des dritten Tages zogen sie nach Norden weiter. Die kranke Hand sah noch übel genug aus; aber die Gefahr war einstweilen vorüber. Der Per Hansen hatte eine Armschlinge gemacht, in der der Mann die Hand jetzt trug.

Dort fuhren sie ihres Weges.

Aber was war das? Da kam ja der Alte auf die Hütte zu und führte ein völlig gesatteltes Pferd am Zügel hinter sich her! Weiter oben am Abhang wartete ein Wagen.

Der Mann wollte vielleicht seinen Dank abstatten, dachte der Per Hansen und ging ihm entgegen.

Der Fremde schritt geradeswegs auf den Per Hansen zu und sagte etwas, legte darauf die Zügel des Ponys in des andern Hand und sagte wieder etwas; machte eine kurze, steife Verbeugung, wandte sich und ging. – Es war ein hochgewachsener, stattlicher Mann, männlich und schön anzusehen.

»Ist der Kerl besessen?« rief der Per Hansen. »Verstehst du, was er damit meint?«

»Er will dir das Pferd schenken!« rief der Große-Hans, und seine Augen waren ganz rund.

Der Per Hansen eilte dem Mann nach. »Das geht aber nicht an!« rief er.

Doch der Indianer kletterte schon auf den Wagen und fuhr davon.

»Nein, so etwas!« staunte der Per Hansen; er hatte den Zügel um den Arm. »Und mit Sattel und allem Geschirr!«

Der Große-Hans schlug Rad. Noch nie in seinem ganzen Leben war er je so glücklich gewesen.


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