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II

Die Buben waren eines Sonntags abends rein toll heimgekommen. Sie hatten einen weiten Ausflug zu einigen großen Sümpfen gemacht, die von hohem Gras umgeben und mit weiten Strecken offenen Wassers dazwischen, in der westlichen Prärie lagen. Jetzt berichteten die Buben, daß dort Tausende und aber Tausende von Enten nisteten; die seien nicht scheuer, als daß man sie fast mit der Hand greifen könne. Der Große-Hans erzählte, bis ihm das Wort in der Kehle steckenblieb und er vor Aufregung bibberte, – und der Bruder machte es nicht viel anders. –

Tagelang redeten die Buben nur noch von den Enten. Wie konnte man sie bloß fangen? Eine Schrotflinte hatten sie nicht. Die Lange Marie dürften sie nicht benutzen, sagte der Vater; sie habe schon ohnehin zu wenig Futter, ... und niemand könne wissen, – nein – niemand könne wissen. – Was es war, was ›niemand wissen könne‹, erörterte er nicht näher. Aber soviel begriffen die Buben: mit der Büchse und den Enten war es nichts. – Da trieben sich also die Enten in unabsehbaren Mengen herum, flogen von dem einen Wassertümpel auf, ließen sich auf dem nächsten nieder, wenn die Buben zu nahe herankamen! Und nicht der kleinste Stein in der Gegend aufzutreiben! Vertrackter konnte es gar nicht sein! –

Seit der Entdeckung der Enten waren die Buben jeden Sonntag an den Sümpfen. Der Vater hatte noch nicht Zeit gehabt, sich die Herrlichkeit selber zu besehen. Aber schließlich an einem Sonntagvormittag anfangs August gönnte er sich mit dem Großen-Hans einen Spaziergang nach Westen. Der Ole mußte daheimbleiben. Die Mutter dürfe nicht allein sitzen, wo sie drei ausgewachsene Mannsleut im Hause habe, hatte der Vater gesagt. Und der Ole, als der Größere, müsse zuerst heran. Der Bub benahm sich so ungebärdig, daß die Mutter es für das geratenste hielt, auch ihn gehen zu lassen. Doch der Vater war auf dem Ohr taub; nächsten Sonntag werde er selber daheimbleiben und der Ole freihaben; heute bleibe es bei seiner Anordnung.

So machten denn also er und der Große-Hans diesen Ausflug. Enten gab es da freilich! Das war gerad wie an Finmarkens Finmarken = nördliche Provinz Norwegens. Vogelbergen!

Der Große-Hans zeigte und wisperte unausgesetzt, bis ihm die Augen übergingen und er sich räuspern mußte: Meinte der Vater wirklich nicht, daß es anginge, die zu erwischen ?

Nun, erwiderte der Vater ernsthaft, sie könnten es ja vielleicht einmal mit Salz auf den Bürzeln versuchen!

»Salz auf den Bürzeln? – Geht das?«

Höhö; so hatten sie's doch in alten Zeiten immer gemacht! – Aber da mußte der Vater lachen, und damit war der Glaube an das alte Volksmittel zerstört. Der Per Hansen war fast noch froher als sein Büblein über all das Gevögel. Freilich gebe es da einen Rat, wenn er nur erst Zeit gewann, sich recht zu bedenken! Im Märchen stehe nichts davon geschrieben, daß der König eine Schrotflinte gehabt; trotzdem habe er Enten verspeist. Und was einstens getan worden war, könnt' einstens wieder getan werden! –

Auf dem Heimweg von diesem Ausflug machte der Per Hansen seine große Entdeckung.

Der Große-Hans ging den nächsten Weg nach Haus, um dem Bruder brühwarm zu erzählen, was er und der Vater heute gesehen.

Der Per Hansen aber liebte es nicht, den Weg, den er gekommen, zurückzugehen, solange soviel Land noch unbefahren war. Er machte also einen großen Bogen. Schon oft hatte er sich gefragt, wie weit ihre Landteile sich wohl nach Westen erstreckten, niemals aber Zeit gehabt, die Grenze abzuschreiten. Jetzt kam er gerade des Wegs und konnte bequem die Westgrenze aller ihrer Reiche abgehen!

Tönset'ns Südlinie war ihm gut bekannt, ebenso alle Grenzen nach Ost und Nord. Jetzt ging er ins Fahrwasser der Südlinie, auf ihr zunächst ein Stück nach Osten, fand aber, bis ganz zum Ende werde es zu weit und drehte wieder nach Westen ab. Er müsse es heute bei einem Überblick bewenden lassen. – – Hier ungefähr müßte es sein, dachte er, blieb stehen und nahm Gissung auf Nord. Er mochte wohl an die hundert Schritt gegangen sein, als sein Fuß gegen einen Pflock stieß, der sich da schlafend im Grase duckte. Der Per Hansen sah hin, bemerkte den Pflock und blieb mit einem gewaltigen Ruck stehen. – – – War der Syvert auch hier gewesen, und hatte sein Merkzeichen eingerammt? Er war vorbedacht, der Syvert!

Der Per Hansen bückte sich und besah sich den Pflock. Ganz richtig! Da stand die Zuweisung sowohl mit Sektions- wie mit Quartnummer. Aber der Name darunter – der Name? Er kniete hin und starrte, bis ihm schwarz vor den Augen wurde: Da stand keineswegs ›S. H. Tönset'n‹, nein, da stand ›O'Hara‹, – nichts andres. Alles eingeschnitzt. Und das Zeichen wies nach Osten! – Als der Per Hansen wieder aufgestanden war, richtete er das zerdrückte Gras sorgfältig mit der Hand wieder auf.

»Jah,« sagte er laut und setzte sich in Bewegung; machte dann aber nochmals kehrt, ging zurück und las den Namen wieder. Um sich ganz zu versichern, daß er richtig sehe, ließ er den Zeigefinger über die geschnitzten Buchstaben gleiten und buchstabierte. Ja, ein Zweifel war nicht möglich!

Der Per Hansen legte den Kurs geradeaus nach Nord und schritt langsam weiter. Das Frohgemute, Freundliche war wie ausgelöscht; er sah müde aus. Plötzlich sputete er sich. Er ging bis zu Hans Olsens Südgrenze; hier machte er sich ans Suchen, zuerst ostwärts, sodann westwärts und ein Stück in den angrenzenden Quart hinein.

Und wieder stand da dieses Merkzeichen! – Er schaute sich nach allen Seiten um. Nein, nirgends war wer zu erblicken; er kniete hin, untersuchte das Zeichen. Die Landzuweisungsziffer machte ihm weniger Sorge; aber der Name, der Name! ›Joe Gill‹ stand auf diesem Pflock, – ›Joe Gill‹. Und es hätte stehen müssen: ›H. P. Olsen‹! – – Er stand auf.

Mechanisch ging er nach Norden weiter bis zur Grenze zwischen seinem und Hans Olsens Landstück; hier kreuzte er lange nach Ost und West hin und her. Aber hier konnte er den Pflock nicht finden; von seinem Vorhandensein war er ganz überzeugt. Sollte sich das Unheil etwa an Tönset'n und den Hans Olsen herangeschlichen und sich dann nicht weiter nach Norden zu ihm hingetraut haben? Undenkbar! – Schließlich gab er doch sein Suchen auf; er schritt jetzt die gleiche Strecke nach Norden ab, bis zur Scheide zwischen seinem und Henrys Gebiet und stöberte auch auf diesem Quart nach dem Zeichen. – Nein, auch hier nichts zu finden!

Inzwischen war es spät geworden, und er mußte an die Heimkehr denken. – – Vor kaum einer Stunde noch war er frohen und leichten Sinnes gewesen wie ein Kind; als er nach Hause kam, schien ihm, er sei noch nie in seinem Leben so müd gewesen.


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