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An dem Hans Olsen war alles Körperliche ins Übermaß geraten: das war eine Gestalt, bei deren Anblick Fremde stehenblieben, um sich danach umzusehen; sie schien den Raum zu sprengen, wenn sie sich reckte; die Körperkräfte entsprachen dem Äußeren; es war vorgekommen, daß harte Gegenstände in seinen Händen unversehens knickten. – Gedanken aber fanden nicht leicht Eingang hinter der großen Stirn; gewöhnlich mußte er ein Ding erst lange gründlich und von allen Seiten betrachten, ehe er etwas davon begriff; aber dafür bewahrheitete es sich wiederum an ihm, daß, wenn er erst einmal eine Sache wohlbehalten hinter der Türe hatte, sie dort in klarem Lichte stehenblieb. Denn es ging ihm auch hier wie mit den Gegenständen: er faßte sie behutsam und gern langsam an, aber dann glitten sie ihm dafür auch nicht aus der Hand, hielt er sie erst einmal umschlossen. Darum fiel es ihm auch schwer, auf begonnenem Wege umzukehren. Richtig und falsch waren für ihn ewige und stehende Begriffe, an denen nicht zu deuteln und zu drehen war. Recht bleibe recht, und falsch bleibe falsch, meinte er; so sei es gewesen, und so müsse es sein, solange die Welt bestehe. –
Als der Per Hansen an dem Morgen in die nachbarliche Hütte trat, da schien ihm guter Rat teuer; denn Mann und Frau waren beide auf, und er mochte doch in Gegenwart der Sörine nicht gern berichten, wie die Dinge standen; die Weiberleut mußten durchaus von dem allen ferngehalten werden! – Aber andererseits hatte er Eile und nicht Zeit zu weitläufigen Erklärungen; der Hans Olsen und die Frau hatten inzwischen auch das Lager auf ihrem westlichen Landstück entdeckt und waren im Begriff, zu Tönset'n zu gehen, der ja Englisch reden konnte, um mit ihm das Volk drüben aufzusuchen. – Der Per Hansen überlegte noch. Aber dann fiel sein Blick auf Sörines Gesicht, und er sah, wie gut und verständig das war, und da erzählte er ohne Umschweif alles, was ihm und Tönset'n gestern abend begegnet war.
»Und jetzt, Sörrina, sei so gescheit, daß du schweigst,« setzte er frisch hinzu. »Die Beret weiß von nichts, und die Kjersti auch nicht, und es ist unnötig, Leut zu erschrecken, die ohnehin furchtsam genug sind, – nicht jedoch, als ob von dem hier viel Aufhebens zu machen sei. Ich bin überzeugt, daß wir sie im guten fortbekommen, wenn wir ihnen unsre Papiere vorzeigen. – – Jetzt müssen wir uns aber beeilen! Vergiß deine Papiere nicht, Hans Olsen!«
Nun konnte sich aber der Hans Olsen in einer solchen Sachlage unmöglich beeilen; er mußte erst fragen und immer wieder fragen. – Fakta seien nun einmal Fakta, und hier lägen sie klar genug. Er selber habe auf dem Landkontor gestanden; Tönset'n habe akkurat auf diesen Quart hier gezeigt und an seiner Statt gefragt, ob er den nehmen dürfe. Und es sei dem nichts im Wege gewesen, auch nicht das geringste. Das stehe hier auf dem Papier zu lesen; und er sei auch schnurstracks hinausgezogen und habe alles getan, was das Gesetz vorschreibt. Sei hier also etwas verkehrt, so habe die Obrigkeit das zu ordnen, – doch verkehrt könne hier eben nichts sein!
»O weißt du,« erwiderte der Per Hansen ruhig, »die Obrigkeit, die ist gewiß am Platz, kein Mensch zweifelt an ihr! Aber – sie ist heut bloß gar so weit weg – ja, das ist der Haken.« –
»Die beabsichtigen doch wohl nicht, uns von hier zu verjagen?« fragte der Hans Olsen erstaunt; der gewaltige Körper straffte sich, ohne sich dessen bewußt zu sein.
»Wenn ich sie recht verstanden habe, so haben sie so etwas allerdings vor. – Und jetzt müssen wir schleunigst hin und ihnen unser Anrecht schwarz auf weiß zeigen.« Der Per Hansen warf der Frau einen Blick zu.
»Nein, das ist doch wohl nicht möglich! – Sind es – sind es viele?«
»Ich zählte zwölf Männer und vier Weiber, mehr, glaube ich, sind es nicht.« Über Per Hansens Gesicht kroch ein winziges Lächeln.
Der Hans Olsen saß mit der zusammengefalteten Urkunde in der Hand, breitete sie nochmals aus und besah sie. Das meiste darauf konnte er zwar nicht lesen, aber das wichtigste zwang er: das Datum, die Landzuweisung, die Unterschrift der Regierung sowie seine eigene. Alles stand da recht und richtig; bisher hatte er die Seite des Vertrages, die sich auf ihn bezog, erfüllt, wie das Gesetz es gebot. – Er reichte dem Per Hansen das Papier und sagte ernst und unerschütterlich: »Kannst du etwas Verkehrtes daran entdecken?«
In dem Per Hansen regte sich jetzt doch die Ungeduld; hier saßen sie und saßen sie und vertrödelten die Zeit und erreichten nichts; er lachte, und es klang hart:
»Nein, siehst du, mit dir ist wohl alles recht und richtig; mit den Burschen aber, die sich auf dem westlichen Teil deines Quarts niedergelassen haben, mit denen ist es verkehrt!«
»Sehen sie aus wie friedliches Volk?« fragte die Sörine.
»O freilich, 's sind ja Weiberleut dabei!«
»Ja, da müssen wir vielleicht wohl doch am Ende hin und mit ihnen reden?« fragte der Hans Olsen langsam und bedächtig.
»Ja freilich, das müssen wir! – steck du nur die Urkunde in die Tasche, und dann wollen wir machen, daß wir weiterkommen!«