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Er war kaum recht in die Stube gekommen, hatte er einen Sitz gefunden und die Pfeife angezündet, als sich noch ein Gast einfand. Tönset'n trat herein und anscheinend in schlechter Laune. – Nein! Er wolle sich nicht setzen; habe übrigens die Absicht, weiterzugehen. – Wußten sie, daß die Solumbuben im Begriff waren, sie zu verlassen?
»Oh, wir wissen wohl soviel wie du, Syvert,« sagte der Per Hansen trocken. »Hier geschieht nicht gar so übermäßig viel zu dieser Jahreszeit.«
»Ja, aber meiner Treu, das geht nicht an, lieben Leute, – das geht einfach nicht an! Es ist, wie die Kjersti sagt: Uns bleibt bald nur der Schnee.«
»Oh, der reist wohl auch eines Tages seines Wegs,« lachte der Per Hansen.
»Ja aber,« fuhr Tönset'n los, »warum richtet ihr euch auch so schlecht ein?«
»Wir?« fragte der Per Hansen.
»Jawohl, ›wir‹, jawohl!«
»Wir können doch wohl die Buben nicht gut anpflöcken, wenn sie fort wollen,« sagte der Hans Olsen.
»Nein, das können wir nicht!« Tönset'n stand armfuchtelnd vor ihm. »Aber wir können uns vernünftig einrichten, das können wir!«
»Allright, Vater Syvert, nur heraus mit deiner Vernunft!« meinte der Per Hansen.
»O du schwätzest daher wie ein Trottel, Per Hansen! – Hier druckst ihr beide untätig herum. Aber Kinder habt ihr, und bekommen tut ihr noch mehr! Und da solltet ihr euch zusammentun und den Henry dazu anheuern, für das Kroppzeug im Winter Schule zu halten. Denn es sitzt ein guter Kopf auf dem Henry; viel Wissen hat er wohl nicht, aber der Bursch ist in Amerika geboren und aufgewachsen und kann tüchtig Englisch, das weiß ich. – Ich hab' keine Kleinen zu schicken, aber ich will gern ein paar Dollar zum Lohn aussetzen, auch ich, wenn ich zum Herbst erst meinen Weizen ausgedroschen habe.« – Tönset'n schien sich das Ganze genau zurechtgelegt zu haben.
Die beiden andern hörten ihm schweigend zu. In Per Hansens Augen begannen wieder jene geschwinden kleinen Funken zu tanzen, die zeigten, daß er gut aufgelegt war. – – Der Hans Olsen grübelte über den Vorschlag nach. Es war so wahr, wie ausgesprochen, daß sie eine Schule für die Kinder nötig hatten; wenn sich aber die Buben nun entschlossen hatten zu reisen und bereits fertig waren? –
»Ja, da hockt ihr nun!« meinte Tönset'n hitzig. »Und jetzt sage ich euch, wir gehen alle drei schnurstracks zu den Solumbuben und reden mit ihnen!«
»Es ist bloß das,« sagte der Hans Olsen langsam, »daß, wenn sie den Entschluß einmal gefaßt haben, dann ist es wohl nicht ganz recht an ihnen gehandelt.«
»Entschluß gefaßt!« schnob Tönset'n. »Daß du auch solch einen blöden Jux von dir geben magst, Hans Olsen! Wie viele Male hast du nicht einen Entschluß gefaßt und dann abgesagt?
– – Ich will euch sagen, Leute, lassen wir jetzt die Solumbuben fort, dann ist es ziemlich ungewiß, ob wir sie wieder zu sehen bekommen, – unverheiratet und nicht gebunden wie sie sind. Ja, und das meint die Kjersti auch! Und wo sollten wir wohl wieder so gute Nachbarn hernehmen?«
»Wir können wohl immerhin versuchen?« überlegte verwundert der Hans Olsen. »Ja, was meinst du, Per Hansen?«
Der Per Hansen sprang vom Stuhl auf: »Ja, ich will dasselbe wie ihr, Mannsleut! Und es kann wohl dabei nicht schlimmere Schläge setzen als Abschläge.« – Dann besann er sich aber wieder eine Weile: »Eigentlich dürfte ich auf diese Fahrt wohl nicht mit? – Aber, ach Dreck!« Er warf sich den Mantel über und griff nach der Mütze: »Der Henry muß ohnehin Gelegenheit bekommen, mir seine Meinung zu sagen. Also ebensogut jetzt wie später!«
Das wurde eine lange Beratschlagung an jenem Abend bei den Solumbuben. An der Hüttenwand stand der Schlitten bereit, drinnen die Reiselade gepackt; der Henry und der Sam wollten sich gerade legen und waren befangen, als sie die drei Nachbarn vor sich sahen; und auch die benahmen sich so merkwürdig schüchtern.
Der Hans Olsen brachte das Anliegen vor.
Und da mußte der Henry herzlich lachen. Nein! Zum Schulmeister tauge er nicht. Habe übrigens auch an anderes zu denken. Irgendwo in Minnesota warte eine Dirn auf ihn. Finde er sie, brauche auch er wohl mit der Zeit eine Schule für die Kleinen!
Da mischte sich Tönset'n ein. In seiner Stimme lag etwas, was allen Scherz ausschloß, obwohl sie über ihn lachen mußten:
»Ja, fahrt ihr, dann nehmt nur gleich mich und die Kjersti mit, obwohl ich nicht sehe, was wir in Ost-Minnesota anfangen sollten. Denn sie und ich, wir zogen gleichsam über das rote Meer, als wir letzten Frühling aufbrachen. Für uns führt kein Weg zurück! – – Was, glaubst du wohl, sollen wir anstellen, wenn ihr gefahren seid ? Beim Hans Olsen spielen sie nicht Karten, und der Per Hansen, der Arme, ja, der schleppt sich mit einer kranken Frau. Gott allein weiß, was dann hier werden soll – ja, das sagt auch die Kjersti!«
Der Per Hansen hatte bisher geschwiegen; jetzt klopfte er die Pfeife aus, erhob sich von der Reiselade und wandte sich an den Henry:
»Ich will dir akkurat sagen, wie es uns jetzt geht, und – das ist also Wahrheit: Reisen jetzt du und der Sam von uns weg, dann wird es für uns, die hier zurückbleiben, recht einsam und wunderlich, so daß wir nicht aus noch ein wissen. – Du hast wohl durchschaut, wie es heut um mich stand ? Da kamst du, mir ein schönes Angebot zu machen, und zum Dank dafür fuhr ich dir an den Kragen. – Und du weißt doch wohl, Henry, das ist sonst nicht meine Art.« – – Mehr gelang ihm nicht auf einmal vorzubringen, aber nach einer Weile setzte er hinzu: »Was für einen Schulmeister du abgibst, davon weiß ich wenig. Ich weiß nur so viel, daß ihr, du und dein Bruder, prächtige Burschen seid und keiner von uns euch entbehren mag! – Und nun könnt ihr es damit halten, wie es euch ums Herz ist.«
Der Per Hansen hatte mit einer merkwürdigen Ruhe gesprochen. Sein Ernst steckte sie an. Alle fühlten das gleiche: im nächsten Augenblick hätte er vielleicht angefangen zu flennen.
Es entstand eine lange Pause. Tönset'n schneuzte sich gewaltig und wischte sich die Hand am Hosenbein.
Endlich sagte der Henry – seine Stimme war weich:
»Für uns ist der Winter weit schlimmer als für euch; wir sind bloß zu zweien, ihr aber dürft euch doch auch mit Weib und Kindern herumschlagen!«
»Kindern?« fragte Tönset'n und wischte sich die Augen. »Nein, wie du daherred'st, Henry!«
»Aber das kann sich nun gleichbleiben,« fuhr der Henry ernst fort, »wenn ihr es übernehmen wollt, uns Abendessen zu geben, jeder von euch eine Woche lang umschichtig, und außerdem mit Kleidung auszuhelfen, dann können wir's ja wohl versuchen, – oder was meinst du, Sam?«