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Beddgelert, den 29sten früh
Bewundere, liebste Julie, mit mir die Täler Merlins, sie sind in der Tat bezaubernd – aber an seinen Felsen, an Dinas Emrys, werde ich gedenken! Doch laß mich in der Ordnung erzählen.
Ich stand also, obgleich erst um 1 Uhr zu Bett gegangen, pünktlich um 4 Uhr auf, und in 10 Minuten war ich reisefertig, denn sobald man Diener und Luxus abgestreift, geht alles leichter und schneller vonstatten. Das gute Wetter hatte sich bereits wieder in den gewöhnlichen Nebel dieser Gebürge verwandelt, und mein Regenschirm, den ich gestern als Alpenstock gebraucht, tat mir heute, als Obdach, gute Dienste im offenen Wagen, so wie mein alter 15jähriger Mantel, die geehrte Reliquie, in dem ich die Franken mitbekriegen half, und den aus hohem Luftballon ich einst mit allem übrigen Ballast hinabwerfen mußte, um die Luftfahrt nicht im Wasser zu enden.
Im Anfang war die Straße ziemlich tot und uninteressant, bis wir an den Fuß des Snowdon kamen, der, obgleich eine Wolke unter ihm uns beregnete, sein Haupt doch zu derselben Zeit großmütig enthüllte. Er sieht an dieser Stelle besonders majestätisch aus, da er sich fast senkrecht aus dem tiefen Tal von Gwynant erhebt, das hier seinen Anfang nimmt. Dieses reich bewässerte Tal verbindet die blühendste Vegetation mit den erhabensten Ansichten. Die höchsten Berge von Wales gruppieren sich um dasselbe in mannigfaltigen Formen und Farben. Der Fluß, welcher es durchströmt, bildet in seinem Lauf zwei Seen, die nur wenig Breite, aber desto mehr Tiefe haben, denn das Tal ist durchgehends eng, welches die Größe der Kolosse darum her desto mehr hervorhebt. In dem üppigsten Teile desselben besitzt ein Kaufmann aus Chester einen Park, den er nicht mit Unrecht das »Elysium« benannt hat. An einem hohen, dicht mit Wald bedeckten Bergrücken, aus dessen dunklem Grün vielfache, in seltsamen Gestalten wetteifernde Felsen hervortreten, steht über dem Bergstrom auf lichter Wiese die anspruchlose, freundliche Villa. Vor ihr breitet sich in der Tiefe der See aus, und hinter diesem schließt Merlins, ganz isoliert dastehender, Wunderfelsen scheinbar das Tal, welches hier eine jählinge Biegung macht. Doppelt unvergeßlich bleibt mir Dinas Emrys, einmal wegen seiner romantischen Schönheit, und zweitens, weil ich auf ihm wörtlich zwischen Leben und Tod hing. Obgleich nicht höher als 4-500 Fuß, wird er doch nur von einer Seite als ganz zugänglich angesehen. Ich hatte einen kleinen Knaben als Führer mitgenommen, der aber, an Ort und Stelle angekommen, seiner Sache nicht recht sicher schien. Der Weg, den er durch das Eichengestrüpp nahm, schien mir gleich vom Anfang an, wegen seiner ungemeinen Steilheit verdächtig, indessen beruhigte er meine Besorgnis in gebrochenem Englisch, und ich konnte nichts andres tun, als der kleinen Gemse, so gut als möglich, folgen. Merlin schien uns zu zürnen, es hatte sich ein heftiger Wind erhoben, und die Sonne, die uns einen Augenblick angeglänzt, lagerte sich hinter schwarze Wolken, das lange nasse Gras aber, welches über die Steinblöcke hing, machte das Klettern sehr gefährlich. Den barfußen kleinen Jungen focht dies indes nicht sehr an, desto mehr meine von gestern noch etwas steifen Glieder. Je höher wir uns empor arbeiteten, je steiler wurden die Felsen, oft war es nur, mit Hilfe der aus den Spalten wachsenden Sträucher, und den Blick hinter sich bestens vermeidend, möglich, sich hinaufzuschwingen. Endlich bemerkte ich, daß der Knabe selbst ganz unschlüssig ward, und, auf dem Bauche kriechend, sich bald nach der, bald nach jener Richtung ängstlich umsah. Wir wandten uns nun noch durch einige Spalten rechts und links, und standen dann plötzlich auf der Spitze einer glatten hohen Wand, mit kaum so viel Raum, um den Fuß darauf zu setzen, und über uns nichts, als eine ähnliche Felsmauer, bloß mit einzelnen Grasbüscheln bewachsen, welche zum Gipfel führte, den sie überall zu umziehen schien.
Der Anblick war entmutigend, das Kind fing an zu weinen, und ich überlegte mit klopfendem Herzen, was zu tun sei. Gern, ich gestehe es, wäre ich wieder zurückgeklettert, und hätte Merlins Felsen allen Hexen und Gnomen überlassen, wenn ich es für möglich gehalten hätte, ohne Schwindel da wieder hinunter zu kommen, wo wir heraufgestiegen, oder nur denselben Weg wieder aufzufinden. Vor uns war keine Aussicht weiter zu gelangen, als die Mauer auf gut Glück zu eskaladieren. Der Knabe, als der Leichtere und Gewandtere, mußte also voran, ich folgte ihm auf dem Fuße, und an die Grasbüschel als einzige Stütze uns haltend, Hände und Füße wie Klauen in jede kleine Fuge einschlagend, erstiegen wir so, zwischen Himmel und Erde hängend, glücklich die halsbrechende Zinne. Ich war gänzlich erschöpft, als ich oben ankam, und fast ohnmächtig. Ein Kühnerer mag über mich spotten, aber wenn ein Grasbüschel, eine Wurzel in meiner Hand jetzt zu wanken schien, und loszureißen drohte, ehe ich mich noch daran hinaufgeschwungen, fühlte ich, was Entsetzen heißt. Als ich nun, tiefatmend, auf dem Rasen lag, erblickte ich eine große schwarze Eidechse, mir gegenüber gelagert, die mich höhnisch anzublinzeln schien – als sei sie der boshafte Zauberer selbst im Morgennegligé. Ich ließ sie indes gern gewähren, und war guter Dinge, so wohlfeilen Kaufs davon gekommen zu sein, obgleich ich dem kleinen imp, der mich, wie ein neckender Berggeist, in die Gefahr gebracht, mit allen Schrecknissen drohte, wenn er nicht zur Rückkehr den rechten Weg ausfindig mache. Während seiner Abwesenheit besah ich die Überreste der area, wie sie hier genannt wird, die demolierten Mauern, wo prophetic Merlin sat, when to the British King the changes long to come, auspiciously he told.
In dem Steinhaufen wühlte ich umher, in die verfallnen Gewölbe kroch ich – aber auch mir blieben, gleich andern guten Leuten, die Schätze verborgen! Ohne Zweifel war der rechte Moment noch nicht gekommen – dafür aber erschien frohlockend der Knabe, und rühmte die Schönheit des endlich aufgefundenen Weges. War dieser nun auch nicht ganz so eben und leicht wie der der Sünde, so gehörte er doch wenigstens nicht zu den inaccessiblen, wie der frühere. Merlins Ungnade verfolgte uns aber noch ferner in strömenden Regengüssen, die mich hier in Beddgelert wieder zwingen, den Kamin zur Trockenanstalt zu benutzen. Gar anmutig ist der unter hohen Bäumen völlig versteckte Gasthof, in dem ich ruhe. Nur vor meinem Fenster grünt eine frischgemähte Wiese, und dahinter brüstet sich ein ungetümer Berg, von oben bis unten mit hochroter Erica bedeckt, die, ohngeachtet des Streifregens und des bedeckten Himmels, wie das Morgenrot leuchtet. Indes man mein Mittagsessen bereitet (denn ich esse heute, wie Suwaroff, früh 8 Uhr zu Mittag) spielt ein Harfner, bescheidnes Überbleibsel der welschen Barden, originelle Weisen auf seinem uralten Instrument. Er ist blind, und auch sein Hund ist blind, der unermüdlich aufwartend neben ihm auf den Hinterbeinen steht, bis man seinem Herrn ein Stück Geld und ihm ein Stückchen Brot gespendet. Bedd Gelert heißt Gelerts Grab, denn Bett und Grab wird poetisch in der welschen Sprache durch dasselbe Wort ausgedrückt. Daß hier nicht von dem deutschen Prosaiker die Rede ist, hat Dein Scharfsinn ohne Zweifel schon erraten, es handelt sich ganz im Gegenteil nur um die Ruhestätte eines Windhundes, dessen Geschichte aber so rührend ist, daß ich sie Dir erzählen will, sobald mein déjeuner dînatoire wieder abgetragen sein wird, denn die Angst auf dem behexten Felsen hat mich verzweifelt hungrig gemacht.
Après dîner
Die versprochene Geschichte also ist folgende:
Llywelyn der Große, Prinz über Wales, hatte einen Lieblingshund, mit Namen Gelert, ein Schrecken der Wölfe, aber die Freude seines Herrn. Als Llywelyn sich indes später mit einer jungen und schönen Gemahlin vermählte, trat der Hund, wie billig, in den Hintergrund, blieb jedoch, wenn auch weniger geliebt mit Hundestreue (car les hommes ne sont pas si bêtes!) seinem Herrn stets mit gleicher Anhänglichkeit ergeben. Llywelyns innigste Wünsche wurden erhört, ein holder Knabe krönte sein eheliches Glück. Überall mußte nun dem überseligen Vater der Säugling folgen, dessen Wiege immer neben seinem eignen Lager aufgeschlagen stand. Einst hatte, auf einer Jagdstreiferei im wilden Gebürge, die Fürstin, durch Unpäßlichkeit verhindert, ihren Gemahl nicht begleiten können, dennoch durfte sein Sohn, von einer Amme gewartet, ihn nicht verlassen. Man hatte in einer schlechten Hütte übernachtet, und früh auf die Jagd ausziehend, übergab Llywelyn den Knaben auf die wenigen Stunden der Amme und der Wache seines treuen Gelert, keine Gefahr für ihn, in dem tiefen Frieden, der damals im Lande herrschte, besorgend. Die Amme, von gleicher Sicherheit betört, benutzte schnell die Freiheit, ihren nahen Liebhaber zu sehen, nur der Hund folgte streng gehorsam seiner Pflicht. Er war dadurch des Knaben Retter – denn ein Wolf, die Einsamkeit des Hauses bemerkend, hatte sich herangeschlichen und mochte schon das schlafende Kind als sichere Beute ansehen, als Gelert hervorsprang, und nach langem Kampfe, selbst schwer verwundet, den Feind bezwang und tötete. Im Blute schwimmend, legte er sich zu der Wiege Füßen, abwechselnd des Knaben zarte Händchen und seine eignen Wunden leckend. In diesem Augenblicke kehrt Llywelyn, noch mit dem Jagdspieß in der Hand, zurück, tritt in das Zimmer, und sieht mit Entsetzen die Stube, seinen Sohn mit Blut bedeckt, und den Hund über die Wiege gebeugt. Von Schreck und Zorn betört, glaubt er, dieser habe sein Kind gemordet, und wütend stößt er ihm den widergehakten Spieß in die treue Brust. Die Augen klagend auf seinen Herrn gerichtet, und in letzter Unterwürfigkeit noch einmal liebkosend mit dem Schweife wedelnd, verschied mit einem herzzerreißendem Schmerzensschrei das arme Tier – und kaum war sein letzter Seufzer verhallt, als Llywelyn den getöteten Wolf, ausgestreckt am Boden, und seinen Sohn, sanft lächelnd, in der Wiege erblickte. Der Sage nach, verfolgte seitdem des treuen Gelerts Schmerzenslaut den betrübten Fürsten bei Tag und Nacht, so daß er zu seinem Andenken ein Monument erbaute, auf dessen Platz noch jetzt eine alte gotische Kirche steht, und wo er lange strenge Bußübungen verrichtete. Später wollte er sogar seine neue Burg auf dem nahen Merlins-Felsen ausführen lassen, aber nimmer konnte er sie zustande bringen. Was am Tage gebaut war, fand man in der Nacht wieder in die Erde gesunken – nie erlaubte, damals und seitdem, der neidische Zauberer, durch fremde Behausung seinen Wohnplatz zu entweihen.
Die Sonne scheint wieder, denn hier dauert der April das ganze Jahr, et je pars. Adieu.
Caernarfon, den 30sten
Während meines dîner in Beddgelert hatte ich den Harfner fleißig aufspielen lassen, und mich, wie ein Kind, mit seinem Hunde amüsiert, dem das Stehen auf zwei Beinen so zur andern Natur geworden war, daß er noch besser wie der gerupfte Hahn, als platonischer Mensch hätte figurieren können. Die vollkommene aisance seiner Stellung und sein ernstes Gesicht dabei, hatten etwas so Lächerliches, daß man ihm nur in Gedanken einen Unterrock überzuziehen, und eine Tabaksdose in die Pfote zu geben gebraucht hätte, um darauf zu schwören, es sei eine alte blinde Dame. Wie dieser Hund dem heroischen Gelert, so mögen auch die modernen Welschen den alten gleichen. Ohne die Energie und Betriebsamkeit der Engländer, noch weniger von dem Feuer der Irländer beseelt, vegetieren sie arm und im Verborgenen zwischen beiden. Die Einfachheit der Berge aber ist ihnen geblieben, und sie sind weder so grob, noch prellen sie so unverschämt wie die Schweizer. Point d'argent, point de suisse ist hier noch nicht anwendbar. Im Gegenteil lebt man so wohlfeil, daß bankerotte Engländer häufig hier ihre Lebenstage beschließen, wo sie freie Jagd, den Gebrauch eines Pony, nebst guter Kost und Wohnung, für 50 Guineen des Jahres finden können.
Die Umgebung von Beddgelert ist die letzte Fortsetzung des herrlichen Tales, welches ich Dir beschrieben, und das in diesem Augenblicke durch hundert Wasserfälle belebt wird, die in allen Bergschluchten sich, weiß und schäumend wie Milch, herabstürzen. Eine halbe Stunde hinter dem Dorfe treten die Felsen so eng zusammen, daß kaum noch Platz für Strom und Weg nebeneinander übrig bleibt. Hier wölbt sich die Teufelsbrücke, und schließt das Tal, oder vielmehr die Schlucht, in die es läuft. Von nun an nähert man sich wiederum dem Meere, und die Gegend nimmt eine Zeitlang einen lachenden Charakter an. In zwei Stunden erreichte ich das von den Touristen so viel besuchte Tal von Tan-y-bwlch (Tannibulk), dessen Hauptmerkwürdigkeit ein schöner Park ist, auf zwei felsigen mit Hochwald bewachsenen Bergen ausgebreitet, zwischen welchen ein reißender Bach strömt, der mannichfaltige Kaskaden bildet. Die Promenade in dieser Anlage ist vortrefflich geführt, um in gehöriger Gradation und Abwechslung auf die verschiedenen Aussichtspunkte zu gelangen, wo bald in der Ferne eine Insel im Meere, dann ein naher Abgrund mit dem schäumenden Wasserfall, jetzt ein entfernter peak, oder später eine einsame Felsenpartie unter der Nacht uralter Eichen sichtbar wird. Ich wanderte über eine Stunde lang auf diesen Gängen, war aber sehr verwundert, das Ganze in solchem Grade vernachlässigt zu finden, daß ich an den meisten Stellen im hohen Grase waten, und mich durch die verwachsenen Pflanzungen durcharbeiten mußte. Auch das Wohnhaus schien verfallen. Später erfuhr ich, daß der Besitzer sein Vermögen in London im Spiel eingebüßt! Da ich fürchtete, zu viel Zeit zu verlieren, gab ich den Besuch von Ffestiniog und seiner berühmten Wasserfälle auf, nahm einen frischen sociableEine Art viersitziger, leichter Calesche, ohne Verdeck. und Pferde beim Wirt, und machte mich nach dem 10 Meilen entfernten Tremadog auf, eine sehr belohnende Fahrt, obgleich der Weg der schlechteste war, den ich noch in Groß-Britannien angetroffen. Einige Meilen führt er im Meere fort, nämlich in einem Teil desselben, welchen ein reicher Particulier, Hr. Madog, durch einen ungeheuern Damm abgeschnitten, und dadurch ein fruchtbares Terrain von der Größe eines Ritterguts, gewonnen hat. Von diesem Damme, welcher 20 Fuß hoch und zwei Meilen lang ist, genießt man eine der prächtigsten Aussichten. Das abgeschnittene Becken formt einen fast regelmäßigen Halbzirkel, dessen Wände von dem ganzen Amphitheater des Gebürges gebildet zu sein scheinen. Hier hat der Kunstfleiß des Menschen den Schleier vom Meeresboden hinweggezogen, und statt der Schiffe zieht der Pflug seine Furchen durch die weite Fläche – aber links deckt noch der unermeßliche Ozean alle Geheimnisse seiner nie ergründeten Tiefe mit schäumenden Wasserbergen zu. Die Küste endet für das Auge in geringer Ferne mit einem kühnen Felsenvorsprung, auf dem die Ruine des alten Schlosses Harlech mit fünf verfallenen Türmen über die Fluten hinaushängt. Vorn, am Ende des Dammes, öffnet sich dagegen ein freundlich stilles Tal, unter hohen Bergen gelagert, mit einem kleinen, aber belebten Hafen, neben welchem Tremadog sich an die Felsen schmiegt.
Übrigens würdest Du, Herzens-Julie, Dich schwerlich entschließen können, über diesen Damm zu fahren, da seine Beschaffenheit sich eigentlich nur für Fußgänger eignet. Er ist, wie schon erwähnt, 20 Fuß hoch aus roh übereinander getürmten, spitzen und kantigen Schieferblöcken steil aufgeführt, und oben nur 4 Ellen breit, ohne irgendetwas, das einer Lehne ähnlich sähe. Mit Wut stürmt auf der einen Seite die Brandung gegen ihn, und scheuten davor die Pferde, so stürzte man ohnfehlbar in die gleich Piken aufgerichteten Schieferspitzen. Die Bergpferde allein können solche Pfade sicher passieren, da sie die Gefahr zu beurteilen scheinen, und mit ihr vertraut sind. Demohngeachtet sieht man hier selten einen Wagen; nur eine Eisenbahn für Steinkarren führt über den Damm, welche das Fahren mit anderm Fuhrwerk noch bedeutend erschwert.
Tremadog selbst steht auf früher durch eine gleiche Operation gewonnenem Meeresgrund. Es ist auffallend, wie ähnlich dieser, erst seit einigen Jahrhunderten Land gewordene, Strich auf die kurze Distanz den nördlichen Sandgegenden Deutschlands ist, welche vielleicht auch zum Teil kaum über ein Jahrtausend vom Meere frei wurden. Das Städtchen selbst und seine Einwohner, als wenn gleicher Boden auch gleichen Menschencharakter hervorbrächte, war ebenso vollkommen den traurigen Örtern jener Länder verwandt. Öde und vernachlässigt, schmutzig, die Menschen schlecht gekleidet, der Gasthof nicht besser als ein schlesischer, und nicht weniger unreinlich, und um nichts fehlen zu lassen, auch die Postpferde, welche ich bestellte – auf dem Felde, so daß ich sie erst nach anderthalb Stunden erlangen konnte. Wie sie endlich kamen, entsprach ihr Aussehen, der schlechte Zustand der Geschirre, wie die Tracht des Postillions, ebenso treu dem angeführten Modell. Dies gilt jedoch nur von diesem, der See abgewonnenen, Distrikt; sobald man eine halbe Stunde weiter gefahren ist, und die umgebenden Höhen wieder erreicht, ändert sich die Gegend von neuem zum Fruchtbaren und Schönen um. Sie hatte freilich das Wilde und Gigantische der frühern verloren, aber nach dem langen Aufenthalt in den Felsenmassen tat mir dieser Anblick wohl, da überdem heute der heiterste und klarste Abend die Landschaft beleuchtete. Die Sonne glänzte so golden auf den smaragdfarbigen Wiesen, bebuschte Hügel lagerten sich so friedlich, wie zur Ruhe, um ein kristallhelles Flüßchen, und einzelne Hütten hingen so einladend an ihren schattigen Abhängen, daß man sich gleich für immer dort hätte niederlassen mögen! Ich war dem Wagen zu Fuß vorangegangen, und überließ mich, unter einem hohen Nußbaum, auf weichem Moose ruhend, mit Wonne meinen Träumereien. Wie sprühende Funken blitzte das Abendlicht durch die dichtbelaubten Zweige, und hundert kleine freudig wimmelnde Insekten spielten in den roten Strahlen, während im Wipfel der laue Wind in Melodien säuselte, die dem Eingeweihten verständlich sind, der ihnen mit süßem Entzücken lauscht. – Der Wagen kam – noch einmal warf ich den sehnsüchtigen Blick auf das tiefblaue Meer, noch einmal sog ich den Duft der Bergblumen in mich – dann zogen die Pferde den Zögernden rasch in das flache Land hinab.
Von nun an hörte alles Romantische des Weges in einer wohlbebauten Gegend gänzlich auf, bis sich in der Abenddämmerung die Türme von Caemarfon Castle über den Waldspitzen zeigten. Hier gedenke ich nun einige Tage auszuruhen, nachdem ich an dem heutigen, von 4 Uhr früh bis abends 10 Uhr, teils zu Wagen, teils zu Fuß, 72 englische Meilen zurückgelegt habe.
Den 1sten August
Diesen Morgen erhielt ich Briefe von Dir, die mich traurig stimmen! Ja, wohl hast Du Recht – eine harte Prüfung des Schicksals war es, die das heiterste und ruhigste Glück, das vollkommenste Einverständnis stören, und die am besten in der Welt zusammenpassenden Gemüter – beide noch obendrein im behaglichen Schoße ihrer beiderseitigen Steckenpferde – wie ein Sturm das friedliche Meer aufregen, voneinander reißen, ja auf eine Zeit fast geistig zerstören mußte, den einen Teil zu rastloser Wanderung, den andern zu trostarmer Einsamkeit, beide zu Kummer, Sorge, Schmerz und Sehnsucht verurteilend! Aber war der Sturm nicht vielleicht unumgänglich nötig für die Meerbewohner, wäre die nie bewegte Luft ihnen nicht vielleicht noch verderblicher geworden? Lasse uns also nicht übermäßig trauern, nichts Vergangenes bereuen, was immer eitel ist – nur vorwärts zum Bessern laß uns streben, und auch im schlimmsten Falle nicht uns selbst verlieren! Wie oft aber sind die eingebildeten Übel, die schwersten zu ertragen! Welch' brennende Schmerzen erregt gekränkte Eitelkeit, welch' peinigende Scham Begriffe falscher Ehre. Es geht mir nicht besser, und oft möchte ich mir beinah Falstaffs Philosophie über dieses Kapitel wünschen. Die Natur hat mir indessen ein anderes kostbares Geschenk verliehen, was ich Dir mitteilen zu können, mich glücklich schätzen würde. Ich finde in jeder Lage schnell, und fast instinktmäßig, die gute Seite derselben auf, und genieße diese mit einer Frische des Gefühls, einer kindlichen Weihnachtsfreude an Kleinigkeiten, die gewiß bei mir nie veralten wird. Und wo wäre nicht auf die Länge Gutes dem Üblen überwiegend beigemischt? Diese Überzeugung aber ist der Grundstein meiner Frömmigkeit. Unendlich sind die Gaben Gottes, und man könnte fast sagen: es ist nicht zu verantworten, wenn wir nicht glücklich sind. – Wie sehr wir es wirklich selbst in der Gewalt haben, kann jeder sehen, wenn er auf sein vergangenes Leben zurückblickt, und sich da überzeugen muß, wie er fast alles Üble so leicht hätte zum Guten wenden können. Wie ich Dir früher und oft sagte: Wir machen unser Schicksal selbst – aber freilich uns selbst haben wir nicht gemacht, und da liegt eine weite, unbekannte Vergangenheit, über die jedoch sich den Kopf zu zerbrechen zu nichts führen würde. Es tue nur jeder sein Möglichstes, mit frischem Mute die äußern Dinge dieser Welt ohne Ausnahme leicht anzusehen, weil die Dinge dieser Welt wirklich leicht wiegen, im Guten wie im Schlimmen. Eine bessere Waffe gibt es nicht, nur muß man deshalb die Hände nicht in den Schoß legen. Dein weiblicher Fehler, gute Julie, ist bei üblen Zeiten, mit einer schwachen Art Frömmigkeit, Dich auf den lieben Gott und seine Hilfe als deus ex machina allein zu verlassen. Damit aber geht man, wenn diese Hilfe endlich doch ausbleibt, sicher zugrunde. Doch kann beides, frommes Hoffen und rüstiges Tun sehr wohl miteinander bestehen, und kein Zweifel sogar, daß dann das erste das zweite gar sehr erleichtert; denn ist auch jene Art Frömmigkeit, wie sie die Welt gewöhnlich versteht, jene sichere Zuversicht auf irdischen besondern Schutz von oben, jenes Bitten um Güter oder gegen Übel, nur eine Selbsttäuschung – so ist es doch eine wohltätige, ja in unsrer Natur vielleicht begründete, wie wir deren so vielen unterworfen sind, und die ohnedem, wenn wir wahrhaft an sie glauben, auch für uns zur individuellen Wahrheit werden. Es scheint, unsere Natur habe das Vermögen, da, wo die Wirklichkeit nicht mehr ausreicht, uns eine eingebildete selbstgemachte, als helfende Stütze, schaffen zu können. So gibt fromme Zuversicht auf speziellen Schutz, selbst in jeder Form des Aberglaubens, Mut. Wer mit der Überzeugung in die Schlacht geht: durch einen Talisman feuerfest zu sein, – der kehrt sich an die Kugeln nicht mehr; höher aber noch wirkt der Enthusiasmus für Ideen, die unser Ich gebietend über die Außenwelt stellen, und so begeistert, sah man oft religiöse Schwärmer die unerträglichsten körperlichen Schmerzen an sich mit wahrer Wunderkraft vernichten. So bilden sich auch Leidende und Gedrückte beseligende Hoffnungen einer künftigen Glückseligkeit, die sie schon hier entschädigt – alles Wirkungen des mächtigen Triebes der individuellen Selbsterhaltung im weitesten Sinne, der das oben erwähnte Vermögen unsrer Natur in Anwendung bringt, sobald er es gebraucht – daher endlich bei schwachen Charakteren die zwar an sich ganz nutzlosen, aber sie doch beruhigenden Bekehrungen auf dem Todbette. Jeder muß am Ende diesem Bedürfnis in einer oder der andern Form seinen Tribut bezahlen, d. h. jeder macht sich seinen irdischen Gott, und dies ist auch eine sich immer wiederholende Menschwerdung Gottes. Die Vorstellung des alliebenden Vaters ist im allgemeinen gewiß die schönste dieser Bildungen, über die hinaus wir auch menschlich nicht weiter steigern können, und man muß es gestehen, die bloße Idee des zum Unbegreiflichen, Unnennbaren, höchsten Prinzips aller Dinge Vergeistigten, sozusagen Verflüchtigten, erwärmt das fühlende, seiner Schwachheit sich bewußte, Menschenherz nicht mehr mit derselben Innigkeit. Übrigens scheint mir oft alles was den Menschen und die Natur ausmacht, nur auf zwei Haupt-Elemente sich zurückführen zu lassen: Liebe und Furcht, die man auch Göttliches und Irdisches nennen könnte. Alle Gedanken, Gefühle, Leidenschaften und Handlungen entstehen hieraus, entweder aus dem einen, oder der Mischung beider Prinzipien. Liebe ist die göttliche Ursache aller Dinge, Furcht scheint die irdische Erhalterin. Die Worte: »Ihr sollt Gott lieben und fürchten«, müßte man nur so erklären, oder sie würden keinen Sinn haben – denn ungemischte Liebe kann nicht fürchten, weil sie das Gegenteil von allem Egoismus ist, ja sie wird, wo sie wahrhaft uns beseelt, eins mit Gott und dem Weltall, und wir haben Momente, wo wir dieses fühlen.
Wenn ich den Maßstab jenes ausgesprochenen Satzes an alle menschliche Handlungen lege, finde ich ihn überall bestätigt. Liebe befruchtet, Furcht erhält, und zerstört – auch in der ganzen Natur sehe ich das Prinzip der Selbsterhaltung oder Furcht (es ist eins und dasselbe) auf das, was wir in der menschlichen Moral böse nennen müssen, nämlich: auf die Vernichtung einer andern Individualität, gegründet. Ein Geschlecht lebt immer von der Zerstörung des andern, Leben entsteht nur durch Tod, bis in alle Ewigkeit der Erscheinung, welche grade auf diese Art Einheit im fortwährenden Wechsel bleibt.
Es ist auch der Bemerkung wert, daß diese Furcht, obgleich uns allen zu unserm irdischen Bestehen so unumgänglich nötig, dennoch, selbst hier, von unserm göttlichen Teile so sehr gering geschätzt wird, daß fast kein mögliches Verbrechen uns so tiefe Verachtung einflößt als Feigheit. Nichts bezwingt dagegen die Furcht besser, als eine große Idee, die aus dem Reiche der Liebe entsprießt. Auch andere reißt man, so beseelt, dann mit sich fort, und ganze Völker werden davon, sich aufopfernd, ergriffen, wenn gleich nichts Irdisches ganz rein von Beimischung des niedrigeren Prinzips sich erhalten kann. Furcht also wird, in der Zeit und im Raume, Liebe ist, und kennt keine Zeit noch Raum. Die Liebe ist unendlich und selig, die Furcht stirbt eines ewigen Todes. Die Liebe ist Gott, die Furcht ist der Teufel – und ihm gehört bekanntlich die Erde zur größern Hälfte.
K... Park, den 2ten August
Bei meiner Rückkehr nach Bangor machte ich gestern die Bekanntschaft des Besitzers von Penrhyn Castle (dem schwarzen Sachsenschloß, das ich Dir beschrieben), ein Mann, der in der Bauleidenschaft mir wahlverwandt ist. Schon 7 Jahr wird an dem Schloß gearbeitet, wozu jährlich 20 000 L. St. ausgesetzt sind, und noch vier Jahre mehr vielleicht wird es bis zur Vollendung brauchen. Während dieser Zeit lebt der reiche Mann mit seiner Familie in einer höchst unansehnlichen gemieteten cottage in der Nähe, mit wenig Leuten umgehend, aber sich wöchentlich einmal an der Besichtigung seiner Feenburg weidend, die er, an so einfaches Leben gewöhnt, wahrscheinlich nie zu bewohnen sich entschließen können wird. Es schien ihm viel Freude zu machen, mir alles zu zeigen und zu erklären, und ich empfand nicht weniger Vergnügen bei seinem Enthusiasmus, der dem sonst kalten Manne wohl anstand.
Um einer Einladung zu folgen, die ich in London erhalten und die mir seitdem dringend wiederholt worden war, reiste ich heute früh hieher. Die Straße führt zuerst in der fruchtbaren Aue, zwischen der See und dem Fuß des Gebirges hin, zuweilen mit einer sich plötzlich öffnenden Bergschlucht, und reißenden Waldbächen, die eilig dem Meere zueilen. Am Penmaen-Mawr verengt sich aber der in den Felsen gesprengte Weg zu einem schwierigen Paß, dessen linke Seite, 500 Fuß hoch, senkrecht und überhängend zu den Wellen hinabsinkt. Eine sehr notwendige Mauerbrüstung schützt die Wagen. Ich saß auf meiner Imperiale, einen Platz, den ich bei gutem Wetter häufig einnehme, und genoß hier die weite Seeaussicht in völliger Freiheit. Der Wind sauste dazu durch alle Töne, und mit Mühe erhielt ich meinen Mantel. Nach einer Stunde erreichte ich Conwy, dessen Lage eine der reizendsten ist. Hier befindet sich das größte jener festen Schlösser, die alle Eduard I. gebaut und Cromwell zerstört hat. Es ist zugleich das, welches durch Umgebung wie eigne Schönheit, am romantischsten erscheint.
Die Umfangsmauern, obwohl verfallen, stehen noch sämtlich, mit allen ihren Türmen, deren man bis 32 zählt. Die ganze neuere Stadt, ein seltsames aber nicht unmalerisches Gemisch von Altem und Neuem, findet Platz im Bezirk dieser Mauern. Seit kurzem hat man über den Fluß Conwy, an dessen Felsenufern das Schloß steht, eine Kettenbrücke, mit Pfeilern in Gestalt gotischer Türme, gebaut, die das Grandiose und Fremde des Anblicks noch vermehrt. Die Umgegend ist herrlich, bewaldete Berge stehen den Ruinen gegenüber, und noch höhere ragen über sie hervor. Mehrere Landhäuser zieren die Abhänge, unter andern eine allerliebste Villa, die eben zum Verkauf ausgeboten ist, und den verführerischen Namen »Zufriedenheit« (contentment) führt. In dem Schloß sieht man noch die imposanten Rudera der Banketthalle mit zwei haushohen Kaminen, und die königlichen Zimmer. Im closet der Königin wird ein ziemlich gut erhaltner und schön gearbeiteter Betaltar, sowie ein prachtvolles oriel-window bewundert. Auch in der Stadt befinden sich sehr merkwürdige alte Gebäude, mit wunderbaren, phantastischen Holzhieroglyphen. Das eine dieser Häuser wurde, wie ein Grabstein in der Kirche besagt, von einem gewissen Hookes im 14ten Jahrhundert erbaut, welcher der einundvierzigste Sohn seines Vaters war, in der Christenheit ein seltnes Beispiel! Ein großes Wickelkind, von einem Storche getragen, und in altem Eichenholz geschnitzt, war daher auch so oft wie möglich als Zierrat auf den Wänden angebracht. In gastronomischer Hinsicht ist Conwy ebenfalls preiswürdig. Es gibt hier einen Fisch, dessen ebenso zartes, als festes Fleisch äußerst wohlschmeckend ist. Er heißt plaice (Platz) ein recht passender Name, als rief er: Platz für mich, der besser ist als ihr übrigen! Auch wünschte ich ihm öfter den Ehrenplatz an meinem Tische einräumen zu können. – Noch bei guter Zeit verließ ich Conwy, über die Kettenbrücke fahrend, der das zerstörte Schloß zum ehrwürdigen Stützpunkte dient. Die ungeheuren Ketten verlieren sich so abenteuerlich in den felsenfesten Türmen, daß man das Neue kaum bemerken würde, wenn nicht unglücklicherweise gegenüber ein Chausseehaus, ebenfalls in der Form einer diminutiven Burg, aufgebaut worden wäre, das sich wie der Harlekin der großen ausnimmt. Je mehr man sich St. Asaph nähert, je milder wird der Anblick des Landes. In einer fast nicht zu übersehenden halbrunden Bucht bespült das ruhige Meer fruchtbare Felder und Fluren, reichlich mit Städten und Dörfern untermengt. Alle Landbesitzer scheinen hier dem gotischen Geschmack zu huldigen. Diese Manier war so weit getrieben, daß selbst eine Schenke an der Straße mit Falltoren, Schießscharten und créneaux versehen war, obgleich es keine andere Besatzung als Hühner und Gänse zu schützen gab. Hier wäre Don Quixotte zu entschuldigen gewesen, und der Wirt täte gar nicht übel, wenn er den Ritter von der traurigen Gestalt mit eingelegter Lanze und Barbierbecken, zum Aushängeschild erwählte.
Weiterhin schien ein ganzer Bergrücken mit einer gotischen Stadt bedeckt. Es machte von weitem einen so auffallenden Effekt, daß ich mich verleiten ließ auszusteigen, und den beschwerlichen Weg hinanzuklimmen. Lächerlich und verdrießlich war es zugleich, als ich fand, daß der Kern der Spielerei nur ein kleines sich durch nichts auszeichnendes Haus war, das Übrige aber bloß verschiedene, auf den Berg und Felsenabhängen errichtete Mauern, die bald Türme, bald Dächer, bald Zinnen von großen Dimensionen, halb im Walde versteckt, nachahmten, von nahem aber nur dazu dienten, eine Menge Frucht- und Küchengärten einzuschließen. Ein Glückspilz, ein durch Zufall reich gewordener shop-keeper, hatte diese harmlose Raubveste, wie man mir sagte, vor zwei Jahren erbaut; eine wahre Satire auf den herrschenden Geschmack!
Gegen Abend langte ich bei meinem guten Obristen an, einem echten Engländer im besten Sinne des Worts, der mich mit seiner liebenswürdigen Familie auf das freundlichste empfing. Diese wohlhabenden (bei uns würde man sie sehr reich nennen) und angesehenen Gutsbesitzer, die sich nicht in London zu ängstlich zur fashion drängen, aber die Liebe ihrer Nachbarn und Untergebnen zu erwerben suchen; deren Gastfreundschaft nicht bloße Ostentation, und deren Sitten weder exclusive noch ausländisch sind, sondern die in einer zivilisierten und durch Reichtum verschönten Häuslichkeit ihren Genuß, in strenger Rechtlichkeit ihre Würde finden – bilden die wahrhaft respektabelste Klasse der Engländer. In der großen Welt Londons spielen sie zwar nur eine unbedeutende, in der Menschheit aber gewiß eine ehrwürdige Rolle. Leider ist jedoch in England die Übermacht und Arroganz der Aristokratie, und über dieser noch die der Mode, so herrschend und gewaltig, daß selbst solche Familien wie die hier geschilderten, wenn sie mein Lob läsen, sich wahrscheinlich weniger dadurch geschmeichelt fühlen würden, als wenn ich sie unter denen, die den Ton angeben, aufführen könnte. Wie weit hierin die Schwäche bei den würdigsten Leuten in England geht, kann man kaum glauben, ohne es erfahren und alle Klassen der Gesellschaft davon auf die lächerlichste Weise angesteckt gesehen zu haben. Doch ich habe Dir aus dem Foyer der europäischen Aristokratie über dieses Kapitel genug geschrieben, und will mich daher hier nicht wiederholen. Überhaupt ist es wohl Zeit, diesen Brief zu schließen, da ich ohnedem fürchte, unsre Korrespondenz könnte Dir am Ende zu lang vorkommen – denn wenn auch das Herz nicht ermüdet, der Kopf macht andere Ansprüche. Indessen weiß ich, wie viel ich Deiner Nachsicht in dieser Hinsicht zumuten darf. –
Dein ewig treu ergebener L...