Hermann Fürst von Pückler-Muskau
Briefe eines Verstorbenen
Hermann Fürst von Pückler-Muskau

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Achter Brief

Watford, den 25. Dez. 1826

Liebe Getreue!

Heute früh ging es endlich fort, leider bei schlechtem, regnigtem Wetter. Zehn Meilen von London begannen wir schon, in dem freundlichen Flecken Stranmore, unser Geschäft mit Besichtigung zweier Villen und eines größern Parks. Die erste Villa war durchgängig im gotisch-ländlichen Stil, mit spitzen verzierten Ziegeldächern, aufgebaut, ein genre, worin die englischen Architekten sehr glücklich, und ich möchte sagen, gemütlich sind. Auch das Innere war allerliebst in demselben Stil durchgeführt, und doch höchst wohnlich und einladend. Selbst die Türen in den Mauern, welche den Küchengarten umschließen, hatten oben bunte alte Fenster, die im blühenden Gebüsch sich überraschend abzeichneten. Der kleine Blumengarten war gleichfalls mit gotischen Beetformen, von Kieswegen umgeben, ausstaffiert, und die Spielerei erschien gar nicht übel.

Sehr verschieden präsentierte sich die zweite Villa, im italienischen Geschmack, mit großen Vasen davor, in welche man, statt Blumen, kleine Kürbisse und gelbe und grüne ausgehöhlte Pomeranzen aufgetürmt hatte. Etwas zuviel hölzerne, und weiß angestrichne Statuen zierten, oder verunzierten vielmehr, die Gärten, unter denen ein jählings hervorstürzender Löwe vergeblich Schrecken einzuflößen suchte, ebensowenig wie ein Amor, der in den Zweigen hängend, seine Pfeile auf die Vorübergehenden abzuschießen drohte.

Die Priory, ein ehemaliges Kloster, jetzt Schloß und Park des Grafen Aberdeen, bietet manches Sehenswerte dar. Die Menge herrlicher Fichten und Nadelholz im Park erinnert dabei, mehr als hier gewöhnlich, an das Ausland. Das einfach schöne Schloß ist auf allen Seiten durch hohe und niedrige Bäume fast gedeckt, so daß man es nur teilweise durchschimmernd erblickt, oder nur über die Bäume hervorragen sieht. Dies ist den Gebäuden, besonders altertümlichen, immer sehr vorteilhaft, und überhaupt findet man hier selten jene langen und schmalen, durch nichts unterbrochnen Aussichten über ebnen Rasen, der Triumph unsrer Gartenanleger, der aber nur dazu dient, das Weite näher erscheinen zu machen, als es wirklich ist. Wir gingen ziemlich lange in den Anlagen umher, während einige junge Damen und Söhne des Hauses, hübsche Knaben, uns auf kleinen schottischen Ponys umschwärmten, bis sich einer der letzten als Führer zu uns gesellte, und auch das Innere des Schlosses zeigte, dessen dunkle Mauern von außen höchst üppig bis ans Dach mit Efeu, spalierartig gezogenen Granatbäumen, und Monatsrosen bedeckt waren.

Erst mit einbrechender Dunkelheit verließen wir den Park, und erreichten in einer halben Stunde das Städtchen Watford, in dessen gutem Gasthof ich jetzt ruhe. R... benutzt die Gelegenheit, sich Dir untertänig zu empfehlen, und schreibt mit einer Emsigkeit an seinem Tagebuch, die mich lachen macht.

Nachträglich muß ich doch noch bemerken, daß wir in der Priory (ich stehle es aus dem erwähnten Tagebuche) einen einzelnen Rhododendron-Strauch im Freien stehen sahen, der 15 Fuß hoch war, und mit seinen dichten Zweigen über 25 Fuß im Umfang maß. Solche Vegetation ist einladender für Parkomanie, als es uns geboten wird!


Woburn, den 26sten

Wir haben die Berechnung gemacht, liebe Julie, daß wenn Du mit uns wärest, ein Wunsch, der Deinen treuen Dienern stets gegenwärtig ist, Du täglich, vermöge Deiner Abneigung gegen Fußbewegungen, höchstens ¼ Park sehen könntest, und wenigstens 170 Jahre brauchen müßtest, um alle Parks in England zu besichtigen, deren es ohne Zweifel Hunderttausende gibt, denn es wimmelt davon, wo man nur hinkommt. Natürlich ziehen wir nur die größten, oder was uns grade von den kleinen Villen en passant aufstößt und auffällt, in Betracht. Dennoch sahen wir heute schon so viel Herrliches und stolze Schlösser, daß wir noch ganz entzückt davon sind, denn auch ich habe es nie mit der Vorschrift des ›nil admirari‹ halten mögen, die jeden herzlichen Genuß benimmt.

Ehe ich mit der Beschreibung anfange, muß ich aber den guten Gasthöfen gleichfalls ihr Recht widerfahren lassen, die man hier, auch auf dem Lande und in den kleinsten Örtchen, überall gleich sorgfältig gehalten, antrifft. Reinlichkeit, große Bequemlichkeit und sogar Eleganz sind immer darin vereinigt, und man mutet nie dem Fremden zu, in demselben Zimmer zu wohnen, zu essen und zu schlafen, wie in den deutschen Gasthäusern, wo es eigentlich nur Tanzsäle und Schlafstuben gibt.

In der Regel ist das Tischgerät Silber und porcelaine, die meubles zweckmäßig, die Betten stets vortrefflich, und niemals fehlt das freundlich flackernde Kamin.

Die detaillierte Beschreibung des Frühstücks am heutigen Morgen gebe Dir die beste Idee von dem komfortablen Leben und den Bedürfnissen hiesiger Reisenden.

NB. ich hatte nichts bestellt als Tee, und folgendes fand ich, als ich aus dem Schlafzimmer hinunter kam, in diesem kleinen Städtchen bereitet, das kaum den Umfang eines Dorfes hat: Auf der Mitte des Tisches dampfte eine große Teemaschine, zierlich umstellt mit silberner Teekanne, Spülnapf und Milchtopf. Drei kleine Wedgwood-Teller mit ebensoviel Messern und Gabeln nebst zwei großen Tassen von schönem porcelaine erwarteten ihre Füllung. Daneben stand einladend ein Teller mit gekochten Eiern, einer dito mit gerösteten oreilles de cochon à la Sainte Ménéhould, eine durch heißes Wasser erwärmte Schüssel mit muffins, eine andere mit kaltem Schinken, fleckiges Weißbrot, dry- und buttered-toast, die beste frische Butter in elegantem Kristallgefäß, bequeme Streubüchsen zu Salz und Pfeffer, englischer Senf und moutarde de maille, endlich eine silberne Teeschachtel mit sehr gutem, grünem und schwarzem Tee.

Dieses ganz luxuriöse Mahl, von dem Du hoffentlich finden wirst, daß ich es so pittoresk wie eine Landschaft beschrieben habe, ist noch obendrein verhältnismäßig sehr billig, denn es stand auf meiner Rechnung nur mit 2 Schilling (16 Gr.) angesetzt. Im ganzen ist aber das Reisen dennoch sehr kostspielig, besonders die Postpferde grade viermal teurer als bei uns, und Trinkgelder den ganzen Tag über nach allen Seiten auszuteilen.

Um 10 Uhr erreichten wir Cashbury Park, den Sitz des Grafen Essex. Ich ließ mich bei ihm melden, und er schickte mir seinen Schwiegersohn Mr. F..., den ich schon in Dresden gesehen hatte, und hier dessen Bekanntschaft mit Vergnügen erneuerte, um mich herumzuführen. Das Schloß ist modern gotisch und prachtvoll meubliert. Man tritt zuerst in eine Halle mit bunten Fenstern, die auf einen innern Hof die Aussicht öffnen, der als Blumengarten benutzt ist; aus der Halle gelangt man seitwärts durch eine lange mit Waffen behangene Galerie an die reich aus Holz geschnitzte Treppe, welche in den obern Stock führt, und von da in die Bibliothek, die hier fast immer auch als Hauptsalon für die Gesellschaft dient. Alles dies ist ebner Erde. Die Bibliothek hat zwei kleine cabinets nach dem Garten zu, beide mit seltenen Sachen angefüllt. Unter diesen gefielen mir besonders zwei humoristische Handzeichnungen von Denon, darstellend das lever des Kardinals Bernis in Rom, und ein dinner bei Voltaire, mit dem Abbé Maury, Diderot, Helvétius d'Alembert und einigen andern Philosophen. Sämtliche Personen sind Portraits.

Interessant war auch ein vollständiges kleines ameublement der Königin Antoinette, auf dem die Bildnisse ihres Gemahls und Heinrichs des Vierten an mehreren Orten angebracht waren. Aus der Bibliothek ging man in ein ebenso reiches zweites Gesellschaftszimmer, und aus diesem in den Speisesaal. Neben beiden zog sich ein Gewächshaus in Form einer Kapelle hin, und überall boten die bis auf den Boden gehenden Fenster die Aussicht auf den herrlichsten, von einem Fluß durchströmten Park. Auf einer fernen Anhöhe sah man in eine sehr breite Lindenallee hinein, an deren Ende im Sommer eine Zeitlang die Sonne täglich untergeht, welches auf diese Art in der graden Verlängerung des Gewächshauses die prachtvollste natürliche Dekoration abgeben muß, um so mehr, da die Sonne zugleich in einer großen Spiegeltüre gegenüber wieder zurückstrahlt. Die Wände dieser Zimmer sind alle mit eichener Boiserie bekleidet, mit kostbaren Simsen und Schnitzwerk, die meubles von Rosenholz (rosewood), Seide und Samt, und wertvolle Gemälde in altertümlichen goldnen Rahmen schmücken die Wände. Die Verhältnisse der Zimmer kann man fast saalartig nennen, alle regelmäßig zu 14 Grad Réaumur mit Dampf geheizt.

Die etwas entfernten Ställe und alle Haushaltsgebäude sind links durch eine krenelierte Mauer mit dem Schlosse verbunden, so daß das ganze wohl 1000 Fuß weit sich ohne Unterbrechung hinzieht.

Die Blumengärten nehmen einen bedeutenden Raum ein. Ein Teil davon war nach der gewöhnlichen Art eingerichtet, d. h. ein langes Gewächshaus im Fond, und davor mehrere berceaux und schattige Gänge um einen großen Rasenplatz, der mit Beeten aller Formen, seltenen Bäumen und Sträuchern vollgesetzt ist; dann aber kam etwas Neues: nämlich ein tiefes abgesondertes Tal von ovaler Form, rund umher dicht mit Immergrün, Lorbeer, Rhododendron und Steinpflanzen, auf künstliche Felsen undurchdringlich dick gepflanzt, hohe Fichten und Eichen dahinter, mit ihren im Winde wehenden Wipfeln, und an dem einen Ende des Platzes eine freistehende, prachtvolle Linde, von einer Bank umgeben. Von dieser aus bedeckte das ganze kleine Tal, auf Kiesgrund, ein gesticktes Blumenparterre von sehr lieblichen Formen, wiewohl völlig regelmäßig. Der Ausgang aus diesem Bezirk führte durch eine von Efeu überwachsene Grotte, mit Feuersteinen und Muscheln ausgelegt, in einen viereckigen von einer Lorbeerhecke umgebenen Rosengarten, in dessen Mitte ein Tempel, und gegenüber ein Gewächshaus für Wasserpflanzen stand. Die Rosenbeete bilden verschiedene sich ineinander verschlingende Figuren. Ein mit der Schere geschnittener dichter Laubgang von Buchen wandt sich von hier schlängelnd in den Chinesischen Garten, der ebenfalls von hohen Bäumen und Mauern umgeben war, und eine Menge Vasen, Bänke, Fontainen und ein drittes Gewächshaus enthielt, alles im, auf's treueste nachgebildeten chinesischem Stile. Hier waren Beete mit Ringen von weißem, blauem und rotem Sand umzogen, barocke Zwergpflanzen und viele Dutzend große chinesische Vasen auf Postamenten gestellt, die rankendes Immergrün und ausländische Gewächse dicht bezogen. Die Fenster des Hauses waren wie chinesische Tapeten bemalt, und Verkleinerungsspiegel im Innern angebracht, die uns wie in der camera obscura präsentierten. Ich sage nichts von der reichen Treiberei und Gemüsegärten mit ihren endlosen Mauern und Reihen von Glashäusern zur Aufbewahrung der Blumen etc. etc., Du kannst Dir den Maßstab selbst anlegen, wenn ich Dir Herrn F...s Versicherung wiederhole, daß die Unterhaltung des ganzen Parks und Schlosses 10 000 Pfd. Str. jährlich kostet. Der Graf hat für alles, was er dazu braucht, eigne Leute und Handwerker, Maurer, Zimmerleute, Tischler etc., deren jedem sein bestimmtes Fach angewiesen ist. Einer z. B. hat bloß alle Zäune zu erhalten, ein anderer die Zimmer, ein dritter die meubles etc., eine auf dem Lande sehr nachahmungswerte Einrichtung.

Ich machte dem alten Grafen, den die Gicht im Zimmer hielt, meinen Besuch, und erhielt von dem freundlichen alten Mann die besten Informationen und (sehr nötige) Einlaßkarten für meine weitere Reise.

Unsere Tour ging zuerst, lange noch im Park herumführend, zu einer Hauptpartie desselben, ›Das Schweizerhaus‹ genannt, das mitten in einem Wäldchen sehr reizend und heimlich am Flusse gelegen ist. Wir fuhren über den Rasen dahin, weil viele Parks hier, ganz wie freie Natur behandelt, und wie ich schon erwähnt, der Ersparung wegen oft nur einen Weg haben, der zum Schlosse hin und auf der anderen Seite wieder herausführt. Auf die Landstraße zurückgekommen, legten wir durch ein immer gleich schönes, an Fruchtbarkeit und Vegetation üppiges Land, 20 Meilen bald zurück, so daß wir schon um 3 Uhr Ashridge Park erreichten, den Sitz der Grafen von Bridgewater. Hier kannst Du mir, liebe Julie, etwas näher kommen, wenn Du Reptons Gartenbuch aufschlägst, wo Du mehrere Ansichten und den Grundplan der reizenden hiesigen Gärten findest, die der alte Repton selbst angelegt. Erinnere Dich nur des rosary, so wirst Du es gleich aufzusuchen wissen. Dieser Park ist schon einer der größten in England, denn er mißt über drei deutsche Meilen im Umfang, und das ebenfalls moderne gotische Schloß ist mit allen seinen Mauern, Türmchen und Höfen fast unabsehbar. Ich muß jedoch aufrichtig gestehen, daß dieses neugotische genre, (castellated style) der sich in der Zeichnung so feenhaft ausnimmt, in der Wirklichkeit oft durch seine Überladung und Unzweckmäßigkeit nicht nur geschmacklos, sondern sogar etwas läppisch ausfällt.

Wenn man in der kultiviertesten, friedlichsten Wiesenfläche, unter dem Flor unzähliger Blumen, eine Art Festung mit hundert Türmen, Schießscharten und Brüstungen gewahr wird, die alle nicht den mindesten Zweck haben, und obendrein in ihrer Basis fast nichts als Glaswände (die Gewächs- und Treibhäuser, welche mit den Zimmern in Verbindung stehen) darbieten, so ist dies wahrlich ebenso lächerlich, als wenn der Besitzer dieser lieblichen Blumengärten, darin in Helm und Harnisch, wie weiland Den Quijote, spazieren gehen wollte. Der antike, altitalienische oder bloß romantische, unsrer Zeit angepaßte, Stil, harmoniert unendlich besser mit solcher Umgebung, erscheint freundlicher und selbst bei weit geringern Maßen dennoch grandioser. Das Innere des Schlosses war dabei von der größten Wirkung, und durchaus fürstlich zu nennen. Sehr vernünftig hatten sich die Besitzer für die Gesellschaftszimmer nur auf wenige, aber dafür sehr geräumige pièces beschränkt. Auch hier tritt man zuerst in die Halle, mit Rüstungen und altertümlichen meubles geschmückt. Dann kommt man in das Treppenhaus, das prächtigste, das man in dieser Art sehen kann. Durch drei hohe Etagen aufsteigend, mit ebensoviel rund umher laufenden Galerien erreicht es die Höhe und Größe einer Kirchenkuppel; die Wände sind von poliertem Stein, die Treppengeländer von glänzendem Messing, die Decke aus schön in Holz geschnitzten caissons, mit Malerei verziert, und rund umher, durch alle drei Etagen hinauf, sind Nischen mit den Standbildern der Könige Englands aus Stein angebracht. Aus diesem Treppenhaus gelangten wir in einen Saal mit rotem Samt und vergoldeten meubles geschmückt, vorn durch ungeheure Fenster erleuchtet, die fast die ganze Wand einnehmen, und die Aussicht auf den pleasure-ground und Park eröffnen. Seitwärts zur Linken ist ein ebenso großes Zimmer, wo das Billard steht, und daneben die Bibliothek. Auf der andern Seite in derselben enfilade schließt sich der Speisesaal an, und hinter diesem ein herrliches Gewächs- und Orangeriehaus, durch welches man in die Kapelle eingeht, die mit zehn alten echten Glasfenstern von großer Schönheit, und mit kostbaren Holzreliefs prangt. Alle Bänke darin sind von Nußbaum, mit Cramoisi-Samt ausgeschlagen.

In den Zimmern hängen einige schöne und interessante Gemälde, jedoch meistens von modernen Meistern. Pleasure-ground und Gärten sind noch größer als in Cashbury Park. In Reptons Werk wirst Du sie zum Teil finden, nämlich den Amerikanischen Garten, den Mönchs-Garten und das rosary – wozu noch hinzugekommen sind: 1) der sehr zierliche Französische Garten, mit einer bedeckten Galerie an einer Seite, einem porzellanartigen Aufsatz mit Blumentöpfen in der Mitte, und einem großen Parterre, von dem jedes Beet eine besondere Blumenart enthält: – 2) der Felsengarten, wo alle Steinpflanzen vereinigt sind, sowie alle rankenden Gewächse. Es gehört wahrlich die lange Gewohnheit eines großen Luxus dazu, um ein so mannigfaltiges, überall gleich exemplarisch gut erhaltenes Ganze sich nur auszudenken, denn man muß gestehen, daß selbst unsre Souveraine in der Regel nur Teile von dem besitzen, was hier vereinigt ist. Einige 1000 Stück Wild und unzählige Gruppen von Riesenbäumen zieren den Park, der, nur den hindurchführenden Weg abgerechnet, ebenfalls ganz der Natur und vielen weidenden Herden überlassen ist.

Nimm es immer als ein kleines Opfer an, liebe Julie, daß ich so treu diese Details Dir beschreibe, die bei unsern eigenen Plänen und Bauten doch nicht ohne Nutzen sein möchten, und wenigstens gewiß noch mühsamer zu schreiben als zu lesen sind.Ich weiß nicht, ob der Leser dieselbige Entschuldigung gelten lassen wird. A. d. H.

Zu besserer Versinnlichung nehme ich von allem Interessanten Zeichnungen in meine Schreibtafel, die uns einst, als Anregung zu neuen Ideen, gut zu statten kommen sollen. Morgen werden wir des Herzogs von Bedford, eines der reichsten Edelleute in England, nahes Schloß sehen, ›Woburn Abbey‹, welches Ashridge noch ebensosehr an Größe übertreffen soll als dieses Cashbury Park; eine sehr angenehme Steigerung.

Der Gasthof, wo ich schreibe, ist wieder sehr gut, und ich gedenke, nach allen Fatiguen, meiner Hauptmahlzeit soviel Ehre zu machen als dem Frühstück, obgleich diese hier viel einfacher ist, und Tag vor Tag in zwar ganz guten, aber auch immer denselben Gerichten besteht. Die ewigen mutton-chops und ein gebratenes Huhn mit bread-sauce, spielen mit den bloß in Wasser gekochten Gemüsen, und der englischen National-Sauce: zerlassener Butter mit Mehl, immer die Hauptrolle dabei.


Leamington, den 27sten

Ich befinde mich jetzt in einem großen Badeorte, von dem ich jedoch noch nicht viel gesehen habe, da ich um 11 Uhr in der Nacht soeben erst angelangt bin. Ein großer Teil des Tags ging mit der interessanten Besichtigung von Woburn Abbey hin.

Dieser schöne Palast ist im italienischen Geschmack, einfach und edel aufgeführt, unendlich befriedigender als der kolossale gotisch sein sollende nonsense. Mit seinen Ställen, Reitbahn, Ballhaus, Statuen und Bildergalerie, Gewächshäusern und Gärten bildet er eine kleine Stadt. Seit 300 Jahren, ein auch in England seltner Fall, vererbte sich diese Besitzung regelmäßig in derselben Familie fort, so daß es auch nicht zu verwundern ist, wie bei einer Million Revenuen nach unserm Gelde, ein Zusammenfluß von Pracht hier entstehen konnte, der bei uns die Kräfte jedes Partiküliers übersteigt, um so mehr, da, wäre auch das Geld hie und da in derselben Profusion vorhanden, doch keine seit Jahrhunderten darauf gerichtete Kultur uns die Mittel zu einem so vollendeten Ganzen des raffinierten Luxus zur Hand läßt.

Das eigentliche Schloß ist ein regelmäßiges Viereck und die bel étage, welches auf dem Lande immer die de plein pied ist, bildet eine ununterbrochene Reihe, das ganze Viereck umschließender Zimmer. Diese Zimmer sind mit kostbaren Gemälden geschmückt, und außerdem reich in schweren Stoffen meubliert, Decke und Tür-embrasuren von weißer Stukkatur mit Gold, oder aus seltnen geschnitzten Hölzern, alles ebenso einfach als gediegen. In dem einen Zimmer war eine merkwürdige Sammlung von Miniatur-Portraits der Familie, vom ersten Russel (der Familienname der Herzöge von Bedford) bis auf den jetzigen Herzog, in ununterbrochener Linie gesammelt. Unter solchen Umständen kann man wohl ein wenig auf seine Familie und seinen Adel stolz sein.

Diese Miniaturen waren auf eine sehr geschmackvolle Art in einem langen schmalen Goldrahmen auf Cramoisi-Samt gereiht, und medaillonweise eingelassen.

Die Kamine sind größtenteils von vergoldetem Metall, mit hohen Marmoreinfassungen, die Kronleuchter ebenfalls von Bronze, reich vergoldet, überall die angemessenste Pracht, wiewohl ohne alle Überladung. Den Beschluß machte die Bibliothek, in zwei Säle verteilt, und höchst freundlich mit ihren breiten Fenstertüren unmittelbar an die Blumengärten anstoßend.

Diese erschienen mir nun besonders reizend, dabei so zweckmäßig mit den Gebäuden verwoben, und so mannigfaltiger Art, daß eine genügende Beschreibung schwer ist.

Um Dir jedoch wenigstens eine allgemeine Idee davon zu geben, laß mich nur erwähnen, daß längs der verschiedenen Gebäude, die bald vorspringen, bald zurücktreten, bald gerade, bald runde Linien bilden, nach der Gartenseite zu eine ununterbrochene Arkade, mit Rosen und Rankengewächsen bezogen, hinläuft, an welcher die verschiedenen prachtvollen Gärten aufeinander folgen. Über diesem Gang sind teils Zimmer, teils die anmutigsten kleinen Gewächshäuser, wovon eins unter andern nichts wie Heidekräuter (Erica) enthält, von denen Hunderte in Blüte, den lieblichsten Anblick gewährten, und durch Spiegelwände bis ins Unendliche vervielfältigt wurden. Unmittelbar unter dem Erikenhause war auch der Erikengarten angebracht, ein Rasenplatz mit Beeten, die verschiedene Figuren bildeten, und alle nur mit denjenigen größern Exemplaren der Heiden besetzt waren, welche im Freien aushalten. Einmal wurde der erwähnte Bogengang selbst durch ein hohes Palmenhaus mit Spiegeln unterbrochen, vor dem die schönsten gestickten Parterres auf Kiesgrund sich ausbreiten. An dieses Haus stieß die Statuen-Galerie, deren Wände mit verschiedenen Marmorarten bekleidet sind, nebst sehr schönen Säulen aus Italien. Der Saal enthält eine Menge antiker Skulpturen, und wird an jedem Ende durch einen Tempel geschlossen, wovon der eine der Freiheit, mit Büsten von Fox, Canning und andern, der zweite den Grazien geweiht ist, mit einer herrlichen Gruppe dieser Göttinnen von Canova. Von hier aus führt der Bogengang an einer unermeßlichen Pflanzung entlang, welche an Hügel gelehnt, nur als Azalien und Rhododendron besteht bis man den Chinesischen Garten erreicht, in dem die dairy (der Milchkeller) sich besonders auszeichnet. Es ist dies eine Art chinesischer Tempel, mit einem Überfluß von weißem Marmor und buntem Glase, in der Mitte ein Springbrunnen, und an den Wänden umher Hunderte von chinesischen und japanischen großen Schüsseln aller Art aufgestellt, sämtlich mit frischer Milch und Rahm gefüllt. Die consoles, auf denen diese Schalen standen, waren ein ausgezeichnet hübsches Modell für chinesische Meublierung. Die Fenster bestanden aus mattem Glase mit chinesischer Malerei, welche phantastisch genug aus dem trüben Lichte hervortrat.

Von hier führte noch ein weiter pleasure-ground mit den schönsten Bäumen, und mancherlei überraschenden Abwechslungen – unter andern niedlichen Kindergärten, und einem Grasgarten, in dem alle Arten von Schilf und Gräsern in kleinen Beeten, das Ganze ein Schachbrett bildend, kultiviert wurden – nach dem aviary. Dieses besteht aus einem sehr großen eingezäunten Platz mit hohen Pflanzungen und einer cottage, nebst einem kleinen Teich in der Mitte, alles nur dem Reiche der Vögel gewidmet. Der vierte oder fünfte Diener erwartete uns hier (die alle Trinkgelder verlangen, so daß man ein solches Etablissement nicht unter einigen L. St. zu sehen bekommt) und zeigte uns zuerst mehrere reich gefiederte Papageien und andere seltene Vögel, deren jeder seine besondere kleine Abteilung, und sozusagen ›sein Gärtchen‹ hatte. Diese Vögelwohnungen waren von Eichenzweigen mit Draht durchflochten, die Decke gleichfalls von Draht, die Sträucher Immergrün, so wie fast alle übrigen Pflanzungen in diesem Bezirk. Als wir auf den Platz hinaustraten, der die Mitte einnimmt, pfiff unser Papageno, und sogleich verfinsterte sich wörtlich die Luft über uns, durch eine Unzahl von Tauben, Hühnern, und der Himmel weiß was alles für Vögel. Aus allen Büschen stürzten zugleich Gold-, Silber-, bunte und ordinäre Fasanen hinzu, und aus dem See galoppierte ein schwarzer Schwan schwerfällig herbei, mit kläglich kindlichen Tönen seine große Begierde nach Futter ausdrückend. Dieser schöne Vogel, rabenschwarz mit rosenroten Schnabel und Füßen, war außerordentlich zahm, fraß sein Futter chemin faisant aus der Tasche des Wärters, und ließ uns keinen Augenblick allein, solange wir in dem Vogelparadies umherwandelten, nur manchmal en passant eine zudringliche Ente und andres gemeinere Volk mit einem Fußtritt abwehrend, oder einem nobleren Goldfasan mit dem Schnabel in die Seite stoßend. Ein zweiter interessanter aber eingeschlossener Bewohner dieses Orts war Héros, ein afrikanischer Kranich, ein Tier das aussieht, wie von porcelaine gemacht, und mich in seinen Bewegungen vielmals an unsern seligen, tanzenden Ballerino erinnerte. Der Umstand seiner Geschichte, welcher ihm den Heldennamen gegeben, war dem Wärter unbekannt.

Der vier deutsche Meilen im Umfang haltende Park besteht hier nicht allein aus Weideland und Bäumen, sondern hat auch ein schönes Waldterrain, und noch eine besonders eingezäunte Partie, die ›thornery‹ (wörtlich: Dörnerei) benannt, ein wilder mit Dornen und Gestrüppe bewachsener Waldplatz, in dessen Mitte eine kleine cottage mit dem freundlichsten Blumengärtchen steht, und den mehrere Spaziergänge durchschneiden. Hiermit schließen die Herrlichkeiten von Woburn Abbey. Doch nein – zwei Dinge muß ich noch nachholen. In dem Schlosse, dessen Schmuck ich Dir en gros beschrieben, fand ich zugleich eine sehr zweckmäßige Einrichtung. Nämlich rund um alle Zimmer des großen Vierecks läuft eine innere breite Galerie, auf welche mehrere Türen sich öffnen, und wo mannigfache Sammlungen, teils frei, teils in Glasschränken und hie und da durch Blumenstellagen unterbrochen, aufgestellt sind. Dies gewährt im Winter und bei schlechtem Wetter einen ebenso unterrichtenden als angenehmen Spaziergang, der um so behaglicher wird, da das ganze Schloß mit conduits de chaleur geheizt ist. Das ganze Erinnernswerte ist ein schönes Portrait des Grafen Essex in Lebensgröße. Er erscheint hier sehr schön und schlank gewachsen, das Gesicht aber weniger ausgezeichnet, kleine Züge ohne vielen Ausdruck, kleine Augen, und einen großen roten Bart bei dunklem Haupthaar, der ihn vielleicht der Königin, bei ihrem eignen roten Kopf besonders angenehm machte.

Jetzt ist aber ein Viertelszoll von meinen Fingern heruntergeschrieben, und ich muß schließen. Morgen wieder ein Mehreres, wo ich Warwick Castle sehen werde, welches für Englands Stolz ausgegeben wird. Ich bin wirklich begierig, ob wir noch eine Stufe höher zu ersteigen haben, wie wir bisher regelmäßig von Schönem zu Schönerem fortgeschritten sind.

Da eben die mail von hier abgeht, lege ich diesen Brief in einen für L... mit ein, durch dessen Güte Du ihn schneller erhalten wirst als den letzten.

Gedenke des Umherirrenden in Deiner ruhigen Einsamkeit, und glaube, daß, verschlüge ihn das Schicksal auch zu den Antipoden, sein Herz doch immer bei Dir sein wurde.

Dein L.


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