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Es begab sich aber, daß ein Klosterbruder in die Jahre kam. Da überfiel ihn eine jähe Lust nach draußen.
Ob er einen Wunsch frei habe, fragte er den Abt. Er habe dreißig Jahre lang dem lieben Gott gedient. Nicht nur mit Beten und mit Singen. Auch mit treuer Arbeit auf den Klosteräckern.
»Pater Emmeran,« sagte der Abt, »da du lange dientest, soll auch dir gedient sein. Sag an, was willst du?«
»Drei Tage Urlaub.«
Der Abt besann sich: »Daß ich's dir gestehe, Bruder, lieber hätte ich ihn dir gegeben, als du zwanzig Jahre zähltest.«
»Ei, der Versuchung, hab ich sagen hören, unterlägen zwanzig Jahre leichter.«
»Ja, wie Kork, wenn Wasser drüberstürzt. Fünfzig Jahre aber pflegen schwerer wieder aufzutauchen – es sei denn, daß du dir ein Zaubersprüchlein merkest, das ich dir in deinen Reisesack will stecken.«
Des war Pater Emmeran zufrieden. Er vertauschte seine Kutte mit dem weltlichen Gewand, nahm seinen Reisesack und zeuchte aus.
»Bruder Emmeran,« rief ihm der Abt nach, »du hast mich gar nicht nach dem Zauberspruch gefragt?«
»Ich sah dich ein gefältet Blättchen in die Reisetasche tun; aus der wird sich's bemerkbar machen, wenn es seine Zeit ist – meine Zeit jetzt ist der Urlaub.«
Und ging fürbaß.
Des Abends kam er in die Herberg', so die kalte heißt.
Dort hielten Raubgesellen Rat, wie sie eine schwere Tat vollbrächten, zu der man einen Mann mit einem gottesfürchtigen Gesicht gebrauchte.
»Dort in der Ecke sitzt er, wie gerufen.«
Sie sagten ihm, er habe weiter nichts zu tun, als in dem nahen Schlosse vorzusprechen und dafür zu sorgen, daß die Türe offen bleibe, wenn es dunkel würde.
Nun gehörte aber Peter Emmeran zu jenen Menschen, die kein glattes Nein auf ihre Lippen bringen. Verlegen kramte er in seiner Reisetasche, wo ein Blättchen sich entrollte, das er ablas: »Ist das alles?«
Ja, das wäre alles, sagten die vergnügten Raubgesellen, denn sie dachten, daß sie ihn für sich gewonnen hätten, und versprachen ihm auch einen goldnen Ring für seine Mühe.
»Ist das alles?«
Nun, man wolle ihm, der nicht mehr gut zu Fuß in seinem Alter wäre, noch ein Roß verschaffen.
»Ist das alles?«
Zum Teufel, zwanzig Taler gäbe man dazu.
»Ist das alles?«
Da verzogen sie sich schimpfend: Der sei ja noch ein größerer Raubgeselle, denn sie selbst, da sähe man, was man geben dürfe auf ein gottesfürchtiges Gesicht.
Am zweiten Tage traf er feindliche Soldaten, die das Land durchzogen. Sie hielten ihn an: Wenn er's mit den Gegnern halte, würde man ihn prügeln.
»Ist das alles?« las er ab von seinem Blättlein.
Nein, man würde ihn auch martern.
»Ist das alles?«
»Und dann hängen!« schrien sie.
»Ist das alles?«
»Das ist, meiner Seel', der unerschrockenste Mensch, den ich gesehen habe,« sagte der Hauptmann, »laßt ihn ziehn.«
Am dritten Tage kam er in ein Gasthaus, wo es hoch herging an Übermut und Lustbarkeit. Vornehmlich war es eine lockre Magd, die tat dem Fremdling über alle Maßen schön. Wie eine Katze strich sie an ihm herum. Ein später Frühling fing ihn zu berauschen an. Wie einer, der vom Weine trunken wurde, stolperte er in seine Kammer. Da begriff er, was der Abt mit den zwanzig und den fünfzig Jahren gemeint hatte. Wie durch einen Nebel sah er, daß die Magd, wenn sie's darauf anlegen wollte, ihn zum Meineidigen am Kloster und zum Gespött der Welt könnte machen, keinen Finger würde er dagegen rühren können, wenn sie plötzlich vor ihm stünde.
Als er solches dachte, knisterte in seinem Rücken ein Gewand. Es war die Magd. Sie streifte ihn mit runden Armen und mit kugeligen Blicken: Ob er mit der Lagerstatt zufrieden wäre?
»Ist – das – alles?« brachte er heraus.
Sie lachte laut und wiegte sich in ihren Hüften: Nein, alles brauche das noch nicht zu sein, ob es ihn nach einem Kuß gelüste?
»Ist – das – alles?« stammelte er.
Nun, er könne, wenn er es verstehe, sie auch ganz gewinnen.
»Ist das alles?«
Das nahm sie für Spott, ergrimmte, schlug ihm ins Gesicht und war verschwunden.
Am vierten Tage sang und betete und ackerte der Pater Emmeran wieder fröhlich in der Ehre Gottes.
Nach Feierabend stand der Abt da: »Nun, Bruder Emmeran, wie ist es dir ergangen?«
»Dank Eurem Zettel besser, als ich es verdiente – man sollte Euren Zauberspruch an alle Tore schreiben, die ins Leben führen.«
»Da steht er schon seit Vorbeginn, die meisten freilich können ihn nicht lesen.«