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Die Probe

Unser Chef hatte einen reichen Teilhaber, auf den er Rücksicht nehmen mußte.

Unser Teilhaber hatte eine Frau, auf die er Rücksicht nehmen mußte.

Unsers Teilhabers Frau hatte einen Onkel, auf den sie Rücksicht nehmen mußte.

Dieser Onkel pflanzte irgendwo in Afrika Kaffee.

Unsre Firma führte auch Kaffee.

Also – siehe obige drei Rücksichten – kam Kaffee zu Kaffee, und die Spitzen unsrer Firma wurden vom Bürodiener verständigt, daß eine Probesendung des Afrikakaffees im Chefbüro geröstet, gemahlen und angebrüht sei und daß der Lehrling – das war ich – gleich die Tassen fülle.

Alle saßen ernst im Kreis vor den leeren Schalen. Auch der Teilhaber war da. Desgleichen seine Frau. Und deren Onkel.

»Meine Herren,« räusperte sich unser Chef, »von dieser Probe hängt es ab, ob unsre Firma künftig den Kaffee von Afrika, statt wie bis jetzt von Sumatra bezieht. Es handelt sich um siebentausend Sack im Jahre. Ich bitte Rücksicht drauf zu nehmen. Müller, gießen Sie ein.«

Ich goß ein. Die Tassen dampften. Jeder setzte sie fast feierlich an seinen Mund. Jeder nahm, mit Kennermiene schlürfend, einen ersten Schluck. Jeder wiegte ernst das Haupt. Keiner sah den andern an. Jeder nahm mit Umstand und Gelassenheit den zweiten Schluck.

Jetzt begann der Hauptbuchhalter heimlich nach dem Prokuristen hinzuschielen. Nicht minder heimlich schielte dieser nach dem Chef. Dieser schaute auf den Teilhaber. Der Teilhaber blinzelte nach seiner Frau. Die Frau sah auf den Onkel. Und der Onkel knüpfte seine Augen an den Hauptbuchhalter. Alles Urteil hing im Kreise in den Lüften. Dicke Schwaden des gespannten Schweigens zogen wolkig durch den Raum.

Ich dachte, daß es gut sei, wenn sie zwischen ihren Probeschlücken etwas Wasser tränken, und ergriff die leere Glaskaraffe, um sie draußen aufzufüllen.

Bei der Rückkehr blieb ich einen Augenblick im Vorraum stehen: Noch immer dieses schwüle Schweigen.

Was war denn da in meiner Tasche? Sie bewegte sich. Ich griff hinein. Einen glitschekalten Salamander zog ich aus der Tasche.

Es entfuhr mir laut: »Pfui Teufel!«

Dann erschrak ich, denn das Schweigen darnach wurde grausig.

Auf einmal – drinnen ein Gedröhne. Sie lachten, lachten, lachten.

Ich mit meiner Wasserflasche in den Lehrlingshänden stand verständnislos und mußte nicht besonders geistreich ausgesehen haben.

Erst als alle fortgegangen waren und der Chef mir freundlich auf die Schulter klopfte: »Brav gemacht, ein Wort zur rechten Zeit – wir bleiben jetzt verschont von diesen siebentausend Säcken,« fing ich langsam zu begreifen an.

Sollte ich gestehen, daß es eigentlich der Salamander war? Oder, noch eigentlicher, der andre Lehrling, der ihn mir in meine Tasche steckte?

Ich schwankte.

Der Chef zog seine Brieftasche: »Wenn das Netz der Rücksichtnahmen Ihnen selbst einmal zu enge werden sollte, merken Sie sich's für die Zukunft: Zur rechten Zeit ein kräftiges Pfui Teufel und Sie haben wieder Luft. Jaja, der Teufel ist schon gut für allerlei – darf ich Ihnen diesen Hunderter –«

»Teufel!«

»Sehen Sie, auch dafür.«


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