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Hundertundeinundzwanzigster Brief.
Usbek an denselben.

Da fast alle Wilden die Arbeit und den Ackerbau scheuen, so sind die von ihnen bewohnten Länder gewöhnlich nur dünn bevölkert. Jener unselige Widerwille ist bei ihnen so mächtig, daß sie ihren Feinden, wenn sie ihnen fluchen, nichts Schlimmeres zu wünschen wissen, als daß sie gezwungen werden möchten, ein Feld zu bestellen; denn sie halten nur Jagd und Fischerei für edle und ihrer würdige Geschäfte.

Aber da in manchen Jahren Jagd und Fischfang nur geringen Ertrag bringen, so werden sie häufig von Hungersnot heimgesucht. Auch ist kein Land so reich an Wild und Fischen, daß eine zahlreiche Bevölkerung sich davon ernähren könnte; denn die Thiere verlassen stets die dicht bewohnten Gegenden.

Übrigens vermögen die kleinen Flecken der Wilden mit zwei oder dreihundert Bewohnern, abgesondert, wie sie von allen übrigen sind, und in ihren Interessen so geteilt wie zwei große Reiche, sich nicht wohl zu erhalten; denn ihnen fehlt es an den Hilfsmitteln der großen Staaten, deren alle Teile sich gegenseitig ergänzen und unterstützen.

Ein andrer Brauch der Wilden ist nicht weniger verderblich als der bereits erwähnte, nämlich die grausame Sitte der Frauen, ihre Leibesfrucht abzutreiben, um nicht durch ihre Schwangerschaft den Widerwillen ihrer Männer zu erregen.

Hier zu Lande bedroht das Gesetz dies Vergehen mit furchtbaren Strafen; ihre Strenge ist beinahe fanatisch. Jedes Mädchen, das der Obrigkeit nicht von seiner Schwangerschaft Anzeige gemacht hat, wird mit dem Tode bestraft, wenn die Frucht umkommt; weder ihre Schamhaftigkeit noch die Furcht vor der Schande, ja nicht einmal unverschuldetes Mißgeschick wird ihr jemals als Entschuldigung angerechnet.

Paris, am 9. des Mondes Rhamazan, 1718.



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