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Ich könnte Dir niemals genug von der Tugend der Troglodyten berichten. Einer von ihnen sagte eines Tages: »Mein Vater muß morgen sein Feld bestellen; ich werde zwei Stunden vor ihm aufstehen; wenn er dann hinauskommt, wird er schon alles besorgt finden.«
Ein Andrer sprach zu sich: »Es scheint mir, daß meine Schwester für einen jungen Troglodyten aus unserer Verwandtschaft Neigung gefaßt hat; da muß ich doch mit meinem Vater reden und ihn dahin bringen, diese Heirat zu gestatten.«
Einem Andern wurde berichtet, daß Diebe seine Herde hinweggetrieben hätten, und er rief: »Das thut mir doch recht leid; denn es war eine schneeweiße Färse dabei, die ich den Göttern opfern wollte!«
Einen Vierten hörte man sagen: »Ich muß nun in den Tempel gehen und den Göttern meinen Dank bringen; denn mein Bruder, den mein Vater so lieb hat, und der mir selbst so teuer ist, hat seine Gesundheit wiedergewonnen.«
Oder auch: »Auf dem Felde, welches dem meines Vaters benachbart ist, sind die Arbeiter täglich der Sonnenglut ausgesetzt. Ich will doch zwei Bäume an die Grenze setzen, damit jene armen Leute manchmal in ihrem Schatten der Ruhe pflegen können.«
Eines Tages, als mehrere Troglodyten beieinander waren, sprach ein Greis von einem jungen Menschen, den er im Verdacht einer Übelthat hatte, und überhäufte ihn deswegen mit Vorwürfen. Die jungen Troglodyten aber antworteten: »Wir glauben es nicht, daß er dies Verbrechen begangen hat. Hat er es aber gethan, so möge er seine ganze Familie überleben.«
Ein Troglodyt erhielt die Nachricht, daß Fremde sein Haus geplündert und alles geraubt hätten. »Wenn sie nicht ungerecht wären«, versetzte er, »so würde ich wünschen, daß die Götter ihnen verstatten möchten, es länger zu genießen, als ich selbst es durfte.«
So viel Glück konnte dem Neide nicht entgehen. Die benachbarten Völkerschaften versammelten sich und verabredeten unter einem nichtigen Vorwande, ihnen ihre Herden zu rauben. Sobald dieser Beschluß ihnen bekannt geworden, schickten die Troglodyten eine Gesandtschaft an sie ab, welche folgendermaßen zu ihnen sprach:
»Was haben euch die Troglodyten gethan? Haben sie eure Weiber entführt, euer Vieh geraubt, eure Fluren verwüstet? Nein, wir sind gerecht und fürchten die Götter. Was fordert ihr also von uns? Begehrt ihr Wolle, um euch Kleider zu machen? Wollt ihr Milch von unsren Herden oder Früchte von unsren Feldern? Legt die Waffen nieder, kommt zu uns, und alles dies soll euch werden. Aber wir schwören bei allem, was heilig ist, daß wir, wenn ihr als Feinde unser Land betretet, euch als ein ungerechtes Volks betrachten und wie wilde Tiere behandeln werden.«
Diese Worte wurden mit Verachtung zurückgewiesen. Bewaffnet überfielen die wilden Völker das Land der Troglodyten, von denen sie meinten, daß die Unschuld ihre einzige Verteidigung sei.
Aber diese waren zur Abwehr wohl vorbereitet. Ihre Weiber und Kinder hatten sie in ihre Mitte genommen. Nur die Ungerechtigkeit ihrer Feinde, nicht ihre Überzahl setzte sie in Erstaunen. Eine neue Begeisterung war über ihre Herzen gekommen. Der eine wollte für seinen Vater sterben, der andre für Gattin und Kinder, dieser für seine Brüder, jener für seine Freunde, alle für das Volk der Troglodyten War einer gefallen, so nahm sogleich ein andrer seinen Platz ein, der außer der gemeinsamen Sache noch einen besonderen Tod zu rächen hatte.
Solcher Art war der Kampf zwischen Ungerechtigkeit und Tugend. Jene feigen Stämme, die nur auf Beute bedacht waren, schämten sich nicht, zu fliehen; sie unterlagen der Tugend der Troglodyten, selbst ohne sie empfunden zu haben.
Erzerum, am 9. des zweiten Mondes Gemmadi, 1711.