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Dreiundfünfzigster Brief.
Zelis an Usbek in Paris.

Noch nie ist eine Leidenschaft stärker und glühender gewesen, als die, welche der weiße Verschnittene Kosru für meine Sklavin Zelide empfindet. Er bewirbt sich mit solchem Ungestüm um ihre Hand, daß ich sie ihm nicht verweigern kann. Und warum sollte ich ihm auch Schwierigkeiten in den Weg legen, da ihre Mutter keine Einwände macht, und Zelide selbst in dem Gedanken an diese Scheinehe, in diesem leeren Schattenbilde, das sich ihr darbietet, offenbar Befriedigung findet?

Was will sie mit diesem Unglücklichen anfangen, der von einem Ehemanne nichts an sich haben wird, als die Eifersucht; dessen Kälte sich nur zu ohnmächtiger Verzweiflung erwärmen kann; der mit seiner steten Erinnerung an das, was er gewesen, sie nur an das gemahnen wird, was er nicht mehr ist; der, immer bereit, sich hinzugeben, ohne es jemals zu können, sich und sie unaufhörlich täuschen und sie in jedem Augenblick zur Mitleidenschaft mit der ganzen Qual seines Zustandes verdammen wird?

Ist es möglich, immer nur wesenlosen Schein und Phantome zu halten? nur der Einbildung zu leben? stets den Genuß zu begehren und ihn doch niemals zu kosten? in den Armen eines Elenden zu schmachten und, anstatt seine Liebesglut, nur den Schmerz über sein Unvermögen zu erwidern?

Welche Verachtung muß man für einen solchen Menschen empfinden, der einzig zum Hüten, nie zum Besitzen gemacht ist! Ich suche die Liebe, und ich sehe sie nicht.

Ich rede ganz offen zu Dir, weil Du meine Naivetät gern hast und mein unverstelltes Wesen wie meine Empfänglichkeit für den Genuß der erheuchelten Schamhaftigkeit meiner Gefährtinnen vorziehst.

Tausendmal habe ich von Dir gehört, daß die Eunuchen bei den Frauen eine Art Wollust genießen, welche uns unbekannt ist; daß die Natur sie für ihren Verlust schadlos halte; daß sie Mittel haben, die das Unzulängliche ihres Zustandes ausgleichen; daß man wohl ein Mann zu sein aufhören, nicht aber die Empfänglichkeit für sinnlichen Genuß verlieren könne, und daß man in diesem Zustande gleichsam die Sinnlichkeit eines dritten Geschlechts erwerbe und sozusagen nur eine neue Art der Lust eintausche.

Wäre dies der Fall, so würde ich Zelide weniger beklagenswert finden; es ist wenigstens etwas, mit Leuten zu leben, die nicht völlig unglücklich sind.

Sende mir Deine Anordnungen in dieser Sache und laß mich wissen, ob Du gestatten willst, daß die Hochzeit im Serail ausgerichtet werde. Lebewohl.

Serail zu Ispahan, am 5. des Mondes Chalval, 1713.



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