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Siebzehnter Brief.
Usbek an denselben.

Göttlicher Mollah, nicht länger kann ich meine Ungeduld niederhalten, und es übersteigt meine Kräfte, Deine erhabene Antwort in Ruhe abzuwarten. Zweifel bedrängen mich, und ich suche ihre Lösung. Ich fühle, wie meine Vernunft in die Irre geht; führe Du sie zurück auf den rechten Weg; erleuchte mich, Du Quell des Lichts. Zerschmettre mit Deiner göttlichen Feder die Bedenken, die ich Dir vorlegen will. Erfülle mich mit Mitleid gegen mich selbst und mache mich über meine Frage erröten.

Wie kommt es doch, daß unser Gesetzgeber uns den Genuß des Schweinefleisches und alles dessen, was er unrein nennt, verbietet? Warum untersagt er uns die Berührung von Leichnamen? Und warum befiehlt er uns zur Reinigung der Seele unaufhörliche Waschungen des Leibes? Mir will es scheinen, daß die Dinge an sich weder rein noch unrein sind In Shakespeares »Hamlet(II, 2) heißt es: »An sich ist Nichts weder gut noch böse, das Denken macht es erst dazu.« Ein neuerer englischer Schriftsteller faßt denselben Gedanken in die Worte: »Purity and impurity are not actually existing things; they are only states of thought.« (George Gissing, The Unclassed, vol. II). Du indessen die Gesellschaft an der Unterscheidung von Recht und Unrecht ein Lebensinteresse hat, so wird der Sittencodex auf einem Vertrag der Gesamtheit beruhen, und diese wird sich nie dazu verstehen können, der individuellen Willkür die Zügel zu überlassen. Übrigens ist die jüdisch-muhamedanische Anschauung in neuen Testament überwunden. (Apostelgesch. Kap. 10).; ich vermag mir keine in ihrem Wesen begründete Eigenschaft vorzustellen, die sie dazu machen könnte. Der Koth erscheint uns nur darum schmutzig, weil sein Anblick uns widerlich ist, oder weil er einen andren unsrer Sinne beleidigt; an sich aber ist er nicht unreiner als Gold und Diamanten. Die Vorstellung, daß die Berührung eines Leichnams uns verunreinige, erklärt sich aus jener Art von natürlichem Widerwillen, den wir dabei empfinden. Und was endlich die ungewaschenen Leute betrifft, wie würde man darauf verfallen sein, sie für unrein zu halten, wenn ihr Äußeres nicht Geruch und Auge beleidigte?

Sollte wirklich, o göttlicher Mollah, der Sinnenschein allein über Reinheit und Unreinheit der Dinge entscheiden? Die Gegenstände wirken doch nicht auf jedermann in gleicher Weise ein; das, was dem einen eine angenehme Empfindung bereitet, erregt dem anderen Ekel: und so ergiebt sich die Folgerung, daß das Zeugnis der Sinne hier nicht als Richtschnur angenommen werden darf. Sonst würde man zugeben müssen, daß jeder diesen Punkt nach seiner eigenen Laune entscheiden und den Unterschied von Rein und Unrein nach persönlichem Gutdünken bestimmen dürfe.

Aber würde nicht gerade dies, o heiliger Mollah, die von unsrem göttlichen Propheten festgestellten Unterscheidungen über den Haufen werfen und die Grundlagen des Gesetzes erschüttern, welches die Hände der Engel geschrieben haben?

Erzerum, am 20. des zweiten Mondes Gemmadi, 1711.



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