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Siebzigster Brief.
Zelis an Usbek in Paris.

Dein guter Freund Soliman ist in Verzweiflung über eine Beschimpfung, die er jüngst erlitten hat. Ein junger Sausewind namens Suphis warb seit drei Monaten um die Hand seiner Tochter. Das Äußere des Mädchens, soweit er darüber die Berichte und Schilderungen der Frauen vernommen hatte, die sie in ihrer Kindheit gesehen, schien ihn zu befriedigen. Man hatte sich über die Mitgift geeinigt, und es war alles glatt abgegangen. Nachdem man also die ersten Ceremonien gefeiert, begab sich gestern das Mädchen zu Pferde auf den Weg, von ihrem Eunuchen begleitet und, der Sitte gemäß, von Kopf bis zu Füßen verschleiert. Als sie aber vor dem Hause ihres vermeinten Gatten anlangte, ließ er ihr die Thür verschließen und schwor, er werde sie niemals aufnehmen, wenn die Mitgift nicht erhöht würde. Von beiden Seiten eilten die Verwandten herbei, um die Sache gütlich beizulegen, und nach langem Widerstreben erlangten sie von Soliman die Zusage, seinem Schwiegersohne ein kleines Geschenk zu machen. Endlich konnten die Schlußceremonien begangen werden; dann führte man das Mädchen unter vielem Sträuben in das Ehebett. Aber nach einer Stunde sprang der Unhold wütend vom Lager, schrie, daß sie nicht mehr Jungfrau sei, brachte ihrem Gesicht mehrere Wunden bei und schickte sie zu ihrem Vater zurück. Dieser Schimpf war ein niederschmetternder Schlag für ihn, wie man ihn sich nicht schwerer denken kann. Von mancher Seite wird die Unschuld des Mädchens behauptet. Es ist ein großes Mißgeschick für die Väter, von solcher Schmach bedroht zu sein. Widerführe meiner Tochter eine ähnliche Behandlung, so glaub' ich, ich stürbe vor Gram. Lebe wohl.

Fatmehs Serail, am 9. des ersten Mondes Gemmadi, 1714.



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