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Sechsundfünfzigstes Kapitel.

Das Vorratshaus wird in ein Wohnhaus verwandelt. – Das Wasserfaß. – Die Familie siedelt in die Festung über.

 

Als Tommy am nächsten Morgen gefragt wurde, was ihn eigentlich bewogen hätte, in das Boot zu klettern, da gab er zu allgemeiner Überraschung die Antwort, daß er nach den Zelten fahren wollte, um zu sehen, ob die Bananen noch nicht reif wären; er wollte davon pflücken und essen und dann vor Tische wieder zu Hause sein, damit niemand etwas merkte.

»Na höre, mein Junge,« lächelte Rüstig, »du hättest doch bös hungern müssen, ehe du zu den Bananen gelangtest, wenn wir dich nicht noch zu rechter Zeit bemerkt hätten.«

»Ich will wirklich nie mehr ins Boot gehen,« beteuerte Tommy kleinlaut.

»Diesmal glaube ich, daß du das Versprechen halten wirst,« sagte der Vater. »Ich will es deiner Mutter überlassen, dir die Gefahren klar zu machen, die dir gedroht haben, und in die auch andere Personen durch deinen Vorwitz geraten sind, denn wir müssen wieder an die Arbeit gehen.«

Der Pallisadenzaun war jetzt beinahe vollendet; die Thür in demselben hatte den Arbeitern einiges Kopfzerbrechen verursacht, endlich aber war man überein gekommen, dieselbe aus dicken Eichenplanken herzustellen, hinter ihr aber in kurzem Abstand zwei weitere Thürpfosten aufzurichten, so daß man zwischen diese und die Thür kurze, starke Balkenenden schieben konnte, um auf diese Weise ein Öffnen von außen unmöglich zu machen. Wenn man hiermit fertig war, sollte das Vorratshaus zum Wohnhaus umgestaltet werden, indem man die von Blätterwerk geflochtenen Wände entfernte und durch Balken von Kokosstämmen ersetzte.

Noch ehe die Woche zu Ende kam, stand der Zaun mit der Thür fertig da, und nun ging es an das Fällen der Bäume für die Hauswände. Während Vater Sebald, Wilhelm und Juno die Äxte schwangen und das in vorschriftsmäßige Längen geschnittene Bauholz auf dem Wagen heranschafften, war Rüstig damit beschäftigt, das Haus mit einer Dielung aus den fichtenen Planken zu versehen, die man von der Strandungsbucht geholt hatte. An zwei Tagen in dieser Woche mußte die Arbeit jedoch ausgesetzt werden, weil die Ernte aus dem Garten hereinzubringen war; hernach nahm die Zimmerei wieder ihren Fortgang.

Noch zwei ganze Wochen vergingen unter rastloser Arbeit, dann aber war das Haus vollendet. Es war größer als das alte Haus und durch Bretterwände in drei verschiedene Räume geteilt; der mittlere Raum mit der Eingangsthür und einem Fenster auf der andern Seite war zum Wohn- und Eßzimmer bestimmt; in den beiden andern sollten links die Frauen mit den Kindern, rechts die Männer schlafen. Das Haus erschien auf diese Weise viel vollständiger und bequemer als das andere.

»Haben die fichtenen Planken uns nicht ganz prächtige Dienste gethan?« sagte der alte Rüstig zu seinem Freunde Wilhelm, als sie gelegentlich miteinander allein waren; »hätten wir die Bretter zu der Dielung und den Zwischenwänden aus den Kokosstämmen sägen sollen, dann wäre über dieser Arbeit allein mindestens ein halbes Jahr vergangen.«

»Ja,« antwortete der Knabe, »und die vielen Wandbretter, die wir daraus noch herstellen konnten, die machen das Haus noch einmal so wohnlich und gemütlich. Wann ziehen wir denn ein?«

»Je eher, desto besser, lieber Junge.«

»Und was soll mit dem alten Hause geschehen?« fragte Wilhelm weiter.

»Darin wollen wir die minder wertvollen Vorräte verstauen, bis ich innerhalb der Pallisaden einen Schuppen dafür aufgestellt haben werde.«

»Dann können die Fässer und Tonnen zuerst hinein,« meinte der Knabe, »denn die nehmen hier viel Platz weg.«

»Das können sie,« nickte der Alte, »diese große Tonne aber behalte ich hier, die erhält ihren Platz in einer Ecke des Hofes.«

»Zu welchem Zweck, Papa Rüstig?«

»Um einen Wasservorrat bei der Hand zu haben, mein Junge.«

»Wir haben doch aber von hier aus näher zur Quelle, als von dem alten Hause?«

»Das weiß ich wohl; aber es könnte der Tag kommen, wo wir die Pallisaden nicht mehr verlassen dürfen und dann ist ein Wasservorrat im Hause oder im Hofe eine Notwendigkeit.«

»Jetzt verstehe ich Sie, Papa Rüstig; Sie denken doch an alles.«

»Wenn man in meinen Jahren nicht ein wenig zu überlegen wüßte, dann wäre es schlimm. Du glaubst gar nicht, mein Junge, wie sehr ich darauf brenne, alle Mann erst innerhalb dieser Pallisaden zu wissen. Ehe dies nicht der Fall ist, werde ich keine ruhige Minute haben.«

»Aber das kann ja doch leicht geschehen, Papa Rüstig; warum machen Sie denn nicht den Vorschlag?«

»Es giebt draußen noch allenthalben soviel zu thun, daß ich nicht darauf dringen möchte, um deine Mutter nicht zu beunruhigen; und dennoch droht uns eine große Gefahr, mein Junge, das sagt mir meine Ahnung, die mich selten getäuscht hat. Eine bange Sorge bedrückt mich, die ich nicht abschütteln kann. Thu mir den Gefallen und bringe du die Sache zur Sprache; dringe darauf, daß die Wohnung ohne Verzug gewechselt wird; die Bettstätten sind alle bereit, nur die Segeltuchvorhänge fehlen noch, die aber nagele ich heute abend an.«

Unter dem Eindruck dieser Unterredung kam Wilhelm beim Mittagessen am nächsten Tage auf die Übersiedelung zu sprechen; er pries die Vorzüge des neuen Hauses und hob hervor, wie bequem und vorteilhaft es wäre, daß man dort nicht nur wohnen, sondern auch zugleich im Hofraum arbeiten könnte.

Der Vater pflichtete ihm bei, die Mutter aber meinte, es wäre besser, man zöge erst dann ein, wenn in dem neuen Hause alles nett hergerichtet und in Ordnung sei.

»Ja, Madam,« entgegnete Rüstig, »dann ist es doch das vernünftigste, Sie gehen selber hin und machen alles nett, denn auf andere Weise geschieht es doch nicht. Jedes Ding wird erst dann seinen richtigen Platz haben, wenn dieser von Ihnen persönlich bestimmt worden ist.«

Die Mutter lächelte. »Wenn Sie sogar Partei gegen mich nehmen, Freund Rüstig,« sagte sie, »dann muß ich mich wohl fügen; ich will keine Einwendungen mehr machen und wenn es Ihnen recht ist, findet gleich morgen der Umzug statt.«

»Bravo, Madam!« antwortete der Alte; »das wird das beste sein. Im nächsten Monat haben wir schon wieder schlechtes Wetter und bis dahin ist noch viel zu schaffen. Sind wir aber erst dort, dann wird alles leichter und schneller besorgt werden können.«

»Gut, lieber Freund,« sagte Frau Sebald. »Sie wissen das ja am besten zu beurteilen; morgen beziehen wir das neue Quartier hinter den Pallisaden.«

Ein Seufzer der Erleichterung entrang sich der Brust des Alten. »Gott sei Dank!« murmelte er leise vor sich hin. Nur Wilhelm, der neben ihm saß, vernahm diese Worte.

Der nächste Tag brachte ein geschäftiges Treiben; alles, was schleppen und laufen konnte, beteiligte sich an dem Umzuge, und in der folgenden Nacht schlief man bereits im Schutze der Pallisaden. Rüstig hatte ein kleines Nebenhäuschen aus Planken erbaut, das als Küche für Juno diente. Im Laufe der Woche sichtete man die vorhandenen Vorräte; das Salzfleisch, das Mehl, der Ertrag des Gartens und andere Dinge wurden in das alte Haus geschafft, ebenso die Pulverfässer und der größte Teil des Patronenvorrates; zwei Fässer Fleisch, ein Faß Mehl, sämtliches Eisenwerk, Segeltuch u. s. w. verstaute man unterhalb des neuen Hauses in dem Raum, der anfänglich zum Aufenthalt für das Vieh bestimmt worden war. Über all diesen Arbeiten vergaß Rüstig nicht, nach und nach die große Tonne voll Wasser zu tragen; er hatte im untern Teil derselben einen vom Schiffe mitgebrachten Faßhahn eingeschraubt, vermittelst dessen der Inhalt der Tonne bequem abgezapft werden konnte.

»Das war eine arbeitsreiche Zeit gewesen, Herr Sebald,« sagte Rüstig am Sonnabend zu Willys Vater; »jetzt können wir uns dafür auch ein wenig Ruhe gönnen. Da fällt mir ein, daß die Zeit des Eierlegens der Schildkröten nahezu vorüber ist; wenn wir noch einige der Tiere fangen wollen, so dürfen wir damit nicht zögern; doch das ist meine und Wilhelms Sache. Auch das Boot muß ich noch ausbessern, damit wir uns noch einmal auf die Fahrt machen können, um nach dem Vieh zu sehen und die Yams zu untersuchen.«

»Und die Bananen und die Guaven!« fiel Tommy ein.

»Der Junge hat recht,« bemerkte Frau Sebald, »die haben wir ja ganz vergessen.«

»Das haben wir, Madam,« entgegnete Rüstig, »aber ist das bei all der Arbeit wohl zu verwundern? Wenn das Boot wieder schwimmen kann, fahre ich hin; vielleicht sind noch einige übrig; jedenfalls bringe ich mit, was da ist.«

»Auch müssen wir vor der Regenzeit noch unsern Garten bestellen,« sagte Vater Sebald.

»Das wäre wünschenswert, wenn wir noch Zeit dazu finden,« antwortete der Steuermann. »Die Kartoffeln können wir übrigens auch noch in den heiteren Tagen während der Regenzeit aussetzen. Jetzt aber will ich meine Runde machen und zugleich den Schildkröten auflauern. Gute Nacht, Madam; gute Nacht, Herr Sebald. Komm, Wilhelm.«

Die beiden Freunde gingen zum Strande hinunter; als sie im Hofe auf Juno stießen, gab Rüstig derselben den Rat, soviel Brennmaterial als möglich hinter den Pallisaden aufzustapeln, da es dort mehr zur Hand sein würde.

»Ja. Massa Rüstig,« antwortete die Negerin, »Juno alles thun, Juno alles verstehen; Feuerung hier, Juno nicht hinausrennen, wenn wildes Mann kommt.«

»So ist's, Juno,« antwortete Wilhelm. »Aber kein Wort von den Wilden gegen die Mutter, hörst du?«

»Kein Wort, Massa Willy,« versprach Juno.

Damit schlüpfte sie ins Haus.

Wilhelm und Rüstig hatten an diesem Abend noch das Glück, sechs Schildkröten umkehren zu können. Lange und aufmerksam spähten sie mit dem Teleskop über das Meer hinaus, dann kehrten sie zurück, verrammelten die Pallisadenthür und begaben sich zur Ruhe.


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