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Zweiundfünfzigstes Kapitel.

Die letzte Fahrt zur Strandungsbucht. – »Auch der Stein wäre mir vom Herzen«.

 

Am Montag früh machten sich Rüstig und Wilhelm wieder auf die Fahrt nach der Strandungsbucht; diesmal sollten sie die ganze Woche bis zum Sonnabend abwesend sein, ein Entschluß, der weiter keine Überwindung kostete, da Remus täglich seine Botengänge machen würde. Sie arbeiteten ununterbrochen, und als der Sonnabend kam, hatten sie ihre Aufgabe vollendet und, einiges Balkenwerk ausgenommen, alles nach der Wohnhausbucht geschafft und dort am Strande aufgestapelt.

Bei der letzten Fahrt hatte Rüstig einige schwere Eichenbalken ausgesucht; sie brachten dieselben ins Wasser und befestigten sie hinter dem Boote, so daß sie nachschleppten, als man unter Segel ging. Die Last war schwer und das kleine Fahrzeug kam nur langsam vorwärts.

»Das war eine saure Woche, mein Junge,« sagte der alte Steuermann zu Wilhelm, als sie miteinander im Boote saßen, »es war aber auch Zeit, daß wir mit dem Aufräumen fertig wurden, denn unser kleines Boot ist schon wieder arg mitgenommen und bedarf dringend einer gründlichen Ausbesserung.«

»Das Schwerste hat es nun hinter sich,« meinte Wilhelm, »von jetzt an werden wir es nicht mehr viel gebrauchen, einige Fahrten nach dem Bootshafen ausgenommen, die wir noch machen müssen, ehe wir wieder nach dem alten Heim übersiedeln.«

»Die Ruhe ist dem kleinen Ding zu gönnen,« entgegnete Rüstig; »schau nur, überall sickert das Wasser durch; immerhin hat es mehr geleistet, als man von ihm erwarten durfte.«

»Am Montag also geht es an den Umbau des Vorratshauses, war's nicht so, Papa Rüstig?«

»Jawohl, lieber Wilhelm,« antwortete der Alte, »auch damit ist es die höchste Zeit; Herr Sebald wird inzwischen wohl mit dem Graben und mit der Hecke fertig geworden sein, und da deine Mutter mit Juno und den Kindern allein nicht in den Zelten wird bleiben wollen, so ist es das beste, daß alle Mann wieder so lange das alte Haus beziehen, bis das neue fertig ist; ich muß zwar gestehen, daß es mir lieber wäre, wenn die Madam bis dahin in den Zelten bliebe.«

»Weil Sie einen Besuch der Wilden fürchten, nicht wahr, Papa Rüstig?«

»So ist es,« sagte der Alte.

»Ich meine aber, wenn die Wilden wirklich kämen, dann wäre es besser, wir befänden uns alle beisammen, selbst wenn wir wegen mangelnder Vorbereitung die Zuflucht in den Wald nehmen müßten. Können denn die Wilden nicht auch auf jener Seite landen? Dann überfielen sie die Mutter und meine kleinen Geschwister und wir befänden uns bei der Arbeit am Hause und merkten wohl gar nichts davon.«

Sie redeten noch eine Weile hin und her und konnten zu keinem befriedigenden Ende kommen.

»Das schlimmste wäre,« meinte Wilhelm, »wenn wir während der Nacht überfallen würden.«

»Wir müssen aufpassen, mein Junge, daß dies nicht geschehen kann,« meinte Rüstig. »In dieser Jahreszeit dauert die nächtliche Finsternis kaum drei Stunden. Übrigens muß ich dir doch recht geben, Wilhelm; es ist besser, wenn wir alle im Wohnhause beisammen sind, dann kann uns Juno tüchtig bei der Arbeit helfen und wir werden um so schneller fertig.«

»Ich denke, Papa Rüstig, wir lassen diese Frage endgültig durch Papa und Mama entscheiden.«

»Das wird das beste sein, mein Junge. Hier sind wir schon an der Durchfahrt. Wir wollen die Eichenklötze auf den Strand ziehen und uns dann in aller Eile wieder davonmachen, denn es wird schon spät.«

Sie landeten das Eichenholz und dann ruderten sie nach dem Bootshafen, an dessen Gestade Vater Sebald mit seiner Frau und den Kindern bereits auf sie wartete.

»Ihr seid sehr lange ausgeblieben, Wilhelm,« rief die Mutter ihnen entgegen; »ich ängstigte mich schon, bis ich in der Ferne das Boot kommen sah.«

»Es war nicht anders zu machen, liebe Mama,« antwortete der Knabe; »die letzte Ladung war die schwerste, jetzt sind wir dafür aber auch fertig.«

»Das ist ja ein Glück, mein liebes Kind, denn zum zweitenmal hätte ich dich nur sehr ungern wieder auf so lange Zeit von mir gelassen.«

Jetzt nahm der Vater das Wort.

»Meine Arbeit ist auch fertig,« sagte er, »heute morgen that ich den letzten Spatenstich am Graben und pflanzte das letzte Stachelbirnenreis auf den Wall.«

»Auch der Stein wäre mir also vom Herzen,« antwortete Rüstig; »jetzt müssen wir wieder einen Kriegsrat halten, der jedoch hoffentlich nicht lange dauern wird.«

»Das ist nicht gut denkbar,« lächelte der Vater; »solch ein Kriegsrat nimmt selten viel Zeit in Anspruch, wenn alle Teilnehmer einer Meinung sind. Meine Frau mag nicht hierbleiben, Rüstig, und ich will sie auch nicht allein lassen; es bleibt uns also nichts übrig, als am Montag wieder heim zu ziehen.«

»Wie Sie es wollen, so ist es auch mir recht,« antwortete Rüstig.

»Wie steht es mit dem Abendessen, Juno?« fragte Wilhelm; »ich habe einen großen Hunger mitgebracht.«

»Massa Willy viel Hunger, Juno viel Bratfisch,« lächelte die Schwarze; »Massa Sebald Fisch gefangen heute früh.«

»Ich esse gern Schildkrötensuppe,« bemerkte Tommy.

»O, du ißt wohl alles gern,« meinte Rüstig lächelnd, »Rizinusbohnen vielleicht ausgenommen, die magst du nicht mehr, wie, Junge?«

»Nein, die mag ich nicht, aber Bananen esse ich, wenn sie reif sind.«

»Die würdest du auch wohl jetzt schon abpflücken, obwohl sie noch unreif sind, wenn du nur heranreichen könntest; zunächst aber mußt du noch wachsen.«

»Ich will auch noch wachsen und dann werde ich ein Mann,« antwortete Tommy.

»Das wirst du, und hoffentlich ein braver Mann,« entgegnete der alte Rüstig. »Jetzt aber will Juno mit dem Abendbrot unter Segel gehen und dabei muß ich ihr helfen.«


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