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Vierundzwanzigstes Kapitel.

»Das ist der Platz, Herr Sebald.« – Das Gartenland wird urbar gemacht. – Warum Tommy kein Rizinusöl haben sollte.

 

Der alte Rüstig hatte den Ort trefflich gewählt; die Landzunge war auf drei Seiten durch das Wasser geschützt, die vierte konnte leicht durch einen Zaun vom Festlande abgesperrt werden, so daß das Vieh nicht imstande war, die spätere Pflanzung zu verwüsten. Sie fanden den Untergrund von einer Humusschicht bedeckt, die nicht sehr dick, aber hinreichend war.

»Mit dem Zaun können wir warten, bis die Regenzeit vorüber ist,« meinte Rüstig, »früher werden auch die Kartoffeln und die andern Sämereien nicht aufgehen; wir haben daher vorläufig nur das Land umzugraben und die Saatkartoffeln zu legen. Vorher muß das Buschwerk und Gestrüpp ausgerodet werden; das wird nicht schwierig sein, da die Wurzeln nicht tief gehen.«

»Wenn wir noch keinen Zaun zu machen brauchen, dann denke ich, daß wir im Laufe der nächsten Woche soviel Land urbar machen, als überhaupt nötig ist,« erwiderte Sebald.

»Der Meinung bin ich auch,« sagte Rüstig; »sollte hier und da ein großer Busch zu fest gewurzelt sein, so lassen wir ihn vorläufig stehen, bis wir später mehr Zeit haben. Hier kann auch der kleine Tommy seinen Arbeitseifer beweisen, indem er die Gesträuche wegschleppt, die Sie ausroden. Jetzt aber lassen Sie uns in den Wald gehen; ich habe die Stelle dort schon bezeichnet; sie liegt von hier aus ungefähr dreihundert Schritte weit entfernt und etwa hundertfünfzig Schritte von den Zelten.«

Sie schritten in den Wald hinein und kamen endlich auf einer Bodenerhebung an, die so dick mit Bäumen bestanden war, daß sie nur schwer durchdringen konnten.

»Das ist der Platz, Herr Sebald,« sagte Rüstig. »Ich denke hier alles Holz, das wir brauchen, herauszuschlagen und so eine viereckige Lichtung zu schaffen, in deren Mitte das Haus errichtet werden kann. Wenn es nötig werden sollte – was allerdings kaum anzunehmen ist – dann läßt sich der Ort mit Leichtigkeit durch eine feste Pallisadenreihe in Verteidigungszustand setzen.«

»Das ist schon richtig,« antwortete Sebald; »ein Zaun wird allerdings wünschenswert sein, ich will aber hoffen, nicht zu diesem Zweck.«

»Gewiß, das hoffe ich auch, aber man muß auf alle Fälle vorbereitet sein; zunächst brauchen wir allerdings daran nicht zu denken. Wenn ich meinem Magen Glauben schenken darf, dann ist die Mittagszeit nicht mehr fern; lassen Sie uns zurückkehren und gleich nach dem Essen unsere Arbeit beginnen. Ich bin immer froh, wenn ein Anfang gemacht ist, und sei er auch noch so klein.«

Auch Wilhelm und Juno fanden sich zu der Mahlzeit ein, die diesmal von Frau Sebald bereitet worden war. Beide waren sehr erhitzt von ihren Anstrengungen, trotzdem aber voll von Eifer für ihre Aufgabe. Über Tommy gab es wieder allerlei zu klagen, da er während des ganzen Morgens unartig gewesen war. Zunächst war ihm gar nicht eingefallen, seine Aufgabe zu lernen, und sodann hatte er der Schwester Karoline heimtückisch eine Kohle in die Hand gegeben, woran diese sich verbrannte. Der Vater sprach das Urteil dahin, daß er zur Strafe kein Mittagessen erhalten solle; mürrisch schlich er auf die Seite und schaute mißgünstig den Essenden zu, allein keine Thräne kam in sein Auge, auch bat er nicht um Verzeihung.

Als Vater Sebald nach Tische sich nach der Landzunge aufmachte, mit dem Spaten und einem kleinen Beil versehen, forderte seine Gattin ihn auf, Tommy mitzunehmen, da sie viel zu thun habe und ihn nicht so gut beaufsichtigen könne, als den kleinen Albert und Karoline. Er nahm den Jungen bei der Hand, führte ihn mit sich und hieß ihn sich in seiner Nähe niedersetzen, während er an das Ausroden des Buschwerks ging.

Er arbeitete eifrig und angestrengt und wenn er eine Strecke des Bodens urbar gemacht hatte, befahl er Tommy, das beseitigte Buschwerk fortzuschleppen und auf einen Haufen zu packen. Tommy gehorchte, aber nur langsam und unwillig, denn er befand sich noch immer in schlechter Laune. Mit der Zeit hatte der Vater einen großen Fleck vom Gestrüpp befreit; er machte sich nun an das Umgraben des Erdreichs, wobei er Tommy sich selbst überlassen mußte.

Eine Stunde lang verlief alles ganz ruhig, dann aber erhob der Junge plötzlich ein großes Geschrei; erschrocken hielt der Vater in seiner Arbeit inne und fragte, was ihm fehle; Tommy aber antwortete nicht, er drückte nur die Hände auf seinen Magen und schrie noch stärker als zuvor. Da er Schmerzen zu leiden schien, warf Sebald den Spaten hin und ging mit Tommy nach den Zelten, wo die Mutter, die das Geschrei bereits gehört hatte, ihnen voll Angst entgegen kam. Der Junge beantwortete keine der an ihn gerichteten Fragen und die Eltern waren schließlich ganz ratlos.

Zu rechter Zeit kam jetzt der alte Rüstig herbei, der, als das Geschrei gar nicht aufhören wollte, sich gesagt hatte, daß da etwas Ernstliches dem Jungen zugestoßen sein müsse.

»Das Kind hat etwas gegessen, was ihm Beschwerden macht,« sagte er, nachdem man ihm den Hergang erzählt hatte. »Tommy, laß hören, was du gegessen hast, als du da unten warst.«

»Bohnen!« brüllte Tommy.

»So was ähnliches habe ich mir gedacht, Madam,« sagte der Steuermann. »Ich will einmal sehen, was das für Bohnen gewesen sind.«

Damit eilte er schnellen Schrittes der Landzunge zu. Die Mutter, die sogleich fürchtete, daß der Junge sich vergiftet haben könne, brach in laute Klagen aus, Vater Sebald aber durchkramte die Medizinkiste nach einer Flasche Rizinusöl, die darin sein mußte.

Er trat mit der Flasche aus dem Zelte, als Rüstig wieder anlangte, und nun teilte er diesem seine Absicht mit, dem Knaben von dem Rizinusöl einzugeben.

Rüstig, der eine große Pflanze in der Hand hielt, kratzte sich lächelnd und bedenklich den Kopf.

»Das lassen Sie lieber bleiben, Herr Sebald,« entgegnete er, »denn wenn ich nicht irre, hat der Junge schon viel zu viel Rizinus im Leibe. Sehen Sie, dies ist eine Rizinuspflanze und hier sind einige von den Bohnen, die Tommy jedenfalls gegessen hat. Sag, mein Sohn, hast du von diesen Bohnen gekostet?«

»Ja!« brüllte Tommy, beide Hände auf den Leib drückend.

»Das dachte ich mir; geben Sie ihm etwas Warmes zu trinken, Madam, dann wird ihm bald wieder besser sein. Der Schaden war nicht groß, er wird sich die Sache merken und nicht wieder die erste beste Bohne oder Beere essen, die ihm in die Finger kommt.«

Der Rat des Alten war gut; trotzdem fühlte sich Tommy den ganzen Tag recht krank und mußte zeitig zu Bett gebracht werden.


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