Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Die Familie bezieht wieder das alte Heim. – Pallisadenbau. – Rüstigs Befürchtungen.
Die Morgensonne fand alle Mann bereits in eifrigster Arbeit, galt es doch die Vorbereitungen zum Verlassen der Sommerquartiere. Juno mußte bald hier und bald dort Hilfe leisten, so daß sie gezwungen war, die kleine Karoline an den Herd zu stellen, um aufzupassen, daß der Topf nicht überkochte. Tommy war, wie gewöhnlich, allen andern im Wege; er wollte so gern helfen, richtete aber in seinem Eifer mehr Schaden als Nutzen an; da er jedoch guten Willen zeigte, so brachte es niemand über das Herz, ihn zu schelten. Schließlich schickte ihn Rüstig mit einem schweren Packen zum Strande hinab, als das sicherste Mittel, ihn loszuwerden. Tommy lud sich mit großer Wichtigkeit seine Last auf; bei seiner Rückkehr sah er sehr erhitzt aus und als Rüstig ihm wieder etwas zu schleppen geben wollte, sagte er, er wäre zu müde und setzte sich dann in einiger Entfernung still auf die Erde. Auf diese Weise kam er aus dem Wege.
Noch vor dem Frühstück war alles marschfertig. Man stärkte sich in Eile, packte das Geschirr in einen Korb und dann machte Vater Sebald mit seiner Familie und begleitet von den Hunden sich auf den Weg durch den Wald nach dem alten Wohnhause.
Wilhelm und Rüstig verstauten das Küchengeschirr, die Tische und die Stühle im Boot, die Ziege vervollständigte die Ladung und nun ruderten sie munter davon; als sie die Wohnhausbucht erreichten, da war dort von den andern noch niemand zu sehen. Sie schafften die Sachen auf den Strand und machten sich sogleich wieder auf die Fahrt, um das Bettzeug und was sonst noch zurückgeblieben war, zu holen.
Mit dieser zweiten und letzten Ladung trafen sie gegen drei Uhr nachmittags in der Bucht ein; eine Stunde vor ihnen war die andere Gesellschaft daheim angelangt und Vater Sebald und Juno schleppten bereits eifrig die verschiedenen Geräte ins Haus.
»Nun wird es wohl vorläufig keine Seefahrt mehr geben,« meinte Rüstig, »denn unser Boot muß, sobald ich Zeit dazu finde, gründlich in die Kur genommen werden.«
»Es hat uns aber auch treu gedient,« antwortete Wilhelm. »Übrigens ist mir zu Mute, als käme ich nach langer Abwesenheit endlich wieder nach Hause. Ich hätte nie geglaubt, daß ich jemals lernen würde, einen Teil dieser Insel wirklich als ein Heim zu betrachten. Ich freue mich ordentlich darüber, daß wir die Zelte verlassen haben. Aber noch eins, Papa Rüstig, vorhin sah ich Tauben in unsern Erbsen, wir müssen sie einbringen. Die Tauben haben sich sehr vermehrt, ich schätze sie auf mindestens zwanzig Stück. Im nächsten Jahr können wir Taubenbraten essen, mein Leibgericht, Papa Rüstig.«
»Wenn es Gott gefällt, daß wir dann noch leben und gesund sind,« entgegnete der Alte, dessen Blicke hinaus auf die See gerichtet waren.
Noch ehe der Abend herabsank, war das Innere des Hauses wieder so gemütlich und bequem eingerichtet wie ehedem, und da alle sich sehr müde fühlten, suchte man frühzeitig die Lagerstätten auf, nachdem man noch verabredet hatte, was am nächsten Morgen gethan werden sollte. Frau Sebald hatte sich erboten, die Küche und die Kinder zu übernehmen, so daß Juno den Männern nach Bedarf Hilfe leisten konnte.
Mit Tagesanbruch wunderten Rüstig und Wilhelm zum Schildkrötenteich und fingen eins der Tiere mit der Harpune; die Zeit war da, wo die Schildkröten wieder aufs Land gingen, um ihre Eier in den Sand zu legen, der Teich konnte daher mit Leichtigkeit wieder gefüllt werden.
Das Tier wurde geschlachtet, und nachdem Rüstig einen Teil desselben für den Kochtopf zurechtgeschnitten hatte, verfügte man sich nach dem Vorratshause im Walde.
Hier bezeichnte der Steuermann eine Anzahl von Bäumen, die als Hauptpfosten des Pallisadenzaunes dienen sollten; dieser Zaun sollte das Haus in einem Viereck umfassen, und auf jeder Seite eine Länge von dreißig Schritten erhalten. Der auf diese Weise gewonnene Hofraum wurde für groß genug erachtet.
Sobald die Pallisadenlinie festgestellt war, machte man sich an das Fällen der Bäume innerhalb derselben; auch außerhalb machte man rings einen breiten Raum frei. Rüstig zersägte die Bäume zu den langen Querhölzern, die von einem Hauptpfosten zum andern zu nageln waren und als Stütze der dazwischen aufzurichtenden Pallisaden zu dienen hatten. Es war ein Glück, daß noch so viele von den großen Nägeln vorhanden waren, denn ohne dieselben hätte man kaum daran denken können, eine solche Arbeit zu unternehmen.
Vater Sebald fällte die Bäume, Wilhelm und Juno zerschnitten sie in die vorgeschriebenen Längen und schleppten sie dem alten Rüstig zu. Bald war mehr Holz zugerichtet, als man verwenden konnte, so daß Juno und Wilhelm Zeit gewannen, die Blätter und Baumkronen in einiger Entfernung als Brennmaterial für den Winter aufzuschichten, während Vater Sebald dem Steuermann beim Aufrichten der Pallisaden zur Hand ging. Der Zaun wurde ungefähr vierzehn Fuß hoch, so daß er nicht zu übersteigen war und einem Angriff der Wilden recht wohl Widerstand leisten konnte. Man arbeitete den ganzen Tag unermüdlich und mit Aufbietung aller Kräfte, am Abend waren daher alle recht froh, das Bett aufsuchen zu können. Vorher nahm Rüstig noch die Gelegenheit wahr, unter vier Augen mit Wilhelm zu reden.
»Ich halte es für notwendig,« sagte er, »von jetzt ab eine regelmäßige Wache festzusetzen. Man kann nicht wissen, was sich ereignet. Ich werde jeden Abend bis zum völligen Einbruch der Nacht, der gegen neun Uhr stattfindet, mit meinem Fernrohr am Strande Posten stehen. Es ist zwar nicht anzunehmen, daß die Wilden in der Dunkelheit der Nacht hier landen werden, aber sie können noch am Spätabend oder ganz früh am Morgen kommen, darum muß einer von uns auch vor Tagesanbruch, also zwischen zwei und drei Uhr morgens, auf der Wache sein und Ausguck halten; ist um diese Zeit nichts zu sehen, dann mag er sich ruhig wieder hinlegen, denn dann können sie erst viele Stunden später hier sein. Auch das Wetter müssen wir beobachten, besonders ob der Wind für die Wilden günstig ist, was allerdings erst zum Beginn der Regenzeit der Fall sein wird; allein die Brise kann so schwach sein, daß sie kein nennenswertes Hindernis für etwa herüberkommende Kanus abgiebt. Ich habe viel über die Sache nachgedacht und bin zu der Überzeugung gelangt, daß, wenn uns die Wilden einen Überfall zugedacht haben, dies mit Anfang der Regenzeit geschehen wird; denn dann wird der Wind veränderlich und weht ihnen nicht mehr so stetig entgegen wie jetzt, so daß sie in ihren Kanus herüber segeln können und die dreißig oder vierzig Seemeilen nicht zu paddeln brauchen, was mit Gegenwind und Gegenströmung ein böses Stück Arbeit ist. Jedenfalls müssen wir scharf auf dem Posten sein, mein Junge, und zwar gleich von heute an. Ich wollte deine Eltern mit meinen Befürchtungen nicht unnötig ängstigen, dir aber, mein lieber Sohn, mußte ich meine Gedanken unverhohlen mitteilen, denn du hast dich mir stets als ein treuer und zuverlässiger Kamerad bewiesen und deine Denk- und Handlungsweise würde manchem erwachsenen Manne zur Ehre gereichen.«
»Wie Sie es beschließen, Papa Rüstig, so ist es recht,« antwortete der Knabe ruhig; »ich werde jeden Morgen vor Tagesanbruch am Strande sein und den Horizont mit dem Fernglase sorgfältig absuchen. Nehmen Sie die Abendwache, ich nehme die Morgenwache.«
»Gut, mein Junge; ich hätte ja beide Wachen übernehmen können, aber ich meine, dein frühes Aufstehen wird kaum bemerkt werden und an mein langes Ausbleiben am Abend ist man gewöhnt.«
Damit trennten sich die beiden vertrauten Freunde; von jetzt an aber hielten sie scharfen Ausguck vom Anbruch des Tages bis in die sinkende Nacht.