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Hans, der Ziegenbock. – »Immer gut sein kann man nicht.« – Die Kokosnüsse.
Am nächsten Tage, als Vater Sebald, Willy, Juno und Rüstig mit ihren verschiedenen Aufgaben beschäftigt waren, saß Frau Sebald vor ihrem Zelte, emsig mit einer Näharbeit beschäftigt. In ihrer Nähe kroch der kleine Albert im Grase umher, Karoline versuchte sich gleichfalls mit ihrer Nadel nützlich zu machen und Tommy grub Löcher in die Erde und legte in jedes Loch einen kleinen Stein.
»Was machst du da, Tommy?« fragte die Mutter.
»Ich spiele; ich mache mir einen Garten,« antwortete Tommy.
»So, also du machst dir einen Garten. Dann mußt du aber auch Bäume pflanzen.«
»Nein, Bäume pflanze ich nicht, ich lege Samenkörner; da, sieh hier.« Damit wies der Junge auf die Steine.
»Steine wachsen doch nicht, nicht wahr, Mama?« warf Karoline ein.
»Nein, liebes Kind, wohl aber wachsen die Samen von Pflanzen und Blumen.«
»Das weiß ich,« sagte Tommy, »ich thu auch nur so, weil ich keine Samenkörner habe.«
»Du sagtest aber, du legtest Samenkörner und nicht Steine, Tommy.«
»Ich thu ja nur so, das ist doch ganz gleich,« entgegnete der Junge.
»Das ist es nicht, Tommy; nehmen wir einmal an, du hättest gestern, anstatt die Rizinusbohnen zu essen, auch nur so gethan, wäre das nicht besser gewesen?«
»Ich will keine mehr essen,« antwortete Tommy.
»Nein, solche Bohnen wirst du wohl nicht mehr essen, aber wenn du etwas anderes siehst, was dir genießbar scheint, dann fürchte ich, daß du doch wieder davon nimmst und wieder so krank und vielleicht noch kränker wirst, als gestern. Du sollst überhaupt nichts essen, was man dir nicht gegeben hat.«
»Ich möchte Kokosnüsse haben; warum essen wir eigentlich keine Kokosnüsse? Es sind doch soviel da oben auf den Bäumen?«
»Wer soll denn da hinaufklettern, Tommy? Willst du das thun?«
»Nein, ich nicht; aber warum klettert denn Steuermann Rüstig nicht hinauf, oder Papa, oder Wilhelm? Kannst du nicht Juno hinauf klettern lassen? Ich möchte Kokosnüsse haben, Mama!«
»Wenn nicht mehr so viel zu arbeiten ist, dann wird Papa oder der Steuermann uns schon welche verschaffen; jetzt aber haben sie keine Zeit dazu. Siehst du nicht, wie fleißig sie alle sind?«
»Ich möchte Schildkrötensuppe haben!« entgegnete Tommy.
»Wilhelm und Juno machen einen Teich, worin Schildkröten aufbewahrt werden sollen; wenn der fertig ist, dann werden wir öfter Schildkrötensuppe essen können. Man kann nicht immer gleich alles haben, was man sich wünscht.«
»Was ist eigentlich eine Schildkröte für ein Tier?« fragte Karoline.
»Eine Amphibie, ein Tier, das zumeist im Wasser lebt; ein Fisch ist es jedoch nicht.«
»Ich möchte Bratfisch essen!« rief Tommy. »Warum essen wir überhaupt niemals Bratfisch, Mama?«
»Weil jetzt niemand Zeit hat, Fische zu fangen. Später werden wir ohne Zweifel ab und zu Fische essen können. Aber lauf, Tommy, und bringe deinen Bruder Albert wieder hierher, er ist zu nahe an Hans, den Ziegenbock, herangekrochen, und der stößt zuweilen, wie du weißt.«
Tommy that, wie ihm geheißen; als er jedoch das Kind aufnahm, konnte er nicht unterlassen, dem Bock einen Schlag an den Kopf zu geben.
»Tommy, laß den Bock in Ruh!« warnte die Mutter. »Wenn er dich stößt, dann ist das Unglück wieder groß.«
»O,« antwortete Tommy, »ich habe nicht ein bißchen Angst!« Und während er das Kind bei einer Hand hielt, versetzte er dem Ziegenbock noch mehr Schläge. Hans aber verstand keinen Spaß, er senkte die Hörner und stieß Tommy so heftig vor die Brust, daß dieser zusamt dem kleinen Albert zur Erde fiel. Das Kind schrie und auch Tommy hätte am liebsten geweint. Die Mutter eilte herzu und hob den Kleinen auf. Tommy aber ergriff ängstlich ihre Rockfalten und sah sich scheu nach Hans um, der sehr geneigt schien, den Angriff zu wiederholen.
»Warum hörst du nicht, du böser Junge, wenn ich dir etwas verbiete?« schalt die Mutter, nachdem sie den kleinen Albert beruhigt hatte. »Sagte ich dir nicht, er würde dich stoßen?«
»Ich habe nicht ein bißchen Angst vor ihm,« erwiderte Tommy trotzig, als er den Bock ruhig abgehen sah.
»Ja, jetzt bist du ein rechter Held, weil der Bock sich nicht mehr um dich kümmert, aber deinen Ungehorsam wirst du noch einmal übel entgelten müssen. Denke nur an den Löwen in Kapstadt!«
»Vor Löwen habe ich keine Angst,« antwortete Tommy verachtungsvoll.
»Weil jetzt keiner in der Nähe ist; wenn in diesem Augenblick aber ein Löwe sich hier sehen ließe, dann würdest du ein anderes Gesicht machen.«
»O, ich habe den Löwen mit Steinen geworfen,« sagte Tommy prahlerisch.
»Ganz recht, wärst du nicht so unartig gewesen, dann hätte der Löwe dich auch nicht so erschreckt, ebensowenig wie Hans dich umgestoßen hätte.«
»Mich stößt Hans niemals,« sagte Karoline.
»Nein, mein liebes Kind, weil du ihn nicht neckst. Dein Bruder Tommy aber neckt die Tiere für sein Leben gern, deswegen gerät er auch so oft in Gefahr. Er thut aber doppelt unrecht, weil sein Vater und ich ihm diese Unart schon so oft verboten haben. Gute Kinder gehorchen ihren Eltern stets. Tommy aber ist ein böser Junge.«
»Als ich heute morgen meine Aufgabe wußte, da sagtest du, ich sei ein guter Junge,« warf Tommy ein.
»Ja, du sollst aber immer gut sein,« erwiderte die Mutter.
»Immer gut sein kann man nicht,« erklärte Tommy rund heraus. »Ich bin hungrig, Mama, ich möchte Mittagbrot essen!«
»Es ist allerdings jetzt Essenszeit, du mußt aber warten, bis der Vater und die andern von der Arbeit kommen.«
»Da kommt Rüstig,« rief der Knabe, »er trägt einen Sack auf der Schulter!«
Der alte Steuermann schritt vom Walde herab und als er am Zelte angelangt war, legte er den Sack vor Frau Sebald nieder.
»Ich habe Ihnen einige junge Kokosnüsse mitgebracht, Madam,« sagte er, »und auch ein paar alte, von den Bäumen, die bereits gefällt sind.«
»Ei, Kokosnüsse!« rief Tommy; »Kokosnüsse esse ich so gern!«
»Ich sagte dir, Tommy, daß wir mit der Zeit welche erhalten würden,« entgegnete die Mutter, »und jetzt haben wir sie früher, als wir erwarteten. Sie sind recht erhitzt, Freund Rüstig.«
»Das ist kein Wunder, Madam,« antwortete der Alte, indem er sich das Gesicht abtrocknete; »dort im Walde weht kein Lüftchen, da macht die Arbeit warm. Brauchen Sie etwas von der andern Seite? Ich will gleich nach dem Essen hinüber rudern.«
»Warum denn?«
»Ich muß die Räder holen, damit die Stämme fortgeschafft werden können. Wilhelm soll mitkommen.«
»Das wird er gewiß gern thun, er muß von dem Schleppen und Rollen der schweren Steine ganz erschöpft sein. Ich wüßte übrigens nicht, was Sie mir mitbringen könnten. Doch da kommt Willy und mit ihm Juno, auch sehe ich, daß mein Mann seinen Spaten niedergelegt hat. Achte auf den Kleinen, Karoline, ich will das Mittagessen herbeibringen.«
Sie eilte zur Feuerstelle und bald hatte sie mit Rüstigs Hilfe den Tisch auf dem Erdboden gedeckt, da man bis jetzt noch keine Gelegenheit gehabt hatte, die Tische und die Stühle von der anderen Seite herbeizuschaffen und dies auch erst thun wollte, wenn das neue Haus erbaut war.
Wilhelm berichtete, daß der Schildkrötenteich am folgenden Tage fertig werden würde. Vater Sebald hatte so viel Land umgegraben, daß der halbe Sack Kartoffeln, den man vom Wrack geborgen hatte, ausgepflanzt werden konnte; nach Verlauf von zwei Tagen würden daher alle Mann imstande sein, sich mit vereinten Kräften an das Fällen und Fortschaffen des Bauholzes zu machen.
Nach Tische ruderten Wilhelm und Rüstig im Boote davon und noch ehe es Abend wurde, waren sie mit den Rädern und der Achse des Wagens nebst einigen andern Gegenständen wieder da. Sebald hatte den Nachmittag dazu verwendet, Juno bei dem Schildkrötenteich zur Hand zu gehen und so war auch dieser soweit fertig geworden, daß schon jetzt die Tiere, die man etwa hineinsetzen würde, nicht mehr entweichen konnten.