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Achtundzwanzigstes Kapitel.

Das neue Haus. – Die Regenzeit nimmt ihren Anfang.

 

Rüstig hatte aus einigen der geretteten Schiffshölzer Thürpfosten und Fensterrahmen zurecht gehauen. Jetzt grub er vier hohe Pfähle in die Erde, den vier Ecken des Hauses entsprechend, dann kerbte er mit Hilfe Sebalds jeden der vorrätigen Balken an beiden Enden tief ein, so daß dieselben an den Kreuzungspunkten, den Hausecken, in einander greifen konnten. Nachdem dieses geschehen war, legten unsere Zimmerleute von Ecke zu Ecke Stamm auf Stamm; die Balken paßten ziemlich dicht aufeinander, jedoch mußten die Zwischenräume noch mit zusammengedrehten Kokosblättern kalfatert werden; letztere Arbeit verrichteten Juno und Wilhelm. Auf diese Weise wuchs nach und nach das längliche Wandviereck des Hauses empor.

An die Anlage eines Herdes konnte man noch nicht denken, da man erst den dazu nötigen Thon finden oder aus Muschelschalen Kalk brennen mußte; man begnügte sich daher, den Raum dafür frei zu lassen.

Drei Wochen lang arbeitete man ohne Unterlaß; als die Wände die genügende Höhe hatten, legte man eine Anzahl Balken quer darüber und setzte den Dachstuhl darauf; das Eindecken des Daches besorgte Rüstig, indem er die großen Blätter der umgehauenen Kokosbäume auf die Dachsparren legte, fest mit diesen verband und sie außerdem noch durch schwere Stämme, die er der Länge nach darüber nagelte, niederhielt.

Endlich stand das Haus wetterfest da und es war auch hohe Zeit, denn die Witterung begann sich zu ändern, schwere graue Wolken schoben sich unter dem Himmel dahin, kurz, die rauhe Jahreszeit war im Anzuge. Einmal prasselte auch schön ein tüchtiger Regenschauer herab, dann aber klärte sich das Wetter wieder auf.

»Wir haben keine Zeit zu verlieren.« sagte Rüstig zu Herrn Sebald »Es ist zwar ein tüchtig Stück Arbeit geschafft worden, aber während der nächsten Tage müssen wir uns noch schärfer daranhalten, denn es gilt, das Haus wohnlich einzurichten, damit Madam sobald als möglich davon Besitz nehmen kann.«

Der Erdboden im Innern des Hauses wurde gestampft und geschlagen, bis er so fest wurde wie eine Tenne; darauf errichtete man auf jeder Seite eine Art von Bettgestell, das die ganze Länge der Innenwände einnahm und sich zwei Fuß über dem Erdboden erhob; vor diesen Lagerstätten wurden Gardinen von Segeltuch angebracht, die während der Nacht herunter zu lassen waren.

Und nun unternahmen Rüstig und Wilhelm die letzte Bootsfahrt nach der Bucht auf der andern Seite und holten Tische und Stühle und anderes Gerät. Das Wohnhaus war fertig; um beim Kochen geschützt zu sein, errichtete man dicht am Eingange noch einen kleinen Schuppen mit einem Feuerherd darin, und konnte nun der Regenzeit ruhig entgegen sehen.

Es war spät an einem Sonnabend Nachmittag, als die Familie das neue Heim bezog; dies geschah keinen Tag zu früh, denn schon in der Nacht brach der Sturm herein. Wohl lagen sie hier geschützt, dennoch war der Wind so stark, daß die Bäume ihre Kronen tief hernieder beugten und einander zersägen zu wollen schienen. Die Blitze zuckten so unaufhörlich, daß zeitweilig der ganze Himmel im Feuer zu stehen schien, die Donnerschläge erschütterten das Haus bis ins Fundament und dabei stürzten solche Wassermassen hernieder, als sollte eine zweite Sündflut die Erde verwüsten.

Die Schafe und Ziegen flüchteten sich in das Dickicht des Waldes; die Hunde, die im Hause Obdach gefunden hatten, krochen unter die Bettgestelle, und am Sonntag Mittag war es noch so dunkel, daß man keinen Buchstaben zu lesen vermochte.

»Das also ist die Regenzeit, von der Sie so viel gesprochen haben, Freund Rüstig,« sagte Frau Sebald, indem sie melancholisch in das Unwetter hinausblickte. »Wenn es immer so bleibt wie heute, dann weiß ich nicht, was wir schließlich anfangen sollen.«

»Beunruhigen Sie sich nicht, Madam,« antwortete der Alte, »so schlimm bleibt es nicht, wir werden sogar Sonnenschein haben, wenn auch immer nur kurze Zeit. Wir werden auch so ziemlich jeden Tag draußen einige Arbeit verrichten können, zumeist aber wird es regnen, manchmal tagelang ohne Unterbrechung; dann müssen wir Geduld haben und in unsern vier Pfählen fleißig sein; ich denke, es wird uns auch hier an Beschäftigung nicht fehlen.«

Frau Sebald lauschte gern den Worten des alten, erprobten Freundes.

»Wie dankbar müssen wir dafür sein,« sagte sie, »daß wir ein festes Dach über unsern Köpfen haben; in den Zelten wären wir ja wohl bei diesem Regen ertrunken.«

Rüstig nickte lächelnd. »Ja, ja,« erwiderte er, »deshalb habe ich auch nicht geruht, bis das Haus fertig war. Wir können Gott nicht genug dafür danken.«

Während die Sonntagsandacht abgehalten wurde, umtobte der Sturm das kleine Gebäude; allein, so heftig der Regen auch das Dach peitschte, die Blätterdecke ließ keinen Tropfen durch.

Am Nachmittag eilten Rüstig und Wilhelm zum Strande hinunter, um zu sehen, ob das Boot auch fest genug läge; naß bis auf die Haut kehrten sie von dieser Expedition zurück.

Als Nahrung hatte man während dieses Tages nur Brot und kaltes Fleisch, trotzdem fühlte sich jeder glücklich und zufrieden.

Der Sturm tobte auch die ganze folgende Nacht hindurch, unsere Schiffbrüchigen aber schliefen sicher und trocken, und wenn sie einmal durch den Donner oder durch das Geknatter des Regens erweckt wurden, dann lauschten sie dem Kampf der Elemente, hüllten sich fester in ihre Decken und dankten dem Schöpfer, daß er ihnen inmitten der heulenden Wildnis ein solches Obdach geschenkt hatte.


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