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Warum Tommy Kopfschmerzen hatte und im Hühnerstalle saß. – Rüstigs Geschichte.
Einige Tage waren vergangen, da kam Juno eines Morgens voll Freude in das Haus gelaufen und zeigte in ihrer Schürze sechs Eier, die sie in dem Hühnerstall gefunden hatte.
»Sehen Sie doch, Missy Sebald!« rief sie; »Hühner legen Eier! Kleine Zeit – dann viel haben für Massa Wilhelm; viel Eier machen gesund und viel Eier machen viel Küchlein – kleine Zeit!«
»Du hast doch nicht alle Eier aus den Nestern genommen, Juno?« fragte Frau Sebald, die Eier mit Vergnügen betrachtend.
»Nein, Missy, ein Nest, ein Ei, immer ein Nest, ein Ei.«
»Wie ist das zu verstehen, Juno?« lächelte Frau Sebald; »hast du immer nur aus jedem Nest ein Ei genommen, oder in jedem Nest ein Ei liegen lassen?«
»Liegen lassen, Missy, liegen lassen; ein Nest, ein Ei.«
»Das war verständig; wir wollen die Eier für Wilhelm aufbewahren und ich hoffe, daß sie zu seiner Kräftigung beitragen werden.«
»O, Mama,« sagte Wilhelm, der gerade dazu kam, »ich bin schon wieder kräftig genug und ich meine, es wäre klüger, wenn wir die Eier ausbrüten ließen.«
»Nein, mein lieber Sohn, deine Gesundheit ist mir mehr wert, als ein Paar frühzeitige Küchlein; außerdem,« fügte die Mutter scherzend hinzu, »ist dies eine Küchenfrage, in der du nicht mitzureden hast.«
»Ich möchte Eier essen!« rief Tommy, der sich neugierig genähert hatte.
»Das glaube ich wohl,« entgegnete die Mutter, »aber vorläufig wirst du darauf verzichten müssen, mein Junge, denn du bist nicht krank gewesen wie Bruder Wilhelm.«
»Aber, Mama, mein Magen thut so weh!« erwiderte Tommy.
»Höre, Tommy, ich glaube, du willst uns Geschichten erzählen; wenn dein Magen dir weh thut, dann darfst du erst recht keine Eier essen.«
»Ich habe aber Kopfschmerzen!« drängte der Junge weiter.
»Eier sind kein Heilmittel für Kopfschmerzen, Tommy,« nahm jetzt der Vater das Wort, der soeben zur Thür hereingetreten war.
»Ich bin aber sehr krank, mir thut's überall weh,« behauptete Tommy mit großer Entschiedenheit.
»Dann müssen wir dich sogleich zu Bett bringen und dir einen Löffel Ricinusöl eingeben.«
»Ricinusöl mag ich nicht, ich möchte Eier haben!«
»Das glaube ich dir schon, aber Eier bekommst du nicht,« antwortete der Vater; »gieb dir also weiter keine Mühe mit deinen Erfindungen; später, wenn die Hühner recht viel Eier legen, dann sollst du auch eins haben; das heißt, wenn du ein guter Junge bist, sonst nicht.«
»Da Karoline die Aufsicht über den Hühnerstall hat, so müssen wir ihr auch wohl die Kontrolle der Eier übertragen,« meinte Frau Sebald, »sie ist ein sehr verständiges Mädchen und möchte sich so gern überall nützlich machen.«
Karoline wurde von ihrer neuen Würde in Kenntnis gesetzt und das gute Kind freute sich sehr darüber.
Während der nächsten Tage waren Rüstig und Vater Sebald beschäftigt, im Garten das Unkraut auszujäten, welches in überraschender Fülle zwischen den Saatpflanzen emporwucherte; Wilhelm beteiligte sich nicht daran, da er sich noch schonen mußte, aber seine Gesundheit kräftigte sich zusehends von Tag zu Tage.
An den beiden Morgen nach dem ersten Eierfund brachte Juno wieder je drei oder vier Eier ins Haus, am dritten Morgen aber waren die Nester leer. Am vierten Tage schienen die Hühner wiederum nichts gelegt zu haben, worüber Frau Sebald sich sehr wunderte, da die Hühner, wenn sie erst einmal zu legen anfangen, damit so bald nicht wieder aufzuhören pflegen.
Als man sich am fünften Morgen zum Frühstück setzte, fehlte der kleine Tommy; die Mutter fragte erstaunt, wo er sich wohl herumtreiben könne.
»Ja, Madam,« sagte der alte Rüstig lachend, »Massa Tommy kann heute beim besten Willen nicht zum Frühstück kommen, und wahrscheinlich auch nicht zum Mittagessen.«
»Aber warum nicht?« fragte die Mutter, den alten Freund groß ansehend.
»Das will ich Ihnen sagen, Madam. Es kam mir sonderbar vor, daß da keine Eier mehr in den Nestern sein sollten, und ich hielt es nicht für unmöglich, daß die Hühner die Eier verschleppten, das heißt, sie hier und da ins Gebüsch legten, anstatt in die Nester. Ich machte mich auf die Suche, Eier fand ich jedoch nicht, wohl aber Eierschalen, sorgfältig unter Kokosblättern versteckt. Wenn ein Tier die Eier geraubt hätte, dann hätte es sich auf das Verstecken der Eierschalen nicht erst lange eingelassen, vorausgesetzt natürlich, daß es solche eierfressende Tiere auf der Insel giebt. Die Sache war mir also verdächtig. Heute morgen machte ich die große Thür des Hühnerstalles fest zu und ließ nur die kleine Schiebethür offen, durch welche die Hühner abends auf die Stangen fliegen, dann versteckte ich mich im Gebüsch und paßte auf. Es dauerte auch gar nicht lange, da kam Massa Tommy angeschlichen. Er versuchte die Thür zu öffnen, als ihm dies nicht gelang, kroch er durch das Flugloch in den Stall hinein. Kaum war er drin, da ließ ich den Schieber herab und befestigte denselben mit einem Nagel. So ist er in die Falle gegangen, in der er jetzt noch sitzt.«
»Und da soll er auch den ganzen Tag sitzen bleiben, der kleine Vielfraß,« sagte Vater Sebald, den Rüstigs Bericht sehr belustigt hatte.
»Jawohl,« rief auch die Mutter, »damit geschieht ihm ganz recht, und hoffentlich wird es ihm für später eine Lehre sein. Wir wollen uns gar nicht um ihn kümmern, und wenn er auch stundenlang schreien sollte.«
Nach dem Frühstück machten die beiden Männer sich wieder an die Arbeit und Wilhelm begleitete sie, während die Mutter, die kleine Karoline und Juno an die Hausarbeit gingen.
Tommy verhielt sich zuerst eine ganze Stunde lang in seinem Stalle mäuschenstill, dann aber fing er aus voller Kehle an zu brüllen; das half ihm jedoch nichts, denn niemand achtete darauf; er versank daher nach einiger Zeit wieder in Schweigen; um die Mittagszeit stimmte er sein Gebrüll von neuem an, hatte damit aber ebensowenig Erfolg wie zuvor. Erst als der Abend kam, öffnete man die Thür Hühnerstalles und stellte ihm frei, sich im Hause einzufinden. Er machte ein sehr dummes Gesicht und setzte sich mürrisch und maulend in eine Ecke.
»Nun, Tommy, mein Junge, wieviel Eier hast du heute ausgetrunken?« fragte ihn der alte Rüstig.
»Ich trinke überhaupt keine Eier mehr aus,« antwortete der Knirps.
»Das ist ein sehr vernünftiger Vorsatz,« bemerkte der Vater, »sorge nun auch, daß du danach handelst, sonst könnte es sich ereignen, daß du eines Tages noch weniger zu essen kriegst, als heute.«
»Ich will mein Mittagessen haben,« sagte Tommy finster.
»Davon kann gar keine Rede sein,« entgegnete die Mutter; »Mittagessen und Eier, das wäre wohl für einen Tag zuviel; wenn du weinst, dann sperre ich dich gleich wieder in den Hühnerstall und lasse dich die ganze Nacht darin sitzen; du mußt dich nun hübsch gedulden, bis das Abendbrot auf den Tisch kommt.«
Tommy sah ein, daß ihm nichts anderes übrig blieb, er wartete daher ruhig aber sehr verdrossen, bis das Abendbrot erschien, dann holte er das Versäumte nach Kräften wieder ein. Nachdem abgeräumt war, fuhr Rüstig in seiner Erzählung fort.
»Der Herr in dem Wagen hatte mir mitgeteilt, daß meine Mutter an gebrochenem Herzen gestorben war, weil sie sich um mich, den sie tot glaubte, zu sehr gegrämt hatte. Der Schmerz, den ich bei dieser Nachricht empfand, läßt sich nicht beschreiben. Ich fuhr mit dem Herrn bis in die Nähe der Stadt, dann dankte ich ihm für seine Güte und schickte mich an, den Wagen zu verlassen.
»Noch ein Wort, junger Mann,« sagte jetzt der Herr indem er seine Hand auf meinen Arm legte, »wenn ich mich nicht sehr täusche, dann sind Sie der Sigismund Rüstig, der damals davonlief und zur See ging.«
»Sie täuschen sich nicht, lieber Herr,« antwortete ich, »der bin ich.«
»Nun,« fuhr er fort, »dann hat uns ein wunderbarer Zufall zusammengeführt. Seien Sie übrigens nicht so traurig; als Sie damals durchbrannten, waren Sie jung, unerfahren und thöricht und hatten sicherlich keine Idee davon, daß Ihre Mutter sich dies so sehr zu Herzen nehmen würde. Ihr Davonlaufen hätte die arme Frau auch wohl überstanden, die Nachricht von Ihrem Tode war es, was ihr allen Lebensmut nahm; daran sind Sie ja aber nicht schuld. Sie müssen mit mir kommen, denn ich habe Ihnen eine Eröffnung zu machen.
»Verzeihen Sie, lieber Herr,« entgegnete ich, »aber Sie mir gestatten, zuerst mein ehemaliges Heim aufzusuchen, mit den Nachbarn zu reden und dann meiner Mutter Grab zu sehen. Es ist schon richtig, daß ich nicht die Absicht hatte, meiner Mutter so viele Schmerzen zu verursachen und daß ich an der Nachricht von meinem Tode keine Schuld habe. Aber dennoch muß ich mir sagen, daß sie ohne meine voreilige That heute vielleicht noch am Leben sein würde.«
Ja, lieber Wilhelm, aus kleinen und unscheinbaren Ursachen ist schon oft großes Unheil entstanden, und wenn wir, ehe wir etwas beginnen, immer erst überlegten, wie die Folgen sich gestalten können, dann würden wir alle viel klüger und besser sein.
Der Herr nannte mir seinen Namen und seine Wohnung und ich mußte ihm versprechen, mich am nächsten Morgen bei ihm einzufinden. Darauf suchte ich das Haus auf, in welchem meine Mutter zuletzt gewohnt hatte. Ich wußte ja, daß ich sie dort nicht mehr finden würde, dennoch ging mir ein Stich durchs Herz, als mir fröhliche Stimmen und Gelächter entgegen tönten. Ich schaute hinein, denn die Thür stand offen; in der Ecke, wo meine gute Mutter sonst zu sitzen pflegte, stand eine Mangel, an der zwei Weiber geschäftig bei der Arbeit waren; einige andere standen an einem langen Tisch und plätteten Wäsche; als sie mich gewahr wurden, rief eine mir lachend zu, was ich da hereinzusehen hätte; voll Unwillen und Abscheu wendete ich mich ab und ging in das Nachbarhaus hinein, deren Bewohner mit meiner Mutter stets freundschaftlich verkehrt hatten. Ich fand die Frau daheim, sie erkannte mich aber nicht und ich mußte ihr erst meinen Namen nennen. Sie hatte meine Mutter während ihrer letzten Krankheit und bis zu ihrem Tode gepflegt, ich erfuhr daher von ihr alles, was ich wissen wollte.
Es war eine Erleichterung für mich, als ich vernahm, daß meine arme Mutter auch ohnehin dem Tode verfallen gewesen war, da sie an einem innerlichen unheilbaren Übel gelitten hatte; ihre Gedanken aber waren fast nur mit mir beschäftigt gewesen und das letzte Wort, das über ihre Lippen kam, war mein Name. Die Frau erzählte mir auch, daß der Reeder Sigismund sehr reichlich für meine Mutter gesorgt hatte, so daß sie bis zu ihrem Ende keine Not mehr zu leiden brauchte.
Zuletzt fragte ich die Frau, ob sie mir das Grab meiner Mutter zeigen könnte. Sie setzte den Hut auf, nahm ihr Tuch um und begleitete mich nach dem entfernten Gottesacker; sie wies mir das Grab und ließ mich dann auf meine Bitte allein. Ich setzte mich nieder auf den Rasenhügel und weinte lange und bitterlich.
Als ich endlich den Gottesacker verließ, war es schon Nacht geworden; unwillkürlich lenkte ich meine Schritte wieder dem Häuschen zu, wo die gute Frau wohnte, die meiner Mutter eine so aufopfernde Freundin gewesen war. Ich traf jetzt auch ihren Gatten daheim, und so saßen wir drei noch lange beisammen und redeten von vergangenen Zeiten, und als die braven Leute mir auch noch ein Nachtlager anboten, da nahm ich dies dankbar an.
Am folgenden Morgen suchte ich, meinem Versprechen gemäß, den Herrn auf, der mir so freundlich den Platz auf seinem Wagen angeboten hatte; an seiner Thür war ein blankes Messingschild befestigt und die Schrift auf demselben belehrte mich, daß der Herr ein Advokat war.
Er empfing mich freundlich, hieß mich niedersitzen, verschloß sorgfältig die Thür und legte mir dann eine Menge Fragen vor, um sich zu vergewissern, daß ich auch wirklich Sigismund Rüstig sei; hierauf teilte er mir mit, daß er als Vertrauensmann der Sigismundschen Erben den Nachlaß des verstorbenen Reeders zu regulieren gehabt und dabei ein Papier gefunden habe, das von großer Wichtigkeit sei, insofern, als es den Beweis lieferte, daß die Versicherung des Schiffes, welches außer dem Reeder auch meinem Vater gehört hatte, und das dann verloren ging, nicht nur auf Sigismunds Anteil allein genommen war, sondern auch auf den meines Vaters, und daß Sigismund demnach meine Mutter betrogen habe.
Er hatte das Papier in einem geheimen Schubfach einige Zeit nach Sigismunds Tode gefunden, da jedoch meine Mutter gestorben und auch ich gänzlich verschollen war, so hatte er es für nutzlos gehalten, über diese unangenehme Thatsache ein Wort zu verlieren. Jetzt aber war ich zurückgekehrt, und damit wurde die Sachlage eine andere. Er erbot sich, mit dem Hamburger Magistrat, dem Sigismund all sein Geld zu Gunsten des städtischen Krankenhauses und der Armen hinterlassen hatte, in Verbindung zu treten und mir zu dem Teil der Versicherungssumme zu verhelfen, den Sigismund meiner Mutter vorenthalten hatte.
Die ganze Summe hatte achtzehntausend Thaler betragen, und da ein Drittel des Schiffes Eigentum meines Vaters gewesen so entfielen auf diesen oder dessen Erben sechstausend Thaler, eine Summe, die jedoch während der langen Jahre durch die Zinsen auf über zwölftausend Thaler angewachsen war.
Das war eine gute Nachricht für mich und ich erteilte dem braven Advokaten bereitwillig alle erforderlichen Vollmachten.
Er verhandelte mit dem Magistrat, dieser nahm Einsicht von dem Dokument und ließ mir dann die Summe auf Heller und Pfennig auszahlen. Auf diese Weise wurde mir eine neue Versuchung in den Weg geworfen.«
»Warum nennen Sie dies eine Versuchung, Papa Rüstig?« fragte Wilhelm. »Ich denke doch, daß Sie sich nun recht glücklich preisen konnten.«
»Die Leute, die von der Sache hörten, priesen mich allerdings glücklich, mir aber stieg das Bewußtsein meines plötzlichen Reichtums so in den Kopf, daß ich alle die guten Vorsätze vergaß, die ich auf dem Grabe meiner Mutter gefaßt hatte. Wird dir nun klar, warum ich das Wort »Versuchung« gebrauchte?«
»Freund Rüstig hat recht,« nahm der Vater hier das Wort, »das Glück und die Reichtümer dieser Welt gestalten sich oft zu den größten Versuchungen für die Menschen; das Unglück allein vermag uns zu bessern und wahrhaft zu erheben. Hat nicht Christus schon gesagt, daß eher ein Kamel durch ein Nadelöhr ginge, als daß ein Reicher in das Himmelreich käme? Es ist dies nur ein Gleichnis und der Herr erklärt es selber, wenn er darauf hinweist, wie schwer diejenigen Leute das Himmelreich erlangen würden, die all ihr Sinnen und Trachten, all ihre Hoffnung nur auf die Schätze dieser Welt setzen. Freund Rüstig hatte daher Grund genug, die plötzliche Erlangung einer so großen Summe Geldes eine Versuchung zu nennen, auch hat er uns ja selber gestanden, daß er derselben nicht widerstehen konnte und alle guten Vorsätze darüber vergaß.«
»Sie wissen dergleichen besser zu erklären, als ich,« fuhr der alte Steuermann fort. »Kaum war das Geld in meinen Händen, da begann ich dasselbe auf alle Weise zu verschwenden. Zehn Tage lang führte ich ein tolles Leben, da kam mein alter Freund, der schottische Steuermann, mit einem Schiffe nach Hamburg, recht als ob mir Gott noch einmal einen guten Engel senden wolle. Sobald ich ihm die Wendung in meinen Verhältnissen mitgeteilt hatte, machte er mir ernstliche Vorhaltungen, sagte mir, daß ich nun Gelegenheit habe, ein gemachter Mann zu werden und riet mir, den Anteil an einem Schiffe zu kaufen, unter der Bedingung, daß man mir die Führung desselben überließe.
Der Gedanke gefiel mir ausnehmend; ich sah meine Thorheit ein und versprach, seinem Rat zu folgen; nur eins machte mir noch Bedenken: ich war noch sehr jung, nicht älter als zwanzig Jahre, und das, was mir früher einmal von der nautischen Wissenschaft bekannt gewesen war, hatte ich zum großen Teil wieder vergessen. Als ich Sanders, so hieß der Schotte, dies mitteilte, meinte er, wenn ich ihn als ersten Steuermann an Bord nähme, dann wäre die Schwierigkeit leicht zu überwinden, denn er verstünde sich sehr gut auf die Navigation und ich könnte das Versäumte schon auf der ersten Reise nachholen; auch das leuchtete mir ein.
Zum Glück hatte ich noch nicht mehr als fünf- oder sechshundert Thaler durchgebracht, für eine so kurze Zeit allerdings eine erhebliche Summe. Da ich mich ganz der Leitung Sanders' anvertrauen wollte, so reiste ich mit ihm nach Glasgow, wo er bekannt war und auch bald ein Schiff aufstöberte, das zwar noch auf der Helling stand, aber doch bereits aus allerlei Gründen verkauft werden sollte. Er zog Erkundigungen ein, erforschte die Firma, die wegen des Kaufes Verhandlungen angeknüpft hatte, und machte derselben den Vorschlag, mir den vierten Teil des Schiffes als Anteil zu überlassen und mich zugleich als Kapitän desselben anzustellen.
Diese Fürsprache des hier in seiner Heimat allgemein geachteten Sanders verfehlte ihre Wirkung nicht; die Firma wünschte mich kennen zu lernen, wir wurden bald handelseinig und schlossen den Vertrag ab. Ich erlegte meine zwölftausend Thaler für meinen Anteil, und da das Schiff inzwischen vom Stapel gelaufen war, machte ich mich eifrig an die Ausrüstung desselben, wobei mir Sanders, als mein erster Steuermann, mit Rat und That zur Hand ging.
Das Schiff wurde für die Fahrt nach Westindien bestimmt. Mit dem Gelde, das ich noch übrig hatte, kaufte ich nautische Instrumente, vor allem aber sorgte ich für eine möglichst glänzende Ausstattung meiner eigenen Persönlichkeit.
Obgleich Sanders mir unaufhörlich Vernunft predigte, so erfüllte mich doch das Bewußtsein, jetzt der Kapitän meines eigenen Schiffs zu sein, mit einem übermäßigen und geradezu lächerlichen Stolz; freilich war der Sprung von einem Kriegsschiffsmatrosen zu meiner neuen Würde auch ein gewaltiger.
Ich ließ mir Kleider nach der neuesten Mode anfertigen, trug feine, weiße Hemden und steckte goldene Ringe an meine plumpen Finger; ja, ich zog sogar Handschuhe an und versuchte meine Hände schön weiß und weich und geschmeidig zu machen. Denn als Kapitän und Teilhaber eines schönen Schiffes war ich immerhin ein Mann von Bedeutung, und oft wurde ich auch von anderen Schiffseigentümern zu Tische geladen. Auch war mein Einkommen völlig ausreichend; mein Kapitänsgehalt betrug zehn Pfund Sterling monatlich, dazu kam die Aussicht auf den Ertrag meiner persönlichen Handelsunternehmungen und auf den vierten Teil des Verdienstes, den das Schiff einbringen würde.
Diese Zeit kann als die günstigste meines Erdendaseins betrachtet werden, deshalb will ich heute abend damit schließen; nur erwähnen will ich noch, daß die Herrlichkeit nicht lange gedauert hat.«