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Als die kultiviertesten Wagnerianer zählt der Biograph Chamberlain folgende sieben Männer auf: Wolzogen, Stein, Baudelaire, Gobineau, Nietzsche, Liszt und den König.
Von diesen blieb der König zumindest ohne persönliche Leistung, Nietzsche fiel ab, Stein und Wolzogen drangen nicht über den Wagner-Kreis. Die drei Genialen aber sind keine Deutschen.
Wagners literarische Apostel in den ersten zwanzig Jahren sind außer dem Ungarn Liszt die Franzosen Baudelaire, Champfleury und der Italiener Gasperini. An Villot richtete Wagner die »Zukunftsmusik«, weil er einer seiner besten Kenner sei. Zu seinen Anbetern gehörten ferner Barbey d'Aurevilly, Théophile Gautier, Catulles Mendès, Peladan und Battaille.
Wie viele Deutsche gleichen Ranges sind daneben zu nennen? Für Bayreuth nahmen der Sultan und der Khedive von Ägypten Patronatsscheine, dieser zahlte zehntausend Mark. Wie viele Deutsche haben das getan? Lohengrin erregte in Bologna größere Wirkung als in Leipzig und Berlin, Wagner wurde dort Ehrenbürger. Kaiser Napoleon ließ Tannhäuser in der Großen Oper aufführen, zwei Jahre später lehnte der Berliner Intendant noch ab Wagner zu empfangen. Trotz des Skandales begeisterte sich Wagner für das Pariser Publikum: »Ich erkläre es laut, daß so wohl es mir nie geworden, und in Deutschland gewiß auch nie wieder werden wird.« In Boston und anderen Städten Nordamerikas gab man »Wagner-nights«, zwanzig Jahre vor dem ersten deutschen Wagner-Konzert.
Und so fragt sich Wagner im Jahre 1871 »im großen Heimatlande des Ernstes und der Gediegenheit« nachdenklich: »Was ist Deutsch?«
Als er, nach der Amnestie, Deutschland nach elf Jahren zum ersten Male betritt, schreibt er: »Auch muß ich gestehen, daß mein Wiederbetreten des deutschen Bodens auf mich nicht den mindesten Eindruck gemacht hat, höchstens daß ich mich über die Albernheit und Ungezogenheit der Sprache um mich herum verwunderte.« Und er fügt skeptisch hinzu: »Glaube mir, wir haben kein Vaterland! Und wenn ich ›deutsch‹ bin, so trage ich sicher mein Vaterland in mir.«
Oben wurde geschildert, wie er Rienzi, ganz nach Wunsch, deutsch oder französisch dichten wollte. Als sich später seine Hoffnungen auf die Pariser Oper für Rienzi nicht erfüllen, sendet er das Werk an das neue Dresdner Opernhaus, nebst Eingaben an den König und mehreren Briefen, darunter an den Intendanten »mit dem Hinweise darauf, daß gerade dieses Werk eines Sachsen, der sich redlich bemühte, seine besten und gereiftesten Kräfte seinem Vaterlande zu widmen, im Repertoire nicht unpassend einen schmeichelhaften Platz unter den Werken einnehmen würde, die bestimmt sein werden ,…« Wagner als Sachse.
Die Wagnerianer führen für sein Deutschtum gern die Stelle an: wie er das »Kunstwerk der Zukunft« mit der Erzählung von Wieland dem Schmied schließt und dann ausruft: »O einziges herrliches Volk! Das hast du gedichtet und du selbst bist dieser Wieland! Schmiede deine Flügel und schwinge dich auf!« Was sie nicht mitteilen, ist, daß er zehn Wochen später beschließt, denselben Wieland für die Pariser Oper zu schreiben, und den französischen Dichter Gustave Vaez auffordert, den Text für ihn französisch umzuarbeiten, damit er dann danach die Musik machen könne!
Ist Wagners Antisemitismus ein Zeichen für sein Deutschtum? War jener Aufsatz über das Judentum in der Musik nicht nur eine neue Waffe gegen Meyerbeer? Chamberlain sagt: »Die Juden selber mit ihrer scharfsinnigen Begabung gehörten fast überall zu den Ersten, welche Wagners ungeheure künstlerische Bedeutung errieten ,…
Andrerseits hat Wagner den Verkehr und die Freundschaft der Juden nie gemieden. Geht man der Sache auf den Grund, so entdeckt man, daß diese ganze Hetze gegen Wagner nur bei den schlechteren Elementen des eigentlichen Judentums Unterstützung fand und in Wahrheit nichts anderes als eine Verschwörung der talentlosen und mittelmäßigen jeglicher Konfession gegen das Genie war.« Übrigens waren seine bedeutendsten Feinde Christen (Hanslick, Lübcke u. a.).
Hundertmal hat Wagner betont, er wolle durchaus kein nationales Werk schaffen, er tadelte ja an den griechischen Dramen grade das Nationale. Es sollte vielmehr »den Geist der freien Menschheit über alle Schranken der Nationalität hinaus umfassen.« In das germanische Kostüm brachte er seine Gestalten nach seinen Worten nur, um sich irgendwie zu orientieren. Nicht deutsch, – »reinmenschlich« wollte er schaffen und verstanden sein.
Wagners internationale Wirkung war also eine Folge seiner eigenen Absichten, und nicht umsonst ist Bayreuth von Ausländern erfüllt. Dies zu erörtern läge kein Anlaß vor, wenn nicht die Wagnerianer das Gegenteil proklamierten.
Kleine Zeichen für ein großes Faktum. In Wagner den typisch deutschen Künstler zu feiern, ist wahrhaft ergreifend, denn ein Hans Sachs steht gegen fünfzig andre Gestalten. Ist es nun wirklich das Rein-Menschliche, was draußen stärker wirkt als bei uns? Ist es nicht vielmehr das Exotische?
Wir haben diese Frage mit Bewußtsein nicht in die Mitte gerückt, weil sie zwar über den Fall Deutschland manches, über den Fall Wagner im Grunde nichts entscheidet. Aus den gesamten vorangehenden Betrachtungen geht die Antwort hervor. Und sie wird handgreiflich, wenn man Wagner neben rein deutschen Musikern hört, neben Bach, Weber, Schubert, Brahms. Nietzsche hat das in drastische Verse gebracht. Es wäre boshaft, sie hier zu zitieren.