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Privata

Wagner war immer gesellig. So sehr seine Nervosität an einem neutralen Verkehr mit anonymen Menschen ihn hinderte, so durchaus brauchte er Mitteilung vor, während und nach der Arbeit. Ist sie beendet, so hat sie einzig Wert durch Darstellung. Ist sie noch nicht begonnen, erst geplant, gleich teilt er sie den Freunden, teilt sie sogar der Öffentlichkeit mit. In einer Broschüre (»Eine Mitteilung an meine Freunde«) kündigt er, geschickt verschleiert und zur Neugierde stachelnd, den Ring an, den er nun beginnen will und schließt: »Nur mit meinem Werke seht ihr mich wieder.« Sie sahen ihn ohne sein Werk wieder, nach vielen Jahren.

Noch ehe er zum Tristan eine Zeile gedichtet, so wird verschiedenen Freunden mitgeteilt: »Ich habe den Plan gefaßt, Tristan in geringen, die Aufführung erleichternden Dimensionen sofort auszuführen und heute übers Jahr mit Niemann und der Meyer in Straßburg aufzuführen.« Dasselbe schreibt er nach Karlsruhe, worauf Devrient nach Zürich kommt, Rücksprache zu nehmen und dann Näheres mit dem Großherzog zu vereinbaren. Einen Tag nach diesem Besuche schreibt Wagner dem Freunde Ritter: »Noch schläft das Gedicht in mir. Ich gehe mit Nächstem daran, es zum Leben zu rufen.«

Nie liest man, Wagner habe sich dauernd zurückgezogen, er sei verschwunden (Tristan immer ausgenommen). Wohin er geht, um »einsam« zu arbeiten, dort sucht er Kreis, Echo, Jünger. Als der Ring gedichtet ist, druckt er ihn, sogleich, gegen seine Theorie, zunächst privatim für die Freunde, zwanzig Jahre vor Beendigung der Komposition: »Es ist mir, als könnte ich's solange nicht aushalten, die Dichtung unmitgeteilt zu wissen.«

Immer Schauspieler, braucht er immer Publikum, sogar während der Arbeit. »Was er am Vormittag komponierte« – schreibt Mathilde in den Erinnerungen – »pflegte er am Nachmittage auf meinem Flügel vorzutragen und zu prüfen.« Trotzdem schickt er schon während der Arbeit Zettel herüber. Er kann nicht anders.

Wagner hat nie in seinem Leben einen wahrhaft kritischen Geist gesucht oder nur geduldet. Es existiert kein Dokument, daß er je Widerspruch von bedeutender Seite erfahren. Nietzsche, dessen Geist er überragen fühlte, stürzt, als er kritisch wird, in Wagners Abgrund. Und doch bezeichnen noch heute die Wagnerianer seine Jugendschrift »Richard Wagner in Bayreuth« als das beste, was je über ihn geschrieben worden. Man staunt doppelt, wenn man die gute, aber vorsichtig tastende Schrift liest und bedenkt, wie sehr derselbe Nietzsche vierzehn Jahre später durch seine hinreißenden Aufsätze Wagner geschadet hat. Allerdings wird von jener Seite jede Möglichkeit einer kritischen Beeinflussung des Meisters geleugnet. Chamberlain sagt wörtlich, Wagner »konnte nicht anders, als gänzlich einsam dastehen; selbst ein Goethe und ein Schiller hätten ihm nicht raten, sondern nur das vollendete Werk bewundern können«.

Der einzige Mensch, der es wagen konnte, ihm Dissonanzen, wenigstens des Lebens, vorzuhalten, war eben Mathilde. Aber ihr Einfluß war geschwunden, als eine schwindende Neigung die Kritik in ihr befreite.

Darum findet man in diesem Künstler stets Zufriedenheit mit seinem Werke. Zwar hat er eine gewisse Art, vor sich selbst ein Werk durch das andere zu verdrängen – Tristan bildet auch hier die einzige Ausnahme. Das Blut des Reformators zwingt ihn dazu.

Aber niemals hört man ihn später ein früheres Werk oder ein Stück davon tadeln, nur den Standpunkt, auf dem er damals gestanden hätte. Vor der Arbeit freut er sich stets »gewaltig«, ist immer entzückt vom Stoffe und stets voll neuer Pläne. Das ist Schwung. Während und nach der Arbeit ist er durchdrungen von deren vollendeter Gestaltung. Das ist Natur. Aber niemals überfällt ihn jene mystische Bescheidenheit, der dunkle Druck, den große Künstler nach dem Gelingen spüren.

Diese Kritiklosigkeit als Künstler ist das Korrelat seiner Vitalität. Beispiele: Über Brünhilde: »Nie ist dem Weibe eine solche Verherrlichung widerfahren!« An Schnorr von Karolsfeld, im voraus: »Sollte die Frucht (der Ring) reifen, deren Tiefe und Schönheit alles überragen müßte, was je Nationen zu ihrem Ruhme geschaffen ,…« In öffentlicher Broschüre: »Den Charakter und die Situation des Lohengrin erkenne ich jetzt in klarster Überzeugung als den Typus des eigentlichen, einzig tragischen Stoffes überhaupt der Dramatik des Lebenselementes der modernen Gegenwart, und zwar von gleicher Bedeutung für die Gegenwart wie die Antigone ,… für das griechische Altertum es war.«

Oder: es gab »nie einen Menschen, der in meinem Sinne Dichter und Musiker zugleich war und dem deshalb eine Einsicht in innere Vorgänge möglich würde, wie von keinem anderen zu erwarten sein könne«. Oder, auf Parsifal, im Jahre 65: »Die Zeit ist da, die größten, vollendetsten Werke werden nun erst geschaffen.«

Dies ist Wagners Ansicht über Wagner.


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