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Versöhnung

Aber zuweilen springt doch der Genius über die Gitter, die er selbst klug zog. Dichter und Musiker versöhnen sich dann und suchen ein Vollkommenes zu wirken, das einsam aus dem Unvollkommenen ragt. Das sind die Ausnahmen.

Walküre, Anfang. Hier ist die ganze Stimmung in Dichtung und Musik gleich außerordentlich: Trauer, die über Sieglinde, die über Siegmund liegt, Knappheit und Bangigkeit, in der sie beide in Hundings Hause reden. Dann plötzlich der große Einsatz in F-moll: »Ein Schwert verhieß mir der Vater«, bis bald wieder die Schwüle des Liebesduetts hereinströmt.

Oder Siegfried, Dritter Akt:

»Heil dir, Sonne, Heil dir, Licht!
Heil dir, leuchtender Tag! ,…«

Und weiter: »O Heil der Mutter, die dich gebar!« Wie ein Schuppenpanzer liegt da die Musik um die Dichtung, hebt und senkt sich mit ihr wie Brünnhildes Brünne mit dem Atem. Ebenso in dem (melodisch nur abgewandelten) zweiten Duett »Zu neuen Taten, kühner Heide«, und Siegfrieds späteren Zeilen nach denselben Harmonien: »Vergäß ich alles, was du mir gabst.«

Aber am reinsten hob sich Wagners Genius, als er, der Edda nachbildend, die hellen Gestalten einmal zusammenführte: Siegfried und die Rheintöchter. Hier ereignet sich das Außerordentliche: Wagner wird anmutig, ohne süß, pathetisch, ohne krampfhaft zu werden. Wie die Mädchen, umspielt von ihren grün-goldenen Melodien, den Ring der Nibelungen für ein Stück Wild haben wollen; wie er erwidert:

»Verzehrt ich an Euch mein Gut,
Des zürnte mir wohl mein Weib.«

Dann:

»Sie ist wohl schlimm?
Sie schlägt dich wohl?«

Und der entzückend rauschende Schluß:

»So schön! So stark! So begehrenswert!
Nur schade, daß er geizig ist!«

Dann wieder Siegfried:

»Laß ich mich schmähen?
Kämen sie wieder zu Wassers Rand,
Den Ring könnten sie haben!«

Da tauchen sie plötzlich feierlich auf: »Siegfried! Schlimmes wissen wir dir!« Wie hier plötzlich der Sinn der Sage, die Reinheit des Helden, die mythische Weisheit aufklingt im Munde der Mädchen; wie er selbst sich überspannt: Notung würde das böse Nornenseil zerhauen; wie er es wendet:

»Der Welt Erbe gewänn mir ein Ring?
Für der Minne Kunst miß ich ihn gern,
Ich gäb ihn euch, gönnt ihr mir Lust.
Doch bedroht ihr mir Leben und Leib ,…,
Den Reif gewinnt Ihr mir nicht!«

Dann singen sie in ein paar Zeilen das ganze tragische Geschehnis, das hätte zur dramatischen Anschauung kommen sollen:

»Eide schwor er und achtet sie nicht,
Runen weiß er und rät sie nicht ,…
Nur den Ring, der zum Tod ihm taugt,
Den Reif nur will er sich wahren!«

Er aber spielt ganz leicht ins Tägliche zurück:

»Im Wasser und am Lande
Lernt ich nun Weiber Art ,…
Und doch,
Trüg ich nicht Gutrune Treu,
Der zieren Frauen eine
Hätt' ich mir frisch gezähmt!«

Man mag im Umkreise seiner Werke noch einmal eine solche Szene suchen: wo sich das Tragische, sonst meist mit dem Überlebensgroßen verwechselt, leicht umkräuselt, versteckt in Helle, mit den reinsten Harmonieen hervorwagt, auf und nieder zu tauchen. Dies einzig ist die Stelle, wo Wagner, der Schwüle, klar, der Schwere leicht, der Zuckende spielend sich meistert.

Und man nimmt einen ganzen Parsifal für diese eine Szene in den Kauf.


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