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Sturz Zions

Auch die sonntags in den Kirchenstühlen
durch Gebet verbundene Gemeinde
darf den Seelenfrieden nicht mehr fühlen,
ihren Himmel ohne Haß und Feinde.
Mag die Orgel noch so tröstlich tönen,
mild die Farbigkeit der Fenster strahlen,
nicht mehr kann die Macht des Heilig-Schönen
hilfreich musizieren oder malen.

Jeder lauscht verstohlen den Gewittern
der Vernichtung, fürchtet sich, zu sterben
und im nächsten Augenblicke splittern
die bemalten Scheiben wohl zu Scherben,
bleibt nichts mehr von den geweihten Dingen.
Um die Eintracht, die sie jetzt noch glauben,
wenn sie ihre frommen Chöre singen,
wird der Zwang zum Kampf sie bald berauben.

Ihre sichre Arche kommt ins Schwanken,
daß die Friedensengel ängstlich flattern,
der Apostel Piedestale wanken,
wenn die irdischen Geschütze knattern,
steht das Allerheiligste in Flammen,
Staub und Asche werden die Altäre,
und die hohe Kuppel bricht zusammen,
als ob Gott sein Haus zuwider wäre.

Lang schon sind die Glocken stumm geworden,
glänzt der Kerzen Licht nicht mehr nach außen,
wollten vor dem großen Menschenmorden,
unverständig täuschend gleich den Straußen,
Flüchtlinge im Weihrauch sich verstecken,
aber alle Sicherheiten schwinden,
und es dürfen vor dem letzten Schrecken
auch die Frommen kein Refugium finden.

Umgeschmolzen werden die Monstranzen
gotteslästerlich zu Mörderwaffen,
Kanzeln wandeln schändlich sich zu Schanzen,
nichts mehr hat sein Kreuz mit Christ zu schaffen.
In die Abendandacht donnern Bomben,
ungehört die Kinder Gottes klagen,
bis die letzten in den Katakomben
irr vor Angst einander selbst erschlagen.


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