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Ich lese Shakespeare

Ich lese Shakespeare, den ich nie recht schätzte,
obwohl ihn mancher Kenner mir empfahl,
in Englisch les' ich jetzt, was Falstaff schwätzte
und Kätchen und ihr tobender Gemahl,
in diesen sonderbar gestimmten Nächten
im Kriegszeit-London lese ich mir laut
die blutgen Gräuel von vergangnen Mächten,
um die der Nebel dieses Landes braut,
und spüre selbst, daß ich den Klang verfehle,
(ach, Englisch recht zu reden lern' ich nie!)
die falschen Töne kratzen meine Kehle,
ich sehne mich nach deutscher Poesie,
und scheltet ihr mich einen frechen Flegel –
viel echter mir der übersetzte scheint,
wenn Shakespeare durch die Mittler Tieck und Schlegel
in unsrer Sprache prahlt und spaßt und weint.
Doch, da ich auf dem Englischen bestehe,
hat er mit Prospero mein Herz behext,
daß ich am Ende schmecke, höre, sehe
die eigne Blume auch im Ursprungs-Text;
im Dunkel der Jahrhunderte verschwunden,
halt ich nun schattenhaft mit Schatten Rat
in diesen nächtlich sonderbaren Stunden,
die knistern von verborgner Uebeltat.
In fremder Sprache fremden Tod beschwörend,
dem Fluch der Gegenwart so fern, so nah,
und zu den Toten selber schon gehörend
als einer, der die Gräber offen sah,
bin ich von Shakespeare wunderlich gefangen
und wider meinen Willen ihm verstrickt,
bereit, zu jenem Gleichmut zu gelangen,
wo man, wie er, gefaßt ins Leere blickt.


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