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Spätes Liebeslied

Dich zu kennen! Was Dein Bildnis gibt,
ist ein schwaches, wandelbares Spiel:
jeder sieht Dich anders, der Dich liebt.
Wenig gab ich Dir, Du gibst mir viel.
Dich zu nennen! Was Dein Name hält,
ist ein blasser, flüchtiger Begriff,
wie ein Stern, der schon ins Nachtmeer fällt,
fern dem Winternebel um mein Schiff.
Dich zu suchen! Was Dein Traum verheißt,
ist ein Glück, das kein Verdacht uns nimmt.
Wenn die Unrast früh Dich von mir reißt
und der Morgen schon verloren schwimmt,
wag' ich kaum zu glauben, daß die Not
einst wird überstanden sein und leicht,
daß die Hand, die heut mir Bittres bot,
dann die süße Frucht der Güte reicht.
Dir zu fluchen, wenn nicht schnell genug
Wunsch und Wollust sich durch Dich erfüllt,
ist der Husch von einem Schwalbenflug,
der die Sonne nur im Nu verhüllt
und verschwunden ist wie nie geschehn –
oder ob ihn nur mein Schreck erfand?
Wenn wir tief uns in die Augen sehn,
faßt von selbst sich kindlich Hand und Hand,
Dich zu halten, daß Du nie vergehst,
mich zu halten, daß Du stets mich fühlst.
Wenn im letzten Hauch Du einst verwehst,
schattenhaft mir noch im Haare wühlst,
sanft im Reigen wolkenblassen Scheins,
schattenhaft ich streife an Dein Haar:
Was wir lebten, war doch immer eins,
Leid und Angst und Spiele, wunderbar!


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