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Zürcher Verzauberung

Man hatte gern im alten Schrank gesessen,
den Eingebornen freundlich zugesehn,
was dort der Brauch, getrunken und gegessen,
ihr Kartenspiel getrachtet zu verstehn
und hatten laut zu singen sie begonnen,
wohlwollend dem uns fremden Klang gelauscht;
die Zeit war schließlich ohne Arg verronnen,
man selber ohne Bitternis berauscht.

Erst spät war man zum Abschied zu bewegen;
der Wirt kam selbst mit uns vors Tor hinaus,
verhieß für morgen Sonne oder Regen,
pfiff seinem Hunde und verschloß das Haus.
Ich blieb noch auf der Rundbank bei der Linde,
es duftete, ein Brunnen ruhig rann,
die Sterne zitterten im Sommerwinde,
ein Mondstrahl sich von Dach zu Dache spann.

Vom Kirchturm klang getrost die Stundenglocke,
du hattest dich an meine Brust gelehnt
und hinterm Fenster mit dem Blumenstocke
das Giebelstübchen dir als Heim ersehnt.
Wir machten noch viel andre Märchenpläne
beim Abstieg durch der Gassen schmalen Paß;
an der Schiffslände schlummerten die Schwäne,
der See lag friedlich atmend, zart und blaß.

Von ihm vermochten wir uns nicht zu trennen,
die Weile schien zur Ewigkeit bereit:
fern war der Bergwall spärlich zu erkennen,
da wünschten wir uns schmerzlos eingeschneit,
bis einstens bessre Zeiten uns erwecken
und wir als einen wohlbewahrten Schatz
die alten Traulichkeiten neu entdecken,
den Brunnen und sein Lied am Lindenplatz.


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