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Wie lange noch?
(Internierung)

Ich sage mir von einem Tag zum andern:
«Dies ist der letzte, der es mir erlaubt,
noch einmal ungestört im Park zu wandern»,
und habe doch nie recht daran geglaubt,
daß die Minute einmal wahr sein könnte,
da mich das bißchen Sicherheit verließ,
der schwache Schutz, den mir die Welt noch gönnte,
bevor sie mich ins Ungewisse wies.
Als hätte ich mich frevelhaft vergangen,
bin, ohne Schuld, ich peinlich im Verdacht,
vielleicht im nächsten Augenblick gefangen
und um den Schein an Freiheit noch gebracht,
der Freiheit, derentwegen ich entsagte
und mich der heimatlichen Hut entschlug,
die Flucht in das mir Unbekannte wagte,
der Fremde Unzulänglichkeit ertrug,
um hier nun, in der Freiheit Mutterlande,
in dem ich mich in Freundesland gemeint,
zu meiner und der ganzen Menschheit Schande
mißtrauisch gleichgesetzt zu sein dem Feind.
Wie bitter fühlt die Hoffnung sich betrogen!
Die Seele, leicht verletzbar, faßt es nicht,
daß man ihr plötzlich das Vertraun entzogen,
den Gottesfrieden ungekündigt bricht.
In Acht getan von jedem Menschenbunde,
von denen auch, die meine Sehnsucht liebt,
frag' ich mich von Sekunde zu Sekunde:
«Ist dies die letzte, die mir Atem gibt?»


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