Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Das Jahrhundert ist älter geworden: die Wässer der Sturmfluth sind abgeflossen und die alten Kennungen wieder zu Tage gekommen; die Dynastien, welche Napoleon ins Daseyn rief, sind in Staub gesunken; der Pflug ist über das Feld von Waterloo gegangen, und Herbst nach Herbst schimmerte die Erndte über diesem Grabe eines Reiches. Ueber den unermeßlichen Ocean des allgemeinen Wechsels blicken wir zurück auf die einzelne Furche, die unser gebrechliches Boot über die Wasserwüste gezogen hat. Wie ein Stern gleichmäßig auf den ganzen grenzenlosen Plan niederglänzt, ob er gleich Jedes Auge nur eine einzige gebrochene Linie zu vergolden scheint: so fällt auch, wenn wir auf die Vergangenheit zurückschauen, das Licht nicht auf den ganzen weiten Raum, wo Völker kämpften und Flotten versanken, sondern es erleuchtet nur den kleinen Pfad, den wir verfolgt haben: Wir schauen aus dem gebrechlichen Boote, das uns trägt, und sehen nur die Strahlen sich auf den wenigen Wellen spiegeln, die dessen Ziel trennt.
Auf der Terrasse in Laughton vernimmt man nur einen einsamen Schritt. Die Gattin stützt sich nicht mehr auf den Arm des Gatten. Obgleich bleich und angegriffen, ist es doch noch immer dasselbe sanfte Gesicht; aber das Erröthen des liebenden Weibes ist für immer daraus verschwunden.
Charles Vernon – um ihm den Namen zu lassen, unter dem er uns am besten bekannt ist – ruht in der Gruft der St. Johns. Er hatte länger gelebt, als er erwartet, länger, als sein Arzt gehofft hatte – und glücklich und zufrieden in ruhigem und unschuldigem Genuß gelebt. Drei Söhne hatten sein Haus gesegnet, um an seinem Grabe zu trauern. Aber die beiden älteren waren zärtlich und kränklich. Sie überlebten ihn nicht lange und starben beide in einem Jahre. Der dritte schien aus einem andern Stoff als seine Brüder gebildet zu seyn. Er sollte den alten Edelsitz Laughton erben und gab Hoffnung, sich lange seines Besitzes zu erfreuen.
Vernon's Wittwe ist es, die wir einsam auf der Terrasse wandeln sehen; immer noch bekümmert, denn sie liebte mit Inbrunst den Erwählten ihrer Jugend, und noch vermißt sie die Kinder, die ihr der Tod geraubt; von Vernons Todestage an trauerte sie äußerlich und im Herzen, und die Prüfungen, die später kamen, brachen das zerknickte Rohr noch mehr; – noch bekümmert, aber resignirt. Ein Sohn lebt noch, und die Erde hat für sie noch die unruhigen Hoffnungen und Aengste der Liebe. Und ist dieser Sohn auch fern in scherzender Freude oder ernstem Wirken für seine Bestimmung als Mensch, so wandelt sie doch weniger einsam, als es scheint. Wann wandelte des Sohnes Bild nicht neben der Mutter? Ob sie auch in Zurückgezogenheit lebt, ob die heitere Welt sie auch nicht mehr lockt, so lebt doch die heitere Welt in ihren Gedanken. Aus der Ferne hört sie ihr Geräusch und ihre Harmonien. In der Einbildung mischt sie sich noch unter das Gewühl und verfolgt Einen, der in ihren Augen alle Anderen überstrahlt. Nie eitel in Bezug auf sich, ist sie es jetzt auf einen Andern; und die kleinen Triumphe des Jünglings gelten in den von Liebe getäuschten Augen als Ruhmestrophäen.
In dem altmodischen Städtchen regt sich immer noch geschäftiges Leben; immer noch am Haupttage der Woche, öffnet und schließt sich jede Minute die Thür des Bankiers, aber die Namen auf dem Schilde haben sich zum Theil verändert. Der jüngere Associé sitzt nicht mehr beschäftigt am Pulte; er ist nicht ganz vergessen – wenn man seinen Namen nennt, so geschieht es nicht mit Dankbarkeit und Lob. Ein Etwas haftet an seinem Namen – das Etwas, welches befleckt und schändet – nicht erwiesen, nicht gewiß, aber geargwöhnt und möglich. Man schüttelt den Kopf, man flüstert – und der Attorney wohnt in dem stattlichen rothen Hause am äußersten Ende der Stadt.
Auch im Pfarrhaus ist die Zeit nicht müßig gewesen. Immer noch über griechischen Schriftstellern brütend, wenig verändert, nur daß sein Haar grau ist und einige Furchen auf seinem freundlichen Gesicht die Hand des Kummers und der Jahre verrathen, sitzt der Pfarrer in seiner Stube, aber zwischen den raschelnden Spalieren springen keine Kinder mit heller Stimme und rothen Wangen mehr herum. Diese Kinder, jetzt ernste Männer oder gesetzte Matronen (außer einer, die der Tod sich auserlas, und daher jetzt von Allen die geliebteste,) stehen auf ihren Posten in der Welt. Die Jungen sind aus dem Neste geflogen und suchen jetzt selbst, hier und dort, Futter für ihre Jungen. Aber die helle Stimme und die Rosenwange des Kindes ist nicht dasjenige, was der häusliche Herd am meisten vermißt. Von der Kindheit bis zur Reife, und von der Reife bis zu dem Tage des Abschiedes treten die Veränderungen allmälig und nicht unvorbereitet ein. Was am meisten vermißt wird, ist jene häusliche Hand, die Alles leitete und in Ordnung hielt. Diese Vorsehung in Kleinigkeiten dieses Verbindungsglied zwischen kleinen Interessen, dieses liebe, rührige Wesen, bald zufrieden, bald klagend – auf gleiche Weise geliebt in jeder seiner Launen; diese thätige Gestalt, die kein eigenes Ich hat; – aber wie der Geist eines Dichters, obgleich sie in bescheidenster Prosa lebt, Anderen ein Ich einhaucht; diese Gestalt mit ihrem Privilegium, zu schelten und zu schmälen; – denn das Motiv ist klar: sie liebt mit zu großer Innigkeit. Die Zimmerthür ist offen, der Weg im Gatten geht immer noch vor der Schwelle vorbei; aber kein Schritt ist mehr vollberechtigt, an der Thür stehen zu bleiben und das ernste Nachdenken über griechische Autoren zu stören; – kein Geplauder über Wirthschaftssorgen und Ersparnisse darf in den Zorn der Medea hineinklingen. Dies Prototyp der Häuslichkeit ist aus dem Hause verschwunden; und vielleicht, wenn der gute Gelehrte abgespannt sich unterbricht und in den stummen Garten hinaussieht, gäbe er mit Freuden Alles, was Athen von Aeschylus bis Plato hervorgebracht hat, hin, wenn er von den alten lieben Lippen wieder Klagen über zerrissene Jacken und statistische Notizen über Eier hören könnte!
Aber wenn die Gattin auch todt ist und die Kinder in der Fremde sind, so ist des Pfarrers Haus doch nicht ganz verödet. Seht, dort auf demselben Pfade, wo William Susannens Furcht beschwichtigte und ihr Jawort erlangte – welche Fee wandelt dort? Ist es Susanna selbst, wieder in ihrer jugendlichen Gestalt? Wie ähnlich! – Doch, seht näher hin, und wie unähnlich! Derselbe reine, offene Blick – dasselbe klare, helle Blau des Auges, dasselbe Blond des Haares – hell, nicht braun – gedämpfter, harmonischer als diese zweideutige Farbe, die sich zu sehr dem Roth nähert. Aber wie viel blühender und heiterer als bei Susannen ist dies herrliche Gesicht, auf dem Hebe's Götterlächeln glänzt – wie viel schwebender und elastischer der Tritt – wie viel runder, wenn auch noch zarter, diese schwellenden Formen! Sie lächelt– ihre Lippen bewegen sich – sie spricht mit sich selbst – sie kann nie ganz still seyn, selbst wenn sie allein ist, denn die sonnige Heiterkeit ihres Gemüths muß sich, wie die eines Vogels, Luft machen. Aber glaubt nicht, daß diese Heiterkeit eine Folge von Gedankenlosigkeit ist; sie entsteht mehr aus Gedankentiefe, wie die Musik der See von ihrer Tiefe herrührt. Seht, wie sie stillsteht und lauscht, den Finger halb an den Mund gehoben, als jetzt durch das sorglos fröhliche Konzert der Vögel ein ernsterer und gehaltener Ton klingt: die Nachtigall singt bei Tage – wie es manchmal, aber nur selten geschieht, vielleicht weil sie die Genossin beklagt, oder aus ihrem schattigen Versteck einen Feind ihres Geschlechts schleichen sieht; – seht, wie jetzt bei dem leise klagenden Wirbel das Lächeln so schnell verschwindet, und ein gedankenvoller Schatten sich über ihre Stirn stiehlt. Bloß die mystische Sympathie mit der Natur kann dies Lächeln oder diesen Schatten des Ernstes hervorrufen. In diesem leichtbewegten Herzen wohnt das feine Gefühl des Dichters; die ausnehmende Empfindlichkeit der Nerven gibt solchen Gemüthern ihr frohes Leben, und aus der Klarheit der Atmosphäre kommt, wärmend und dem Aether verwandt, der Strahl dieses Lichts.
Und ist das Pfarrhaus jetzt Helene Mainwarings Vaterhaus geworden? Hat der Tod ihr ihre natürlichen Beschützer geraubt? Hat sich über diesen Gestalten, die wir so jugendfrisch und jugendfröhlich auf derselben Stelle sahen, schon das Grab geschlossen? Schon! – Wie wenige erreichen das Alter des Psalmisten! Siebenundzwanzig Jahre sind seit jenem Tage vergangen – wie oft haben sich in dieser Zeit die dunkeln Pforten vor Alt und Jung aufgethan! William Mainwaring starb zuerst, von Kummer zernagt und von Schande gebeugt; der Flecken auf seinem Namen hatte ihm das Herz vergiftet. Susanne hatte so lange er lebte durch die starke Kraft der Liebe und des Willens sich aufrecht erhalten; sie wollte nicht sterben, denn wer sollte ihn dann trösten? Aber mit seinem Tode brach ihre Kraft zusammen. Sie siechte noch drei Jahre lang hin; dann lächelte sie, das erste Mal nach Williams Tode – und das Lächeln blieb auf dem Antlitz der Leiche. Viele Prüfungen hatte dieses junge Paar, das wir so glücklich verlassen, erlebt! Erst spät in ihrer Ehe wurde ihnen ein süßer Trost geboren. Er kam in der Zeit der Armuth, der Schmach und der Trübsal; und Mainwarings Stirn glänzte nicht vor stolzer Freude, als sie ihm seinen Erstgeborenen in die Arme legten. In ihrem Testament stellte die Wittwe Helenen unter die Vormundschaft Mr. Fieldens und ihrer Schwester: aber die letztere war im Auslande, ihre Adresse unbekannt und der Pfarrer hatte zwei Jahre lang die Waise unter seiner alleinigen Obhut. Sie war nicht ganz ohne Vermögen. Was Susanne ihrem Gatten eingebracht hatte, war allerdings längst verschwunden – verloren gegangen bei dem Schlage, der William Mainwarings Namen und Zukunft vernichtet hatte – aber Helenens Großvater, der Landvermesser, war einige Zeit nach diesem Vorfall, kurz vor Williams Tode gestorben. Er hatte seinem Sohne nie die seinem Namen zugefügte Schmach vergeben, ihn seit jenem verhängnißvollen Tage nie unterstützt, nicht einmal gesehen – aber er vermachte Helenen eine Summe von etwa 8000 Pfund, denn sie wenigstens war unschuldig. In Mr. Fieldens Augen war daher Helene eine reiche Erbin. Und wer aus seinem kleinen Kreis von Bekannten war gut genug für sie, die so reich und zugleich so schön war? – und auch gebildet, denn ihre Aeltern hatten in den letzten Jahren hauptsächlich in Frankreich gelebt, und dort werden Sprachen leicht erlernt und die Lehrer sind billig. Mr. Fielden kannte nur Einen, den die Vorsehung ebenfalls seiner Obhut anvertraut hatte, den vermeintlichen Sohn seines Zöglings Ardworth; aber obgleich die beiden jungen Leute eine zärtliche Zuneigung zu einander fühlten, so trug diese doch zu sehr den Charakter der Geschwisterliebe, als daß Mr. Fielden besonderen Grund zu Besorgnissen oder Hoffnungen hätte haben können.
Vom Fenster aus beobachtete der Pfarrer einige Sekunden lang die lauschende Stellung der Waise, dann schob er seine Bücher bei Seite, stand auf und näherte sich ihr. Bei dem Schall seiner Tritte erwachte sie aus ihrer Träumerei und sprang ihm leichtfüßig entgegen.
»Oh, Sie wollten mich nicht eher sehen!« sagte sie mit einer Stimme, in der sich ein ganz leiser Anklang eines fremden Accents, das Land verrathend, in dem sie ihre Kindheit verlebt hatte, vernehmen ließ – »ich guckte zweimal zum Fenster hinein. Ich wollte so gern mit Ihnen ins Dorf gehen. Aber jetzt kommen Sie – nicht wahr?« fügte sie schmeichelnd hinzu, indem sie unter ihrem Strohhut hervor zu ihm hinaufblickte.
»Und was willst Du im Dorfe, liebe Helene?«
»Nun, Sie wissen ja, es ist Jahrmarkt, und Sie versprachen, der Bessie ein Mitbringsel zu kaufen – von mir gar nicht zu sprechen.«
»Es ist wahr, ich muß einmal hinsehen; das hält die armen Leute mit vom Trinken ab. Ein Geistlicher sollte sich an Festtagen unter seine Kirchkinder mischen. Wir dürfen unser Amt nicht bloß mit Schmerz und Krankheiten und Predigten in Verbindung bringen. Wir wollen gehen. Und was für ein Mitbringsel möchtest Du haben Im englischen Original: »›… you promised Bessie that you would buy her a fairing …‹ ›And what fairing are you to have?« – Die Vorlage hat hier: »›… Sie versprachen der Bessie eine Messe …‹ ›Und was für eine Messe wirst Du Dir kaufen?‹ ›O, etwas sehr Schönes …‹« In der anonymen Übersetzung (bei Duncker etc., Bd. 2, S. 63) heißt es kaum weniger sinnfrei: »›… Sie haben Bessie versprochen, ihr einen Jahrmarkt zu kaufen …‹ ›Und was für einen Jahrmarkt möchtest Du denn?« – In diesem Kontext bedeutet »fairing« jedoch »Mitbringsel vom Jahrmarkt«; in diesem Sinne wurden die Stellen angepasst.?«
»O, etwas sehr Schönes, das sollen Sie sehen! Ich habe mir ein gar großartiges Bild von einem Jahrmarkt gemacht. Sicherlich wird es etwas Aehnliches seyn, wie die Bazars, von denen ich gestern in dieser reizenden ›Reise im Orient‹ A tour to the East, in the years 1763 and 1764: with Remarks on the City of Constantinople and the Turks. Also Select Pieces of Oriental Wit, Poetry and Wisdom, London (1767) von Frederick Calvert, 6th Baron Baltimore (1731-1771). las.«
Der Geistliche lächelte, halb freundlich, halb besorgt.
»Liebes Kind,« sagte er, »es sieht Dir so ähnlich, Dir einen Dorfjahrmarkt wie einen Bazar zu denken. Wenn Du die Sache immer nur mit dem Auge der Phantasie betrachtest, wie bitter wirst Du Dich dann in dieser nüchternen Welt getäuscht sehen!«
»Es ist nicht meine Schuld – ne me grondez pas, méchant« antwortete Helene und senkte den Kopf »Wenigstens müssen Sie aber doch zugeben, daß, wenn ich meine Romantik, wie Sie es nennen, dann und wann mit mir durchgehen lasse, ich mich dennoch mit der Wirklichkeit begnügen kann. Was, Sie schütteln immer noch den Kopf! Denken Sie nicht an den Sperling?«
»Ha! Ha! ja – der Sperling, den der Hausirer Dir für einen Gimpel verkaufte; und Du bildetest Dir so viel auf Deinen Kauf ein und wundertest Dich, daß Du den Gimpel nicht zum Pfeifen bewegen konntest, bis endlich die Farbe abging und ein armer Sperling zu Tage kam!«
»Nur weiter! Können Sie sagen, daß ich mich beklagt hätte? Freute ich mich nicht ebenso über meinen Sperling, als ob es der hübscheste Gimpel von der Welt wäre? Und folgt mir nicht der Sperling überall hin und setzt sich auf meine Achsel, das liebe Thier? Und ich hatte doch Recht; denn wenn ich ihn nicht für einen Gimpel gehalten hätte, so hätte ich ihn vielleicht gar nicht gekauft. Aber jetzt nehme ich keinen Gimpel dafür – nein, nicht einmal die Nachtigall, die eben sang. So lassen Sie mich immer in der Einbildung aus dem armseligen Jahrmarkt einen Bazar machen; es ist ein doppelter Genuß, sich erst den Bazar zu denken und dann von dem Jahrmarkt überrascht zu werden.«
»Du vertheidigst Dich gut,« sagte der Geistliche, wie sie jetzt in das Dorf traten. »Ich glaube wahrhaftig, Du würdest Dich trotz Deiner Neigung für Poesie und Goldsmith und Cooper eben so eifrig mit Mathematik beschäftigen, wie Dein Vetter John Ardworth, der arme Bursche!«
»Gewiß nicht, wenn die Mathematik ihn so ernst gemacht hat – und bös hätte ich fast gesagt – aber damit thäte ich ihm Unrecht. Der liebe Vetter – so gut und so rauh!«
»Nicht die Mathematik trägt die Schuld, wenn er ernst und verschlossen ist,« sagte der Vikar mit einem Seufzer; »es sind die zwei Leiden, die am schmerzlichsten brennen – Armuth und Ehrgeiz.«
»O, seufzen je nicht; es muß ein schönes Gefühl seyn zu wissen wie er, daß man endlich obsiegen muß!«
»Hm! – John muß jetzt bald in London seyn,« sagte Mr. Fielden, »denn er ist ein tüchtiger Fußgänger und heute sind es schon zwei Tage, daß er fort ist. Jetzt, wo er nun bald zur Advokatur gelangt, wird hoffentlich sein Fieber nachlassen und er gelassen und ruhig arbeiten. Er hat mir bei seinem letzten Besuch viel Sorgen gemacht.«
»Sorgen! Warum?«
»Erinnerst Du Dich wohl an die Stelle aus Sir William Temple, die ich Euch am Abend vor Johns Abreise vorlas?«
Helene legte die Hand auf die Stirne und erwiederte mit einer Raschheit, die ein eben so klares wie kräftiges Gedächtniß verrieth: »Ja, war es nicht so – die Worte weiß ich vielleicht nicht ganz genau – ›Etwas haben wollen, was wir nicht haben, und etwas seyn wollen, was wir nicht sind, ist die Wurzel alles Uebels.‹«
»Gut behalten, liebe Tochter!«
»Aber,« sagte Helene schalkhaft, »ich weiß auch, was der Vetter darauf erwiederte – ›Wenn Sir William Temple diese Theorie befolgt hätte, so wäre er weder Gesandter im Haag noch –‹«
»Bah! der Knabe ist mit solchen Antworten immer gleich da,« unterbrach sie Mr. Fielden etwas ärgerlich. »Da sind wir auf dem Jahrmarkt; mehr für Dich gemacht, wie ich sehe, als Sir William Temple's Philosophie.«
Und Helene hatte Recht – der Jahrmarkt war kein orientalischer Bazar, aber dennoch, wie freute sich dieses jugendliche, empfängliche Gemüth! Die Schaukeln und die Karrusels, die Schaubuden und Bilder, selbst hinab bis zu goldigen Königen und Königinnen aus Pfefferkuchen Alle ächtpoetische Gemüther fühlen sich von Bewegung lebhaft angezogen, das heißt von der Lebendigkeit einer großen Anzahl. Ist diese Bewegung aufrichtig fröhlich, wie aus einem Dorffesttage, so geht auf eine solche Natur die Fröhlichkeit unmerklich über. Aber ist die Bewegung eine falsche und angenommene Heiterkeit, wie auf einem vornehmen Ball, wo das theilnahmlose Gesicht und der schläfrige Schritt mit dem offenbaren Zweck des Tages in Disharmonie stehen, dann fühlt sich eine solche Natur unbehaglich und niedergeschlagen. – Daher werden alle zarteren und idealeren Geister des einförmigen Kreislaufes dessen, was man Vergnügungen der vornehmen Welt nennt, bald unaussprechlich überdrüssig. Daher würde die Person gerade, die sich über einen Tanz im Grünen am meisten freut, auf den Almaksbällen Almack's Assembly Rooms war ein Gesellschaftsklub in London, der von 1765 bis 1871 existierte, und einer der ersten Klubs, in denen Frauen und Männer Mitglied werden konnten. Er war einer der wenigen Örtlichkeiten in London, wo sich Frauen und Männer der höheren Gesellschaft außerhalb der Residenzen der Aristokratie begegnen konnten. Der Club diente z. Z. des Romangeschehens zunehmend als eleganter Treffpunkt der Geschlechter und als Heiratsmarkt. Über die Mitgliedschaft im Klub bestimmte ein Komitee der einflussreichsten Damen der Londoner High Society. So wurde Almack's ein Ort der Exklusivität für die wöchentlich stattfindenden Bälle. – Marianne Spencer Stanhope Hudson hat (anonym) 1826 den dreibändigen Roman »Almack's« (deutsch 1846 u. d. T. »Schloß Norbury«) veröffentlicht. sich langweilen. Nicht etwa, weil der Schauplatz der einen Scene ein Rasenplatz im Dorfe, und der der andern ein Saal im Kingstreet ist; auch nicht, weil die Handelnden dort dem niederen Volke, hier der vornehmen Klasse angehören, sondern lediglich, weil die Freude bei den Einen sichtbar und herzlich, bei den Andern blos ein hohler Vorwand ist. Helene glaubte, es seyen die Schaukeln und Buden, die ihr diese unschuldige Freude hervorriefen – es war nicht an dem; es war die unbewußte Sympathie mit der sie umgebenden Menge. Wenn die poetische Natur das Reich ihrer Träume verläßt und sich in die wirkliche Welt begibt, so verschmilzt sie mit den Seelen und Gedanken Anderer. Die beiden Schwingen der Kraft, welche wir Genie nennen, sind Schwärmerei und Sympathie. Aber Helene dachte nicht daran, daß sie genial sey. Mochte sie den Schmetterling jagen, oder zärtlich zu ihren Vögeln plaudern, oder mit ernstsinnendem Auge beobachten, wie die Sterne hervortraten, und die dunkeln Fichten allmälig von ihrem Silberlichte erglänzten; mochte sie mit phantastischen Träumen und gläubigem Erstaunen sich in die Wundergeschichten Mirglips oder Aladdins vertiefen, oder mit andachtvollem Schauer dem wilden Schmerze Lears lauschen, so gab sie nur dem wahren und wechselnden Impulse in jeder Veränderung ihres beweglichen Gemüths nach, und hätte mit ächter Demuth den Launen der Kindheit das rasche Mitempfinden von Fröhlichkeit, das schnellwechselnde Spiel der Phantasie, mit dem die Natur das lebhafte Gefühl des Genies an sich fesselt, zugeschrieben.
Während Helene, auf des Geistlichen Arm gestützt, sich der unschuldigen Aufregung des Augenblicks überließ und der Pfarrer freundlich seinen Kirchkindern zunickte oder stehen blieb, um ein leutseliges Wort zu sprechen mit den Jüngsten oder den Aeltesten (diese beiden äußersten Stadien der Menschheit, welche die Kirche so liebevoll vereint,) von denen, welche der Jahrmarkt in seinen verlockenden Wirbel mit fortzog, trat ein struppelköpfiger Bursche mit einer ledernen Tasche aus einer der Pfefferkuchenbuden und sagte, indem er an den Hut griff, zu dem Pfarrer, er habe einen Brief für ihn.
Des Pfarrers Kreis von Korrespondenten war klein, trotz des entfernten Wohnorts seiner Kinder, denn bis vor wenigen Jahren waren Briefe für Personen von knappem Auskommen ein kostbarer Luxus, und daher erregte der jugendliche Briefträger, der den Postdienst zwischen der nächsten Stadt und dem Dorf besorgte, in seiner Brust nicht die Entrüstung über sein langes Zögern, die ein Anderer, den die Post regelmäßiger versorgt, gefühlt hätte. Er nahm den Brief und bezahlte ihn mit einem Seufzer der Sparsamkeit, als er die ihm fremde Hand der Adresse betrachtete – vielleicht von einem geistlichen Kollegen, noch ärmer als er. Dies war jedoch kein zum Briefelesen geeigneter Ort, und er steckte die Depesche in die Tasche, bis Helene, die es ihm ansah, daß er des Gewühls müde war, ihm vorschlug, nach Hause zu gehen. Als sie halbwegs zu einem Steg gelangten, erinnerte sich Mr. Fielden an seinen Brief, zog ihn hervor und setzte seine Brille auf. Helene beugte sich über den Rasen, um Veilchen zu suchen, während sich der Geistliche auf den Steg setzte. Als er die Adresse wieder ansah, schien die ihm Anfangs fremde Hand allmälig seiner Erinnerung näher zu treten. Diese kräftige, feste Hand, zart und fein wie die einer Frau, aber groß und regelmäßig wie die eines Mannes – war zu eigenthümlich, um vergessen zu werden. Er ließ einen Laut der Ueberraschung und des Erkennens vernehmen und erbrach hastig das Siegel. Der Inhalt war folgender:
»Geehrter Herr!
So viel Jahre sind verflossen, seitdem wir Briefe mit einander gewechselt haben, daß der Name Lucretia Dalibard Ihnen fremder erscheinen wird, als Lucretia Clavering. Ich bin vor kurzem nach langer Abwesenheit nach England zurückgekehrt. Aus meiner verstorbenen Schwester Testament ersehe ich, daß sie ihre einzige Tochter unter unsere gemeinschaftliche Vormundschaft gestellt hat. Ich wünsche jetzt sehnlich, an der Ausübung dieses Amtes Theil zu nehmen. Ich stehe allein in der Welt und bin seit längerer Zeit leidend, da mich ein Schlagfluß des Gebrauchs meiner Gliedmaßen beraubt. Unter solchen Umständen ist es um so natürlicher, wenn ich der einzigen Verwandten, die mir noch übrig ist, gedenke. Meine Reise nach England hat mich so erschöpft und alle Bewegung macht mir so viel Schmerzen, daß ich Sie bitten muß, mir zu verzeihen, wenn ich meine Nichte nicht selbst abhole. Ich bin jedoch überzeugt, daß Ihre Güte Sie antreiben wird, mir den Trost Ihrer Gesellschaft zu verschaffen, sobald Sie nur die geeigneten Anordnungen für die Reise getroffen haben. Indem ich Sie bitte, Helenen in meinem Namen die Versicherung zu geben. daß ich sie so empfangen werde, wie ich es dem Kinde meiner Schwester schuldig bin, und indem ich mit Ungeduld Ihrer Antwort entgegensehe, empfehle ich mich Ihnen als
Ihre ergebenste Dienerin
Lucretia Dalibard.«
»P. S. Ich kann kaum wagen, Sie zu bitten, Helenen selbst nach der Stadt zu bringen, aber ich würde mich freuen, wenn Sie, durch andere Beweggründe zu dieser Reise veranlaßt, mir Gelegenheit gäben, Sie wieder einmal zu sehen. Ich wünschte außer den Einzelnheiten über meine Schwester, die Sie mir wahrscheinlich erzählen können, etwas von dem Schicksal ihres Verwandten Mr. Ardworth zu wissen, für den ich mich vor Zeiten interessirte und der, wie ich neuerdings erfuhr, ein Kind, angeblich seinen Sohn, unter Ihrer Obhut ließ. Wie viel muß ich nach so langer Abwesenheit von England nachholen und wie wenig erzählen uns die bloßen Grabsteine von den Todten!«
Während der Geistliche sich in diesen unerwarteten und unwillkommenen Brief vertiefte und Helene, wie die blumenpflückende Tochter der Ceres, als der Fürst des Orkus nahte, nicht ahnend, welche schreckliche Gestalt in ihr Schicksal eingreifen sollte, immer noch auf dem veilchenduftenden Rasen kniet, wenden wir uns dahin, wo die neue Generation unsere Blicke auf sich zieht, und knüpfen Bekanntschaft mit zwei neuen mithandelnden Personen in unserm Drama an.
* * *
Die Brischke Ein offener Wagen; im Original: »britzska«. hielt still. Der Bediente, der sich allmälig Vorrath von gegenwärtigem Staub und zukünftigem Rheumatismus auf der »schlimmen Höhe.« des Hintersitzes gesammelt, sprang herab und öffnete die Thür.
»Hier ist der beste Punkt für die Aussicht, Sir – ein wenig rechts.«
Percival St. John warf sein Buch weg, (es war ein Band Reisen,) pfiff einem Wachtelhund, der neben ihm schlief, und stieg aus. Leicht war der Schritt des Jünglings und lustig das Gebell des Hundes, wie er den erschreckten Sperling von der Straße jagte, daß er hoch in die Lust hinaufflog – Beide Lieblinge der Natur, der Jüngling und der Hund!
Man brauchte blos einen Blick auf Percival St. John zu werfen, um zu wissen, daß er zu dem Geschlechte gehörte, das nicht arbeitet; sein sicherer Gang verrieth festes Vertrauen auf das freundliche Lächeln der Welt. Keine Sorge für das Morgen trübte das kühne Auge und den frischen Glanz.
Er war von Mittelgröße – seine zarte noch unentwickelte Gestalt schien noch im Wuchs begriffen zu seyn – der keimende Bart malte einen schwachen Schatten auf die etwas gebräunte, obgleich von Natur weiße Wange, während die rabenschwarzen Locken im Winde spielten. Sein ganzes Wesen zeigt den unbeschreiblichen Reiz, glücklicher Jugend. Dem Anschein nach war er kaum sechszehn, in der That aber vier Jahr älter; doch ohne seinen festen aber sorglosen Tritt, und die freie Furchtlosigkeit seines Auges hätte man ihn fast für ein Mädchen in Männerkleidern gehalten, nicht wegen weibischen Ansehens, sondern wegen seines blühenden Jugendglanzes und der unverkennbaren Freiheit von den Sorgen und Sünden des Mannes. Ein schöneres Bild eines dem Leben entgegenreifenden offenen Jünglings flößte nie dem Auge des halb neidischen, halb bemitleidenden Zuschauers freundliche und doch melancholische Theilnahme ein.
»Das ist also London!« sagte sich Percival St. John. »O, daß ein hinkender Teufel vor meinen Augen die Dächer dieser fernen Häuser wegnähme und mir die Freuden zeigte, die sich darunter verbergen! – O, welch' lange Briefe werde ich nach Hause zu schreiben haben! – Wie der gute Kapitän darüber lachen wird, und wie meine liebe gute Mutter ihre Arbeit aus der Hand legen wird! Das Vaterhaus! Hm – ich vermisse es schon. Wie fremd und unheimlich Einen die Riesenstadt ansieht!«
Er ließ den Handschuh fallen und sein Hund zerriß ihn spielend in Stücken. Der Jüngling lachte, warf sich auf den Rasen und spielte fröhlich mit dem Hunde.
»Pfui, Beau, pfui; Handschuhe sind unverdaulich. Zähme deinen Hunger, und wir wollen zusammen im Clarendon frühstücken.«
In diesem Augenblicke langte auf demselben Rasenflecke ein Fußreisender an, einige Jahre älter als Percival St. John, ein hochgewachsener, muskulöser, starkknochiger, staubbedeckter, müder Fußreisender – ein Fußreisender im vollen Ernste, kein Dilettant in modischem Sommeranzuge, der den Wagen hinter sich herfahren läßt und ein Stück Wegs mit der Angelruthe auf der Schulter geht, sondern ein kräftiger Wanderer mit dicken Schuhen und steglosen Hosen, einem fadenscheinigen Rock und dem Ränzel auf dem Rücken. Und dennoch verrieth das Wesen des jungen Mannes den Gentleman; nicht in dem Sinne, wie man dies Wort in St. Jamesstreet versteht, den Gentleman der adligen und unbeschäftigten Welt, sondern wie man aus Höflichkeit diesen Titel Allen beilegt, denen Erziehung und Verkehr mit gebildeten Leuten einen Anspruch darauf und einen Anstrich von Verfeinerung gibt. Der neue Ankömmling war kräftig gebaut, hager und groß, viel kräftiger als Percival St. John, aber ohne dessen gesunde Frische. Sein Gesicht zeigte nicht die blühende Farbe, die solche Körperkraft hätte begleiten sollen; es war bleich, jedoch nicht krankhaft; der Ausdruck ernst, die Züge stark ausgeprägt. Neben ihm schlich müd' ein dürrer, gelblicher schottischer Dachshund. Beau sprang unter den liebkosenden Händen seines Herrn auf, legte seinen hübschen Kopf ein wenig auf die Seite und hob in stummer Erwartung die rechte Vorderpfote. Percival warf über seine linke Schulter einen achtlosen Blick auf den Fremden. Letzterer beachtete weder Beau noch Percival. Er warf das Tornister auf den Boden und der Dachs sank darauf nieder und rollte sich in eine Kugel zusammen Der Wanderer schlug die Arme fest über die Brust zusammen, stieß einen kurzen, unruhigen Seufzer aus, und warf auf die Riesenstadt einen so ernsten, forschenden, so von unbeschreiblicher, unermüdlicher, entschlossener Kraft erfüllten Blick, daß Percival, aufgestört aus seiner heitern Gleichgültigkeit, aufstand und den Fremden mit neugieriger Theilnahme betrachtete.
Unterdessen war Beau zu dem misanthropischen Dachs herangegangen, und nachdem er ihn dreimal mit einem Blick und einem leisen Schniffel voll kostbarster Unverschämtheit umkreist hatte, blieb er mit großer Ruhe stehen, hob das hintere Bein in die Höhe und – O Beau, Beau, Beau! Dein Geschichtsschreiber erröthet über deine Lebensart, und läßt wie Sternes die Thaten der Menschen verzeichnender Engel eine Thräne auf den Fleck fallen, die ihn auslöscht aus dem Buche – aber, ach! nicht von dem Rücken des misanthropischen Dachses! Der Raum ringsum war groß, Beau. Die ganze Welt stand dir offen; warum suchtest du dir für deine Beleidigung die einzige Stelle aus, wo der Müde und Harmlose ruhte? O, ekler Beau! – O, ekle Welt! Sagt Beide nur offen die Wahrheit. Es liegt etwas im Rücken eines schäbigen Hundes, was unwiderstehlich zur Beleidigung herausfordert!
Der arme Dachs, der Schmähung gewohnt, öffnete die schweren Lider und ein Strahl gerechter Entrüstung schoß aus seinen Augen. Aber er regte sich nicht und knurrte nicht und Beau, außerordentlich erfreut über seine That, wedelte triumphirend mit dem Schwanze und kehrte zu seinem Herrn zurück, vielleicht um nach der parlamentarischen Redensart »Bericht abzustatten, und um Erlaubniß zu fragen, wieder sitzen zu dürfen.«
»Ich möchte doch wissen,« sagte Percival St. John, »an was dieser arme Kerl denkt; – vielleicht ist er wirklich arm! – ganz gewiß, wenn man ihn genauer ansieht. Und ich so reich! Ich möchte fast – hm, – wollen einmal sehen, was für ein Mensch es ist.«
Damit näherte sich Percival ihm und sagte mit der halb verschämten, halb impertinenten Offenheit des Knabenalters: »Eine schöne Aussicht, Sir!«
Der Wanderer fuhr auf, und warf einen raschen Blick auf die glänzende Gestalt, die ihn anredete. Percival St. John ließ sich durch ein finsteres Gesicht nicht einschüchtern; aber dieser Blick hätte einen erfahrenern Mann beschämen können. Der Blick eines Squire auf einen Korngesetzkommissär, oder eines Crockforddandys auf einen plattirten Stutzer der Regentstraße hätte nicht verachtungsvoller seyn können.
»Still Im Original: »Tush!«, was so viel wie »Pah!« bedeutet.!« sagte der Wanderer schroff und wendete ihm den Rücken zu.
Percival verfärbte sich, und, sollen wir es sagen? war noch Knabe genug, um die Faust zu ballen. Schwerlich hätte er sich vor der Kraft dieser langen Arme und der Breite dieser herkulischen Brust gefürchtet, wäre er nur sicher gewesen, ob es schicklich sey, ein so unhöfliches Wort im kunstgerechten Faustkampf zu rächen. Das »Still!« verdroß ihn sehr. Aber der Fremde, der jetzt auf der andern Seite des Hügels stand, sah so ruhig und in Gedanken verloren aus, daß der Aerger des Jünglings bald erstarb.
»Und eigentlich,« brummte Percival vor sich hin, »würde ich eben so stolz seyn wie er, wenn ich so arm wäre. Doch es ist seine Schuld, daß er zu Fuß nach London geht, während ich ihn hätte mitnehmen können. Komm, Beau!«
Das Gesicht immer noch etwas geröthet und den Hut unbewußt herausfordernd auf die Seite gesetzt, ging Percival langsam nach seiner Britschka zurück
Als der leichte Wagen, gezogen von vier Postpferden, in einer Staubwolke unten am Hügel verschwand, sah der Wanderer ihm einen Augenblick nach und sprach vor sich hin: »Ja, eine schöne Aussicht für die Reichen – ein schönes Feld für die Armen!« Im Ton dieser Worte lag unendlich viel; es sprach sich darin aus der Stolz, die Hoffnung, die Energie, der Ehrgeiz, welche die Jugend arbeitsam, das Mannesalter glücklich, das Alter berühmt machen.
Der Fremde warf sich dann auf den Rasen und setzte sein stummes und forschendes Beschauen fort, bis die Wolken im Westen sich rötheten. Als er sich dann erhob, stand er hochaufgerichtet mit glänzendem Blick da, und ein Lächeln, das um seine festen vollen Lippen spielte, stahl den mürrischen Ernst von seinem Gesicht. Von neuem nahm John Ardworth das Ränzchen auf seine Schultern und wanderte entschlossen der Weltstadt zu.