Auswahl Deutscher Gedichte für höhere Schulen
InhaltInhalt
- Auswahl Deutscher Gedichte für höhere Schulen
- Winters Flucht
- Vorfrühling
- Frühlings Auferstehung
- Frühlingsbotschaft
- Am ersten Maimorgen
- Er ist's
- Frühlingsglaube
- Ganymed
- Die Frühlingsfeier
- Frühlingsbotschaft
- Gekommen ist der Maie
- Der Postillon
- Weißer Flieder
- Mainacht
- Der Sommerabend
- Sommerabend
- Pastors Abendspaziergang
- Sommernacht
- Die Sommernacht
- Gang durch die Nacht
- Wetterleuchten
- Über die Heide
- Herbst
- Septembermorgen
- Oktoberlied
- Herbstlich sonnige Tage
- Herbstgefühl
- Das gelbe Laub erzittert
- Herbstdämmerung
- Spruch
- Ein Lied hinterm Ofen zu singen
- Die Kinder im Schnee
- Harzreise im Winter
- Der Eislauf
- Winternacht
- Vom Kirschbaum
- Hoffnung
- Spruch
- Morgenlied
- Morgenlied
- Morgenlied
- Morgengebet
- Sonntagsfrühe
- Sonnenaufgang im Mai
- Mittagszauber
- Abendsonne
- Abend
- Abendgebet
- Abendlied
- Wiegenlied
- Abendlied
- Vor Schlafengehen
- Ein geistlich Abendlied
- Sehnsucht
- Spruch
- Nacht
- Wandrers Nachtlied
- Wandrers Nachtlied
- Die frühen Gräber
- An den Mond
- In der Nacht
- Gode Nacht
- Um Mitternacht
- Manche Nacht
- In der Nacht
- Die Nacht
- Wächterruf
- An den Schlaf
- Der Bach
- Der Strom
- Mahomets Gesang
- Gesang der Geister über den Wassern
- Die Weser
- Wassersnot
- Johanna Sebus
- Das Lied vom braven Mann
- Die Brück' am Tay
- Spruch
- Schilflied
- Der Zürchersee
- Meeresstille
- Glückliche Fahrt
- Wir saßen am Fischerhause
- Die Ozeaniden
- Der Gesang des Meeres
- Ol Büsum
- Der Taucher
- Feldeinsamkeit
- Vor der Ernte
- Gebet der Ähre
- Abseits
- Das Haus in der Heide
- Heidenacht
- Hünengrab
- Der Knabe im Moor
- Heide im Winter
- Die Heideschenke
- Der Heideknabe
- Waldlied
- Aus dem Walde
- Holzflöße
- Jetzt rede du!
- Der Harz
- Der Alpenjäger
- Sprüche
- Preis der Tanne
- Ein Fichtenbaum steht einsam
- In der Stadt
- Die Wettertanne
- Das Birkenbäumchen
- Einkehr
- Der Kirschbaum
- Die Lotosblume
- Das Veilchen
- Klage des Ceres
- Sprüche
- Löwenritt
- Das treue Roß
- Das Häslein
- Schwalbenlied
- Die Sperlinge
- Die Frösche
- Das Spinnlein
- Die Lerche
- Junge Brut
- Der Stieglitz
- Der Panther
- Die Größe der Welt
- Ballade
- Sonnenuntergang
- Stille der Nacht
- Die Erde
- Sprüche
- Der getreue Eckart
- Erlkönig
- Der Fischer
- Lorelei
- Die Heinzelmännchen
- Die wandelnde Glocke
- Der Totentanz
- Lenore
- Frau Hitt
- Der Mops und der Mond
- Die Katzen und der Hausherr
- Feine Leute haben feine Sachen
- Das Huhn und der Karpfen
- Fuchs und Bär
- Der Hirsch und der Fuchs
- Der Tanzbär
- Fuchs und Pferd
- Adler und Taube
- Fuchs und Igel
- Motten
- Die Nützlichen
- Ellengröße
- Turnen
- Die Zaunranke und der Klee
- Die Sonne und die Tiere
- Blau-Veilchen
- Vom Bäumlein, das andre Blätter hat gewollt
- Die Ameise
- Der Bauer und sein Kind
- Rätsel
- Guter Rat
- Ich will heraus aus dieser Stadt
- Der frohe Wandersmann
- Wanderlied
- Morgenwanderung
- Ausfahrt
- Wanderlied
- Der Wandrer in der Sägemühle
- Zwei Heimgekehrte
- Der Reisebecher
- An die Natur
- Radowessische Totenklage
- Des Knaben Berglied
- Der wilde Jäger
- Der weiße Hirsch
- Rätsel
- Schwert und Pflug
- Das eleusische Fest
- Das Riesenspielzeug
- Im Heu
- Eigen Land
- Mondüberschimmert
- Erntelied
- Der Sämann
- Der güldene Ring
- Lied der Kohlenhauer
- Der Bohrturm
- Der Tod im Schacht
- Spruch
- Der Kaufmann
- Die ganze Welt
- Junker Dampf
- Der Blitzzug
- Hohe Station
- Steinkohlenlied
- Lokomotive
- Auf der Straßenbahn
- Auf der Straßenbahn
- Sprüche
- Die Trommel
- Soldaten-Morgenlied
- Inschrift
- Tod in Ähren
- Schlachtgesang
- Großmutting, hei is dod!
- An Anfrag
- »So einer war auch Er!«
- Rätsel
- Der Lotse
- John Maynard
- In Sturmes Not
- Salas y Gomez
- »Een Boot is noch buten!«
- Die Schiffersfrau
- Jan Bart
- Der siebzigste Geburtstag
- O, hast du noch ein Mütterchen
- Das Erkennen
- Meiner Mutter
- Vom Grab meiner Mutter
- Bei dem Grabe meines Vaters
- Ein Grab
- Die beschränkte Frau
- Beim Tode meines Bruders
- Ein Friedhofsgang
- Der Sohn der Witwe
- Das Kind am Brunnen
- Gut Nacht
- Auf meines Kindes Tod
- Die Bürgschaft
- Lied der Freundschaft
- Es ragt ins Meer der Runenstein
- Sprüche
- Freund und Feind
- Das Herzensschlüsselein
- Gruß
- Willkommen und Abschied
- Liebesfrühling
- Seit ich ihn gesehen
- Mailied
- Du bist wie eine Blume
- Die Beiden
- Die Nachtigall
- Abreise
- Elisabeth
- Das verlassene Mägdlein
- Das zerbrochene Ringlein
- Hochzeitslied
- Im stillen Hafen
- Helfe Gott mir
- Nun hast du mir den ersten Schmerz getan
- Epilog
- Rückkehr in die Heimat
- Heimkehr
- Die alte Rathausuhr
- In der Heimat
- Daheim
- Abschied
- Die Stadt
- Ein Freund ging nach Amerika
- Die Auswanderer
- Vereinsamt
- Nachklang
- Heimweh
- Aus der Jugendzeit
- Die Stadt
- Das Schloß Boncourt
- Das alte Haus
- Min Port
- Sprüche
- Deutscher Trost
- Vaterlandslied
- Warum ruf' ich?
- Frühlingsgruß an das Vaterland
- An das Vaterland
- Mein Vaterland
- An das Vaterland
- Unsere Sprache
- An die Sprache
- Muttersprache
- Uns' plattdütsche Sprak
- Wert der Muttersprache
- Ein Gleichnis
- Wort und Schrift
- Rätsel
- Sprüche
- Der Schatzgräber
- Der Schatzgräber
- Die Schatzgräber
- Die alte Waschfrau
- Einem Tagelöhner
- Lied eines Armen
- Arbeit
- Arbeit
- Arbeit
- Der Arbeitsmann
- Für meine Söhne
- Ehre
- Die Ideale
- Sprüche
- Hab Sonne!
- Da aber liegt's
- Der Jünger
- Sprüche
- Der Prozeß
- Die Rache
- Der Bettler und sein Hund
- Sprüche
- Die zwei Gesellen
- Das Glück
- Glück
- Du hast mich beschenkt
- Täglich zu singen
- Die Sorglichen
- Es war einmal
- Über ein Stündlein
- Der törichte Jäger
- Das Postmaidlein
- Das Glück und die Weisheit
- Beherzigung
- Sprüche
- Der Glockenguß zu Breslau
- Die Sonne bringt es an den Tag
- Der König
- Auf die Reise
- Sprüche
- Am ersten Sarge
- Meine Gräber
- Die Uhr
- Spuk
- Der Tod und das Kind
- Zu spät
- Cita mors ruit
- Denk' es, o Seele!
- Das Kind
- Der Liebe Dauer
- Chor der Toten
- Sprüche
- Die Worte des Glaubens
- Die Worte des Wahns
- Der Vorhang
- Prooemion
- Was quälst du dich ihn zu finden?
- Dem unbekannten Gott
- Im Schutz des Herrn
- Sprüche
- Der bessere Teil
- Grenzen der Menschheit
- Vom Beten
- Wie oft Gott zu danken sei?
- Dem Erlöser
- Abendgebet
- Sprüche
- Schäfers Sonntagslied
- Friede auf Erden
- Knecht Ruprecht
- Gebet eines kleinen Knaben an den heiligen Christ
- Des fremden Kindes heiliger Christ
- Die Hirten
- Die Könige
- Weihnachtslied
- Weihnacht
- Weihnachten auf fremdem Meere
- Zum neuen Jahre
- Ostermorgen
- Pfingstlied
- Der Gang nach dem Eisenhammer
- Der Dorfkirchhof
- De Garn
- Sprüche
- Der Maler
- Natur und Kunst
- Meine Göttin
- Die Phantasie vor Gericht
- Steinerne Tierskulptur
- Begeisterung
- Sprüche
- Pegasus im Joche
- Freie Kunst
- Die Alten und die Jungen
- Wenn ein Kind im Dunkeln bang
- Sprüche
- Die Teilung der Erde
- Der Sänger
- Des Sängers Fluch
- Das Distichon
- Das Epigramm
- Der Reim
- Der Reim
- Arten der Dichtung
- Dramaturgische Epistel
- Gegenmächte
- Sprüche
- Von des Kaisers Bart
- Die Eichelsaat
- Böser Markt
- Tragische Geschichte
- Der Junker und der Bauer
- De Reknung ahn Wirt
- De Koppweihdag'
- Oh, Jöching Päsel, wat büst du för'n Esel!
- Restauration
- Frühlingslied
- Vom Pythagoräischen Lehrsatz
- Die Schule von Athen
- Plato
- Die Ideen
- Die Weisheit der Stoa
- Die Gärten des Epikur
- Sprüche des Konfuzius
- Eure Weisheit
- Archimedes und der Schüler
- Wahrheit
- Einem jungen Freunde, als er sich der Weltweisheit widmete
- An die Transzendenten
- Sprüche
- Das Göttliche
- Das Ideal und das Leben
- Bildung
- Ein fester Standpunkt
- Unser Gedächtnis
- Sprüche
- Die vier Alter
- Die Blütenfee
- Das Gewitter
- Der Mensch
- Die Winterwasser rauschen
- Eingelegte Ruder
- Mit vierzig Jahren
- Die Jahre
- Abendlied
- Greisenglück
- Hoffnung
- Sprüche
- Die Herrgottskinder
- Der Spaziergang
- Menschheit
- Das Lied von der Glocke
- Schicksalslied
- Gesang des Lebens
- Weltmitte
- Deutsche Hymne
- Weine nicht
- Spruch
- Parabel
- Das Kind der Sorge
- Die Kreuzschau
- Altdeutsches Rätsel
- Die tote Erde
- Das verschleierte Bild zu Sais
- Der Zauberlehrling
- Brahmanische Erzählung
- Chidher
- Harmosan
- Mose im Nil
- Pharao
- Goliath und David
- Belsazer
- Legende vom Hufeisen
- Petrus
- Der gerettete Jüngling
- Die wiedergefundenen Söhne
- Prometheus
- Antigone
- Kassandra
- Das Siegesfest
- Der Ring des Polykrates
- Die Kraniche des Ibykus
- Der kleine Hydriot
- Sprüche
- Ver sacrum
- Der Gesang der Parze
- Drusus' Tod
- Der Tod des Tiberius
- Pompeji und Herkulanum
- »Ave Caesar, morituri te salutant!«
- Die Sehnsucht des Weltweisen
- Der Tod des Carus
- Lied der Legionen
- Die Römerstraße
- Mignon
- Das Glück von Edenhall
- Die traurige Krönung
- Taillefer
- Archibald Douglas
- Das Herz von Douglas
- Shakespeare
- Sprüche
- Das Geisterroß
- Graf Richard Ohnefurcht
- Bertran de Born
- Bretagne
- Die Grenadiere
- Schlafwandel
- Die drei Zigeuner
- Die Werbung
- Die Walküren
- Das Schloß am Meere
- Der blinde König
- Der König in Thule
- Die sterbenden Helden
- Der Läufer von Glarus
- Tells Tod
- Hunnenzug
- Gotentreue
- Das Grab im Busento
- Das Schwert
- Siegfrieds Schwert
- Volkers Nachtgesang
- Hagens Sterbelied
- Gudruns Klage
- Von Kaiser Karl dem Großen
- König Karls Meerfahrt
- Das Pferd als Kläger
- Klein Roland
- Roland Schildträger
- Heinrich der Vogelsteller
- Herrad
- Die Kaiserwahl
- Im Lager von Akkon 1190
- Mittelalter seit der Hohenstaufenzeit
- Barbarossa
- Sage und Geschichte
- Schwäbische Kunde
- Die Johanniter
- Der Graf von Habsburg
- Graf Eberhard der Rauschebart
- Der Überfall im Wildbad
- Die drei Könige zu Heimsen
- Die Schlacht bei Reutlingen
- Die Döffinger Schlacht
- Der Kaiser und der Abt
- Der Kampf mit dem Drachen
- Der Handschuh
- Das Münster
- Reformation
- Der fremde Reiter
- Huttens letzte Tage
- Bauernaufstand
- Alte Landsknechte
- Wartburg-Dämmerung
- Der Rappe des Komturs
- Der Pilgrim vor St. Just
- Tilly
- Der 6. November 1632
- Schloß Eger
- Die Friedenseiche
- Der alte Derffling
- Bei Eröffnung des Feldzuges
- Wer weiß wo?
- Der Choral von Leuthen
- Seydlitz
- Der alte Zieten
- Zieten
- Die Exekution
- Das Feuer im Walde
- Sanssouci
- Schill
- An die Königin Luise von Preußen
- Vor Rauchs Büste der Königin Luise
- Fluchtlied
- Anno Domini 1812
- Andreas Hofer
- Geharnischte Sonette
- Aufruf
- Lied zur feierlichen Einsegnung des preußischen Freikorps
- Wer ist ein Mann?
- Bundeslied vor der Schlacht
- Gebet während der Schlacht
- Abschied vom Leben
- Lützows wilde Jagd
- Auf Scharnhorsts Tod
- Die Leipziger Schlacht
- Blücher am Rhein
- Der deutsche Rhein
- Wann, o wann?
- Bei Wörth
- Die Trompete von Vionville
- Die Rosse von Gravelotte
- Des deutschen Knaben Tischgebet
- Am dritten September (1870)
- Aus den Liedern aus Frankreich. 1870
- »Unter den Linden«
- In einer Winternacht
- Sage und Geschichte
- Dem Fürsten Bismarck
- Wo Bismarck liegen soll
- Der Tod Moltkes
- Deutschland und die Welt
- Ostpreußischer Landsturm
- Reservistenlied
- Nun gehen viele Füße
- Der Feldsoldat
- Unsere Verwundeten
- Brüder
- Spielmanns Tod
- Soldatengrab
- Vermißt
- Tod im Krieg
- Todesbotschaft
- Des Liebsten Grab
- Die Flüchtlinge
- An die Soldaten des großen Krieges
- Kriegskameraden
- Vergiß der Opfer nicht!
- Frühlingsglaube
- Ihr wollt zurück uns führen
- Soldatenfriedhof
- Märchen
- Walter von der Vogelweide
- Erklärung eines alten Holzschnittes, vorstellend Hans Sachsens poetische Sendung
- »Prinz Eugen, der edle Ritter«
- Die beiden Musen
- Lessing
- Lessing
- Schiller
- Die deutsche Muse
- Am Grabe Höltys
- Zueignung
- Münstersage
- Seefahrt
- Ilmenau
- Karl August
- Goethes Gartenhaus
- An Goethe als er den Mahomet von Voltaire auf die Bühne brachte
- Epilog zu Schillers Glocke
- Schillers Bestattung
- Abends bei Goethe
- Unter ein Bildnis Goethes
- Goethe
- Die Märchenbrüder
- Eichendorff
- Ludwig Uhland
- Emanuel Geibel
- Sprüche
Autorenseite
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Märchen
Ihr habt gehört die Kunde
Vom Fräulein, welches tief
In eines Waldes Grunde
Manch hundert Jahre schlief.
Den Namen der Wunderbaren
Vernahmt ihr aber nie;
Ich hab' ihn jüngst erfahren:
Die deutsche Poesie.
Zwo mächt'ge Feeen nahten
Dem schönen Fürstenkind,
An seine Wiege traten
Sie mit dem Angebind'.
Die erste sprach behende:
»Ja, lächle nur auf mich!
Ich gebe dir frühes Ende
Von einer Spindel Stich.«
Die andre sprach dagegen:
»Ja, lächle nur auf mich!
Ich gebe dir meinen Segen:
Der heilt den Todesstich;
Der wird dich so bewahren,
Daß süßer Schlaf dich deckt,
Bis nach vierhundert Jahren
Ein Königssohn dich weckt.«
Da ward ins Reich erlassen
Ein feierlich Gebot,
Verkündet in allen Straßen,
Der Tod darauf gedroht:
Wo jemand Spindeln hätte,
Die sollte man liefern ein
Und sie an offner Stätte
Verbrennen insgemein.
Nicht nach gewohnter Sitte
Erzog man dieses Kind
In dumpfer Kammern Mitte
Noch sonst, wo Spindeln sind;
Nein, in den Rosengärten,
In Wäldern frisch und kühl,
Mit lustigen Gefährten,
Bei freiem, kühnem Spiel.
Und als es kam zu Jahren,
Ward es die schönste Frau,
Mit langen, goldnen Haaren,
Mit Augen dunkelblau;
In Gang, Gebärde züchtig,
In Reden treu und schlicht,
In aller Arbeit tüchtig,
Nur mit der Spindel nicht.
Viel stolze Ritter gingen
Der Holden Dienste nach,
Heinrich von Ofterdingen,
Wolfram von Eschenbach;
Sie gingen in Stahl und Eisen,
Goldharfen in der Hand.
Die Fürstin war zu preisen,
Die solche Diener fand.
Mit Degen und mit Speere
Waren sie stets bereit;
Den Frauen gaben sie Ehre
Und sangen widerstreit.
Sie sangen von Gottesminne,
Von kühner Helden Mut,
Von lindem Liebessinne,
Von süßer Maienblut.
Von alter Städte Mauern
Der Widerhall erklang;
Die Bürger und die Bauern
Erhuben frischen Sang.
Der Senne hat gesungen,
Der über den Wolken wacht,
Ein Lied ist aufgeklungen
Tief aus des Bergmanns Schacht.
In einer Mainacht blinkten
Die Sterne wunderschön:
Der Fürstin war, als winkten
Sie ihr zu Turmes Höh'n.
Sie stieg hinauf zum Dache,
Die zarte ganz allein,
Da fiel aus einem Gemache
Ein trüber Lampenschein.
Ein Weiblein, grau von Haaren,
Dort an dem Rocken spann:
Sie hatte wohl nichts erfahren
Vom strengen Spindelbann.
Die Fürstin, die noch nimmer
Gesehen solche Kunst,
Sie trat in Weibleins Zimmer:
»Wer bist du, mit Vergunst?« –
»Man nennt mich, schönes Liebchen,
Die Stubenpoesie,
Denn aus dem trauten Stübchen
Verirrt' ich mich noch nie.
Ich sitz' am lieben Platze
Beim Rocken, wandellos;
Meine alte blinde Katze,
Die spinnt auf meinem Schoß.
Lange, lange Lehrgedichte,
Die spinn' ich recht mit Fleiß;
Flächsene Heldengedichte,
Die haspl' ich schnellerweis';
Mein Kater maut Tragödie,
Mein Rad hat lyrischen Schwung,
Meine Spindel spielt Komödie
Mit Tanzbelustigung.«
Die Fürstin tät erbleichen,
Als man von Spindeln sprach;
Sie wollte flugs entweichen:
Die Spindel sprang ihr nach;
Und an der morschen Schwelle,
Da fiel das Fräulein jach;
Die Spindel auf der Stelle
Sie in die Ferse stach.
Was war das für ein Schrecken,
Als man sie morgens traf!
Sie war nicht mehr zu wecken,
Sie schlief den Zauberschlaf.
Ein Lager ward bereitet
Im hohen Rittersaal,
Goldstoffe draufgebreitet
Und Rosen ohne Zahl.
So schlief sie in der Halle,
Die Fürstin, reich geschmückt.
Bald hatte die andern alle
Der gleiche Schlaf berückt.
Die Sänger, schon in Träumen,
Rührten die Saiten bang,
Bis in des Schlosses Räumen
Der letzte Laut verklang.
Die Alte spann noch immer
Im stillen Kämmerlein;
Es woben in jedem Zimmer
Die Spinnen groß und klein;
Die Hecken und Ranken woben
Sich um den Fürstenbau,
Und um den Himmel oben,
Da spann sich Nebelgrau.
Wohl nach vierhundert Jahren,
Da ritt des Königs Sohn
Mit seinen Jägerscharen
Ins Waldgebirg' davon:
»Was ragen doch da innen
Ob all dem hohen Wald
Für graue Türm' und Zinnen
Von seltsamer Gestalt?«
Am Wege stund gerade
Ein alter Spindelmann:
»Erlauchter Prinz, um Gnade!
Hört meine Warnung an!
Romantische Menschenfresser
Hausen auf jenem Schloß,
Die mit barbarischem Messer
Abschlachten klein und groß.«
Der Königssohn verwegen
Tät mit drei Jägern ziehn;
Sie hieben mit den Degen
Sich Bahn zum Schlosse hin.
Gesenket war die Brücke,
Geöffnet war das Tor;
Daraus im Augenblicke
Ein Hirschlein sprang hervor.
Denn in des Hofes Räumen,
Da war es wieder Wald;
Da sangen in den Bäumen
Die Vögel mannigfalt.
Die Jäger ohn' Verweilen,
Sie drangen mutig hin,
Wo eine Tür mit Säulen
Aus dem Gebüsch erschien.
Zween Riesen schlafend lagen
Wohl vor dem Säulentor,
Sie hielten, ins Kreuz geschlagen,
Die Hellebarden vor;
Darüber rüstig schritten
Die Jäger allzumal,
Sie gingen mit kecken Tritten
Zu einem großen Saal.
Da lehnten in hohen Nischen
Geschmückter Frauen viel,
Gewappnete Ritter dazwischen
Mit goldnem Saitenspiel:
Hochmächtige Gestalten,
Geschloßnen Auges, stumm,
Grabbildern gleich zu halten
Aus grauem Altertum.
Und mitten ward erblicket
Ein Lager reich von Gold,
Da ruhte, wohlgeschmücket,
Eine Jungfrau wunderhold.
Die süße war umfangen
Mit frischen Rosen dicht,
Und auch von Mund und Wangen
Schien zartes Rosenlicht.
Der Königssohn, zu wissen,
Ob Leben in dem Bild,
Tät seine Lippen schließen
An ihren Mund so mild;
Er hat es bald empfunden
Am Odem, süß und warm,
Und als sie ihn umwunden,
Noch schlummernd, mit dem Arm.
Sie streifte die goldnen Locken
Aus ihrem Angesicht;
Sie hob, so süß erschrocken,
Ihr blaues Augenlicht.
Und in den Nischen allen
Erwachen Ritter und Frau;
Die alten Lieder hallen
Im weiten Fürstenbau.
Ein Morgen, rot und golden,
Hat uns den Mai gebracht,
Da trat mit seiner Holden
Der Prinz aus Waldesnacht;
Es schreiten die alten Meister
In hehrem, stolzem Gang
Wie riesenhafte Geister
Mit fremdem Wundersang.
Die Täler, schlummertrunken,
Weckt der Gesänge Lust,
Wer einen Jugendfunken
Noch hegt in seiner Brust,
Der jubelt, tief gerühret:
»Dank dieser goldnen Früh',
Die uns zurückgeführet
Dich, deutsche Poesie!«
Die Alte sitzt noch immer
In ihrem Kämmerlein;
Das Dach zerfiel in Trümmer,
Der Regen drang herein;
Sie zieht noch kaum den Faden,
Gelähmt hat sie der Schlag;
Gott schenk' ihr Ruh' in Gnaden
Bis über den jüngsten Tag!
Ludwig Uhland (1811)
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