Auswahl Deutscher Gedichte für höhere Schulen
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Arbeit

Dich preis' ich hoch vor allen Göttinnen,
Dich, heil'ge Arbeit, Spenderin des Friedens!
Die ernste Stirn bekränzet mit Cyanen,
Die Linke stützend auf die volle Garbe,
Senkst du die Sichel in der rechten Hand,
Indes die jüngre Schwester, die Erholung,
Dir lächelnd über deine Schulter schaut. –
Nicht lange trägt der Mensch der Götter Nähe:
Sein blödes Auge blendet bald ihr Glanz,
Sein irdisch Herz verzehrt die Glut des Himmels:
Die Liebe tötet, es berauscht die Freude,
Und die Begeisterung zersprengt die Brust,
Die sie zu voll erfüllen: wie ein Festtag,
Nur selten, dürfen flüchtig sie uns grüßen.
Du aber wardst uns treue Hausgenossin,
Hast abgelegt den Schimmer des Olympos
Und deine Glieder, die ambrosischen,
Hast du gehüllt in braune Werktagskleider:
Du trittst in unsre Tür gleich einer Magd:
Erst wann du scheidest, spürt der Mensch am Segen,
Den sie gebracht, daß eine Göttin nah war. –
Drei Lose sind verteilt an drei Geschlechter:
Den Göttern Seligkeit, den Toten Ruhe,
Den Menschen Arbeit. –
Du schenkest einen Trunk aus goldner Schale,
Unendlich segensreicher noch als Lethe:
Dein Trank macht nur das Schmerzliche vergessen,
Was freundlich ist, erhält er in Erinnrung
Und würzt es mit dem köstlichen Arom:
Mit dem Bewußtsein treu erfüllter Pflicht. –
In deinen Tempel will ich all mein Leben,
Ein Weihgeschenk des frommen Dankes, hängen
Und will von allen Himmlischen lobpreisen
Dich, heil'ge Arbeit, Spenderin des Friedens.

Felix Dahn

 


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