Auswahl Deutscher Gedichte für höhere Schulen
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Die vier Alter

Unter Blumen geht der Knabe
Spielend mit der freundlichen Welt,
Die er noch als Knospe hält,
Hat ein Roß in seinem Stabe
Und im Teiche einen Belt.
Spiele, spiele, froher Knabe!
Und genieße, was dir gefällt!

An dem Strome der Jüngling stehet,
Und sein Rauschen ihm schwellt das Herz,
Sehnend, was er nicht verstehet.
Flammt sein Blick hinüberwärts.
Wie ein Täubchen aus dem Schlage
Fliegt er in die weite Welt,
Bis mit jedem goldnen Tage
Auch ein goldner Zauber fällt.
Auf dem Lande, auf den Wogen
Ist er viel umhergezogen;
Nur die Sorge bringt er mit
In das Land der ersten Wiege
Als den Preis der langen Züge,
Und sie folgt ihm Schritt vor Schritt.

In die Enge zieht der Mann
Sich im Lebenssturm zusammen.
Jeder Tag mit seinen Flammen
Fragt ihn, ob er streiten kann;
Seines Willens strenger Meister
Jagt er selbst die Hoffnung fort.
Suchet in ihm selbst die Geister,
Sucht, sie nirgends oder dort,
Kämpft für seines Herzens Nest,
Daß sich Fremde drein nicht setzen,
Hält, umringt von tausend Götzen,
Nur im Schweiß das Heilige fest;
Das Allmächtige, was zertrümmert,
Ehrt er wie den Schwur des Styx,
Sieht es kommen, aber wimmert
Nicht um Gnade des Geschicks.

Kraftlos schleicht der müde Greis
Zitternd an dem Wanderstabe,
Doch ihm blühen selbst am Grabe
Blümlein rot und blau und weiß;
Geistern trauet er und Träumen,
Nimmt die Hoffnung wieder ein,
Und sie kommt mit goldnen Säumen
Freundlich wie ein Engellein.

In der Mitte liegt das Streben,
Um der Kindheit Morgenrot,
Um den Tod
Blüht am jüngsten jedes Leben.

Ernst Moritz Arndt (1803)

 


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