Auswahl Deutscher Gedichte für höhere Schulen
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Heimweh

O sieh die Schwalbe, Knabe mein!
Sie sitzt am Simse tief bekümmert.
Indes dein schadenfroher Stein
Das Nest, das traute, ihr zertrümmert.

Du wirfst, mit kindlich offner Lust,
Den Stein in die geweihten Hallen;
Sie schaut, mit Gram in junger Brust,
Die teuern, letzten Trümmer fallen.

Sie flattert fort, sie fliegt umher
Vereinsamt auf den weiten Auen;
Du weißt es nicht, es ist so schwer.
Die neue Heimat sich zu bauen.

Was Heimat ist, du ahnst es kaum!
Kommt dir die Mutter nicht entgegen?
Wird sie zu Nacht auf weichem Flaum
Dein Köpfchen nicht zur Ruhe legen?

Dann träumest du und schlummerst fest,
Wenn noch die Schwalbe schweift und irret.
Ach! und um ihr zerstörtes Nest
Mit heimatlosem Flügel schwirret,

Wenn ich in düstrer Mitternacht
Vereinsamt schweife vor den Toren
Und an das Vaterhaus gedacht.
Das ich verlassen und verloren.

Karl Beck
1856-1911

 


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