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57. Wir beschließen, die Reise nach Akureyri im Flugzeug zu machen. – Vorbereitungen.

Trotz meines Wohlergehens in Südisland wurde nun doch mein Verlangen nach dem Nordlande immer größer. Ich wollte die Stätten wiedersehen, wo ich meine glückliche Jugendzeit zugebracht hatte.

Es drängte mich vor allem, nach Akureyri zu reisen, nach Mödruvellir und Skipalón. Auch den herrlichen Eyjafjördur wollte ich wiedersehen, um noch einmal hinauszufahren auf das Meer, wie ich mit dem kleinen Manni in unserem Kahn so oft hinausgefahren war und einige der herrlichsten Abenteuer meines Lebens erlebt hatte.

Wie sollte ich aber die Reise machen? Zu Wasser oder zu Land oder am Ende – durch die Luft?

Ich konnte leicht mit einem der schönen Küstendampfer von Reykjavik nach Akureyri fahren. Es gab viele Reisegelegenheiten.

Ich konnte auch den Landweg nehmen. Eisenbahnen gibt es in Island nicht, aber Pferde und Autos in Menge.

Sollte ich mit Viktor durch das weite Land reiten, wie ich es 1894 mit dem kleinen Frederik getan hatte? Vgl. mein Buch »Zwischen Eis und Feuer – Ein Ritt durch Island« (Breslau, Görlich).

In diesem Falle mußte ich zwei Reitpferde kaufen und noch ein Gepäckpferd dazu, und die Reise bis Akureyri würde dann ein paar Wochen dauern. Mit dem kleinen Frederik war ich damals – vor 36 Jahren – in siebzehn Tagen von Reykjavik nach Akureyri geritten. Es war eine wundervolle Reise!

Wir konnten aber auch modern sein und von Reykjavik nach Akureyri fliegen. Mit dem Flugzeug würde die Reise statt ein paar Wochen oder ein paar Tage nur einige Stunden dauern.

Eine ungefähr 500 km lange Reise durch die Luft zu machen, hoch über allen Gletschern und Feuerbergen, das übte einen starken Reiz aus.

Wie die Vögel frei und frank, hoch oben im Himmelsraum zu schweben! Durch die Lüfte mit Blitzesschnelle voraneilen! Die weitesten Landstrecken mit Bergen und Ebenen, mit großen und kleinen Seen überschauen! Das würde für uns etwas Großartiges und Neuartiges sein.

Ich wollte Viktor eine Freude machen und ihn die Art des Reisens wählen lassen. Seiner Wahl wollte ich mich anschließen.

Ich ging zu ihm auf sein Zimmer. Er war gerade dabei, Briefe zu schreiben: an seine Eltern und Freunde und an das Herdersche Verlagshaus.

»Viktor«, fing ich an, »ich möchte dir eine Frage stellen.«

»Ich bin ganz Ohr«, erwiderte er humorvoll.

»Du weißt, wir wollen Reykjavik bald verlassen und uns nach Nordisland begeben. Wir sind ja jetzt schon vier Wochen hier. Aber wie wollen wir reisen? Hast du vielleicht einen besondern Wunsch?«

»Ich habe über die Sache noch nicht nachgedacht. Welche Reisemöglichkeiten gibt es denn eigentlich? Und für welche sind Sie?«

»Wir können zu Schiff fahren. Das dauert einige Tage; denn der Dampfer fährt in mehrere Fjorde hinein.«

»Das wäre ja herrlich«, rief Viktor aus.

»Wir können auch in einem Auto die Fahrt machen. Das ist kürzer, und dann sieht man mehr von Land und Leuten.«

»Das würde mir auch sehr gut gefallen.«

»Dann gibt es die Möglichkeit, die Reise zu Pferde zu machen und quer durch ganz Island zu reiten.«

»Das wäre wundervoll!« antwortete Viktor begeistert.

»Was meinst du also? Wie möchtest du am liebsten reisen?«

»Ja, da muß ich doch noch etwas nachdenken.«

»Nun so denk ein wenig nach, Viktor.«

Der Junge stützte seine Ellenbogen auf die Tischplatte, begrub das Gesicht in seine beiden Hände und fing an nachzudenken.

Es dauerte aber nicht lange, da stand er auf, schaute mich lustig an und sagte:

»Heureka! Ich hab's!«

Ich wartete gespannt.

»Ich möchte alle drei Reisearten wählen«, sagte der schlaue Junge.

»Alle drei? Wie denkst du dir das?«

»Wir fahren mit dem Schiff bis zu einem der Fjorde; dort steigen wir aus und setzen die Reise im Auto über Land fort, aber nur eine Strecke weit. Das letzte Stück machen wir dann auf dem Pferderücken …«

»Wie schlau du bist! Ich habe nichts gegen deinen Plan. Nur ist es nicht ganz sicher, ob wir ihn ausführen können. Du weißt, in Island ist alles im Werden. Autostraßen gibt es noch nicht überall, Reitwege auch nicht. Dein Plan muß also studiert werden. – Übrigens gibt es noch eine vierte Reiseart. Von der habe ich noch nicht gesprochen, und du selber hast anscheinend noch nicht daran gedacht. Vielleicht wirst du sie allen andern vorziehen.«

Viktor schaute mich neugierig an.

»Hättest du Lust die Reise im Flugzeug zu machen?«

»Im Flugzeug! Durch die Luft?« rief Viktor überrascht aus.

»Ja Viktor, durch die Luft …, hoch über allen Wolken …«

Viktor vergaß das Atmen. Er schaute mich groß an und fragte:

»Ist – das – Ihr – Ernst? Können wir das wirklich machen?«

»Ja, Viktor, es ist mir völlig Ernst. In einigen Tagen fliegt ein Flugzeug von hier nach Akureyri.«

»Fabelhaft«, jauchzte Viktor, und er lief nach seinem Bett hin und schlug darauf einen regelrechten Purzelbaum. Nach diesem Freudenausbruch faßte er wieder festen Boden und gab mir seinen Entschluß kund:

»So etwas hätte ich nicht für möglich gehalten. Wir lassen alles andere und nehmen das Flugzeug.«

Ich freute mich über Viktors grenzenlose Freude.

»Also abgemacht. Nach ein paar Tagen fliegen wir nach Akureyri. Wir sind jetzt einen ganzen Monat in Südisland gewesen. Das genügt.«

Nachdem der gute Junge sich etwas beruhigt hatte, besprachen wir uns noch eine Weile über die großen Dinge, die uns da bevorstanden.

Ich machte Viktor noch darauf aufmerksam, daß wir von Akureyri aus viel Gelegenheit haben würden, in der dortigen Gegend Ausflüge und Reisen zu machen zu Pferd, im Auto und auch im Kahn oder per Schiff. »Wir werden also nichts verlieren«, so schloß ich, »wenn wir jetzt auf die andern Reisearten verzichten.«

Zum Schluß gab ich ihm den Auftrag, sich mit dem Flugbureau unten in der Stadt in Verbindung zu setzen und sich dort die nötigen Aufklärungen über den Flug nach Akureyri geben zu lassen. Hierin konnte ich mich auf ihn verlassen. Er vermochte sich genügend auf isländisch zu verständigen. Überdies war der Direktor des Flugwesens ein Süddeutscher, also ein engerer Landsmann Viktors, und im Notfall konnte er sich an diesen wenden. Auch waren die isländischen Flugzeuge von der »Deutschen Lufthansa« geliefert, und die Piloten, die zwar Isländer waren, hatten ihre Ausbildung in Süddeutschland erhalten.

Viktor ging in die Stadt hinunter, um den Auftrag auszuführen.

Er kam zurück mit dem Bescheid, daß wir am folgenden Tag unsern Flug antreten könnten. Das Flugzeug werde um 4 Uhr nachmittags starten.

 

Wir trafen jetzt in Eile unsere Vorbereitungen. Am Morgen unseres Reisetages ging ich selber nach dem betreffenden Bureau in der Stadt, um die Plätze zu bestellen.

Der Flugdirektor war anwesend, als ich hineintrat. Ich fragte, ob zwei Plätze frei seien.

»Ja, gewiß«, sagte er, »aber es ist nicht sicher, ob man heute den Flug ausführen kann.«

»Warum?« fragte ich.

»Weil der Weg nicht frei ist.«

»Das Wetter ist aber doch ganz schön: kein Wind und kein Nebel.«

»Ja so ist es hier. Aber Sie müssen bedenken, daß Sie bis Nordisland eine Strecke von fast 500 Kilometer vor sich haben. Wenn hier gutes Wetter ist, kann schlechtes Wetter im Norden sein. – Doch wollen Sie einen Augenblick warten; ich will mich mit dem Norden in Verbindung setzen und fragen, wie es dort mit den Witterungsverhältnissen steht.«

Er ging ans Telephon, klingelte und horchte. Bald hörten wir folgendes Gespräch:

»Hallo! Hier Reykjavik, Flugamt. Wie steht es mit dem Wetter?«

Statt der Antwort entstand für uns eine längere Pause.

Dann sagte der Direktor: »So, so, also in Akureyri alles gut, aber dichter Nebel in Siglufirdi. Und die Windrichtung dort?«

Pause …

»Ostwind, sagen Sie?«

Pause …

»Ja, ja … So … Gut …«

Der Direktor legte den Hörer ab, wandte sich zu mir und sagte:

»Nein, heute kann man leider nicht fliegen. Es sind widrige Witterungsverhältnisse. Ich werde Ihnen zeitig Nachricht geben, wenn die Hindernisse behoben sind. Sie wohnen ja oben in Landakot.«

Mit diesem Bescheid ging ich nach Hause.

 

Es dauerte noch zwei Tage, bis der Luftweg nach Akureyri frei und sicher war. Da kam vom Flugamt der Bescheid: »Heute nachmittag um 4 Uhr startet das Flugzeug nach Akureyri.«

Wir machten uns also fertig. Als es Zeit war, verabschiedeten wir uns für einige Wochen mit herzlichen Dankesbezeigungen von unsern Freunden, die uns soviel Güte erwiesen hatten, und begaben uns nach dem Hafen.

»Súlan«, so hieß unsere Flugmaschine, war ein kleines, aber ausgezeichnetes Wasserflugzeug. Nur solche werden in Island gebraucht zur größeren Sicherheit der Reisenden. Bei einer Notlandung hat das Wasserflugzeug immer die Möglichkeit, sich aufs Meer oder, wenn der Flug über das Innere der Insel geht, auf einen der unzähligen Seen niederzulassen.

Unser Flugzeug ruhte jetzt auf der spiegelglatten Wasserfläche im Hafen.

Als wir am Ufer angekommen waren, näherte es sich der Landungsstelle. Der Pilot öffnete die Türe des Abteils für die Reisenden, und wir stiegen ein. Mitreisende hatten wir keine. Es wurden nur noch Postsachen gebracht und in einem besondern Raum eingeschlossen.

Der Pilot, ein freundlicher, junger Isländer, gab mir die Hand zum Gruß und versicherte, daß wir einen sehr ruhigen Flug bis Akureyri haben würden.

»Wie lange dauert die ganze Reise?« fragte ich ihn.

»Drei Stunden«, erwiderte er. »Wir starten um 4 Uhr und landen um 7 Uhr in Akureyri.«

»Fliegen wir direkt nach Akureyri? Oder landen wir auch unterwegs?«

»Wir halten unterwegs zweimal: Das erste Mal über Stykkishólmur. Das heißt, wir verlangsamen die Fahrt und gehen tief, um dort Post abzuwerfen. Dann aber landen wir wirklich in Siglufjördur und bleiben dort eine Viertelstunde. Von dort geht es direkt in den Eyjafjördur hinein bis nach Akureyri.


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