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55. Nach Kaldadarnes. – Wir begegnen dem »Zeppelin«. Mit Universitätsprofessor Gudmundur Hannesson nach dem Hofe Reykir. – Deutsche Arbeitskräfte in Island.

Einige Tage später nahm uns Herr Eggert Briem, der Herr von Videy, in einem Auto mit weit ins Land hinein nach dem prachtvollen Gut Kaldadarnes, einem der größten Güter des ganzen Landes, 1900 Hektar umfassend.

Es war das für mich und Viktor ein neuer, herrlicher Ausflug in dem »fabelhaft« schönen Land.

In Kaldadarnes spielte ein kleiner achtjähriger Junge auf der blühenden Wiese vor dem Hause.

Ich war nicht wenig erstaunt, als ich zu hören bekam, daß der Knabe, so jung er sei, drei Sprachen verstehe und spreche: Isländisch, Dänisch und Deutsch.

Ich ging zu dem Kleinen hin und redete ihn erst isländisch an. Dann fuhr ich in dänischer Sprache fort und endlich in deutscher. Er bestand die Probe glänzend.

Das große Gut ist wirklich eine Sehenswürdigkeit, und wir konnten aufs neue die wirtschaftlichen Fortschritte Islands bewundern.

 

Auf der Rückfahrt bekamen wir zwischen Kaldadarnes und Reykjavik ein herrliches Schauspiel zu sehen, von dem Viktor sich ganz besonders begeistern ließ. Und was war es? Während das Auto auf der Landstraße dahineilte, schaute ich aus dem Fenster nach einer schönen Bergkette, die sich rechts von uns hinzog. Da entdeckte ich plötzlich eine sehr kleine, dunkle Wolke, die über den Bergen in der Luft schwebte. Daran war gewiß nichts Besonderes. Das Besondere aber kam nun.

Die Wolke hob sich merkwürdig klar gegen den lichten Himmel ab und schien direkt in die Höhe zu steigen. Dann nahm sie in der Höhe die Richtung auf uns zu und wurde immer größer und deutlicher.

»Das ist keine Wolke«, rief ich schließlich, »das muß ein Luftschiff sein.«

Jetzt schaute auch Viktor hin.

»Ja, sicher ist das ein Luftschiff.«

»Dann kann es nur der ›Zeppelin‹ sein«, war mein Urteil. Ich hatte das große Luftschiff öfters am Bodensee gesehen.

Als Viktor das hörte, rief nun auch er erregt und mit voller Kraft:

»Ja, ja, das ist der ›Zeppelin‹!«

Das Auto wurde sofort angehalten. Wir rissen die Türen auf und stürzten aus dem Wagen. Viktor schwenkte voller Begeisterung seine Mütze hin und her und rief aus Leibeskräften: »Hoch Deutschland! Es lebe der Zeppelin!«

Er hatte also recht bekommen: Deutschland brachte dem isländischen Volk eine eigenartige Huldigung dar.

Das Luftschiff schwebte über unsern Köpfen, aber so hoch, daß es unmöglich war, etwas anderes von ihm zu hören als den Lärm der Motore.

Endlich entschwand der Riese unsern Blicken.

Dies geschah am 17. Juli 1930.

Später erfuhren wir, daß das Luftschiff nach Reykjavik geflogen sei und längere Zeit über der Stadt gekreuzt habe. Es wurden Grüße und Glückwünsche zwischen dem Führer des Luftschiffes, Dr. Eckener, und dem Ministerpräsidenten Tryggvi Thorhallsson gewechselt.

Das wunderbare Fahrzeug verließ dann die Hauptstadt und flog nach verschiedenen andern Gegenden des Landes.

Eine weitere hervorragende Persönlichkeit, die während meines Aufenthaltes in Reykjavik mir viele Freundlichkeit erwies, war Herr Universitätsprofessor Dr. med. Gudmundur Hannesson.

Er nahm mich eines Tages in seinem Auto mit aufs Land, um mir einige Musterfarmen zu zeigen. Ich berichte nur Näheres über unsern Besuch auf dem Hofe Reykir.

Der Besitzer nahm uns mit großem Entgegenkommen auf. Er unterrichtete uns namentlich über die interessanten Versuche, die er mit den heißen Quellen, die sich bei seinem Hofe befinden, zur Förderung der Landwirtschaft unternommen hatte.

Er hat große Treibhäuser gebaut, in die er das heiße Wasser der Quellen hineinleitet unter und über der Erde. So schafft er die notwendige Wärme und züchtet und zieht alle Gewächse und Früchte, die er züchten und ziehen will. Auch Südfrüchte gedeihen auf diese Weise, und selbst Weinbau ist in Vorbereitung. – Südfrüchte in Island!

Der Besitzer führte uns durch die Treibhäuser. Da war tropische Wärme und reiches, schwellendes Wachstum. Eben zog er eine Unmenge Tomaten und Gurken.

Als wir in den Treibhäusern herumgingen, sagte er zu mir:

»Meine besten Arbeiter in der Wirtschaft sind zwei Deutsche. Sie kamen hierher gegen Ende des Krieges, geschwächt und fast ausgehungert, und boten sich als Arbeiter an. Ich nahm sie auf und bin mit beiden außerordentlich zufrieden. Sie sind sehr geschickt, arbeitsam und treu.«

 

Während wir von ihnen sprachen, kam der eine in das Treibhaus, in dem wir uns gerade befanden, herein. Ein großer, starker Mann, ein wahrer Riese.

Ich grüßte ihn und unterhielt mich einige Minuten mit ihm. Ich erkannte sofort, daß ich es mit einem gebildeten Manne zu tun hatte. Er war evangelischer Theologiestudierender gewesen und hatte sich vor nicht langer Zeit mit einem Mädchen aus Mainz verheiratet.

Sein Landsmann, der auch im Dienste des Gutsbesitzers stand, stammte aus dem Harz.

Überhaupt wunderte ich mich über die große Zahl Deutscher, die ich in Island traf. Noch mehr war Viktor darüber erstaunt. Sie standen meistens in Arbeit und verdienten gut.

So ging ich eines Tages zu einem Friseur, um mir die Haare schneiden zu lassen. Der Meister war Isländer, sein Geselle aber ein junger Hamburger. Dieser sagte mir, er wolle einige Jahre in Island arbeiten, weil die Löhne dort so hoch seien. Dann könne er vielleicht zu Hause ein eigenes Geschäft anfangen.

 

Wie so vielen, ja unzähligen andern, die ich hier leider nicht einmal ausdrücklich nennen kann, weil sie so zahlreich sind, schulde ich auch dem lieben und aufopfernden Herrn Professor Gudmundur Hannesson großen Dank für seine Güte gegen mich und für die freundlichen Dienste, die er mir geleistet hat.


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