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Sobald Germain aus dem Gefängnisse entlassen worden war, machte es Schuri keinerlei erhebliche Schwierigkeit, nachzuweisen, daß er den Einbruch, auf Grund dessen seine Festnahme erfolgt war, nur simuliert hatte. Er machte dem Untersuchungsrichter gegenüber kein Hehl über den Zweck, den er mit dieser wunderlichen Irreführung verfolgt hatte, und wurde, nachdem ihm der Richter eine ernstliche Vermahnung mit auf den Weg gegeben, ebenfalls in Freiheit gesetzt.
Rudolf hatte, als sich das ereignete, über den Verbleib Marienblümchens noch keinerlei Aufklärung. Da er nun seinem alten Bekannten Schuri, dem er ja schon das Leben verdankte, für die in seinem Interesse neuerdings vollbrachte Handlung seinen Dank nicht schuldig bleiben mochte, hatte er ihm in seinem Palais Unterkunft gegeben, ja ihm sogar versprochen, ihn mit sich nach Gerolstein zu nehmen. Schuri fühlte Rudolf gegenüber, wie schon gesagt, die blinde Anhänglichkeit eines Hundes gegen seinen Herrn. Sein Ehrgeiz und Glück beschränkten sich darauf, mit Rudolf unter einunddemselben Dache zu wohnen, ihn von Zeit zu Zeit zu sehen und, wie der Habicht auf seine Beute, ungeduldig auf eine Gelegenheit zu warten, wo er sich ihm und den Seinigen zum weiteren Male nützlich machen könnte. Diese Lage zog er allem Besitztum und Vermögen in Algier tausendmal vor, trotzdem ihm Rudolf die Hand, beides zu erwerben, geboten hatte.
Hierin trat eine Aenderung ein, als der Großherzog seine Tochter wiedergefunden hatte. Trotz allem Dankgefühl für seinen Lebensretter konnte der Großherzog sich doch nicht dazu entschließen, einen solchen Zeugen der schmählichen Situation, in der sich sein Kind in Paris befunden, mit nach Deutschland hinüber zu nehmen. Anderseits wollte er dem Manne nicht zu nahe treten, und so kam er zu dem Entschlusse, ihn zu sich zu bescheiden und ihm freizustellen, welche Wünsche er äußern wolle. Schuri erschien hochbeglückt, und als ihm Rudolf gar sagte, daß er einen Freundschaftsdienst von ihm zu erbitten habe, verklärte sich Schuris Gesicht vor Freude schier. Auf die Mitteilung hin jedoch, daß es als ausgeschlossen gelten müsse, daß Schuri den Fürsten nach Deutschland begleite, verschwand alle Freude im Nu, um einer argen Bestürzung Platz zu machen. Ganz aus dem Häuschen schien er geraten zu wollen, als er hörte, es sei sogar notwendig, daß er noch heute das Palais verlasse.
Von all den im wahrsten Sinne des Wortes fürstlichen Entschädigungen zu reden, die ihm von dem Fürsten geboten wurden, wird nicht erst notwendig sein. Es hätte mancher aus den höchsten Kreisen alle zehn Finger danach ausgestreckt. Bei Schuri lagen die Dinge jedoch anders: er fühlte sich im innersten Herzen getroffen und schlug deshalb alles aus, was ihm geboten wurde, ja er weinte schließlich wie ein kleines Kind, zum ersten Male vielleicht in seinem ganzen Leben. Rudolf mußte all seinen Einfluß aufbieten, um Schuri soweit zu bringen, daß er wenigstens all das behielt, was ihm Rudolf bislang zugewendet hatte.
Am nächsten Tage ließ nun Rudolf Martial mit seiner unter dem Namen »die Wölfin« bekannten Braut zu sich bescheiden, ohne ihnen jedoch zu sagen, daß Marienblume sein leibliches Kind sei. Er verlangte von ihnen nur Auskunft darüber, wie er sich ihnen dankbar erweisen könne, und gab ihnen das Versprechen, daß all ihre Wünsche befriedigt werden sollten. Als er sah, daß keines von beiden mit der Sprache heraus wollte, fiel ihm ein, was ihm Marie von den Zukunftsgedanken der beiden rauhen Leute erzählt hatte, und stellte ihnen frei, zwischen einer größeren Summe Geldes und der Hälfte davon nebst der in Algier gelegenen Meierei zu wählen.
Hierbei leitete Rudolf auch der Grund mit, daß es sowohl Martial als Schuri nur erwünscht sein könne, Frankreich den Rücken zu wenden, dem einen wegen seiner eigenen Vergangenheit, dem andern wegen der Verbrechen, die von seinen nächsten Angehörigen begangen worden waren.
Er hatte sich hierin auch nicht geirrt, denn Martial und seine Braut erklärten sich mit Freuden bereit, auf ein solches Anerbieten einzugehen, und auch Schuri gefiel, seit er wußte, daß er nicht allein nach Algier gehen solle, sondern in Begleitung von zwei Leuten, die er in gewissem Sinne als Kameraden ansehen mußte, der Vorschlag recht gut, zumal sie Besitzer von zwei aneinanderstoßenden Meiereien werden sollten.
Schuri kam den beiden Auswanderungskameraden trotz seiner Beklommenheit mit aller ihm möglichen Herzlichkeit entgegen, und in verhältnismäßig kurzer Zeit waren sie nicht mehr bloße Bekannte, sondern hatten sich angefreundet, denn Leute von solchem Schlage durchschauen einander schnell und schließen sich entweder schnell aneinander oder verbeißen sich in eine unüberwindliche Abneigung gegeneinander. Wenn nun auch Schuri sich von seiner Beklommenheit nicht so leicht frei machen konnte, so ließ er sich doch nicht lange nötigen, sich über alles mit Martial und seiner Braut zu beraten, was für ihre Reise und die neuen Lebensbedingungen, in die sie treten sollten, von irgendwelchem Belang war.