»San Jago de Compostella
Sei unser Ziel, o Braut,
Zum Heiligen laß uns pilgern
Dem wir in der Not vertraut.
Wir wollen im Glücke lösen,
Was wir gelobt in der Pein,
Und dann zur Ruh' uns begeben,
Und selig durch Liebe sein!«
Sie machten sich auf die Reise;
Die Braut und der Bräutigam,
Sie wallten vom frühen Morgen,
Bis spät der Abend kam.
Sie gönnten sich keine Ruhe
In ihrem Pilgerlauf,
Sie lösten all ihre Liebe
In feiernde Andacht auf.
Und von Poitou bis Limoges
Ging's fort im raschen Zug;
Sie aßen nicht zur Genüge,
Sie tranken nicht genug.
Da starb die junge Gattin,
Da war des Jammers viel;
Der Bräutigam zog weiter,
San Jago blieb sein Ziel.
Er wollte dem Heiligen lösen,
Was er ihm einst gelobt;
Er wollte dem Heiligen zeigen,
Wie Männerwort sich erprobt.
Er sank zu Compostella
Wohl auf die Knie und sprach:
»Ich habe gelöst mein Gelübde,
Du, Heiliger, steh mir nicht nach.
Ich hab' dir gelobt zu kommen,
Daß du mir hälfest treu,
Und daß ich Ruhe fände,
Und selig in Liebe sei!«
Da schien das Bild zu lächeln,
Da stand der Pilger auf,
Und maß zurück nach Limoges
Den traurigen Pilgerlauf.
Dort trat er ans Grab der Gattin,
Ließ heben den Marmorstein,
Da lag sie so mild und freundlich,
Als lüde sie ihn ein.
»O Gattin im schmalen Sarge,
Wie,« ruft er, »find' ich dich?
Liegst selber so eng da unten,
Hast nicht einmal Platz für mich!«
Da scheint die Tote zu lächeln,
Und regt sich wie im Traum,
Und rückt ganz sacht beiseite,
Als machte für ihn sie Raum.
Er hat den Wink verstanden,
Er drückt die Augen zu:
An ihre Herzensseite
Sinkt er hinab zur Ruh'.
Er hat nicht umsonst dem Heil'gen
Verlobt sich in seiner Pein,
Jetzt kann er ja ruhen ewig,
Und selig in Liebe sein. |