|
Venedig, die herrliche Dogenstadt,
Macht wohl kein Aug' ihres Anblicks satt,
Da ist von Gondeln ein buntes Gewirr,
Der Pilger wird an dem Leben irr:
Er glaubt, es dräng' in ewigem Schwall
Sich ein endlos brausender Maskenball.
Der ernste Doge, der düstere Rat,
Die schleichenden Mäntel auf heimlichem Pfad,
Die stolzen Paläste, der Waren Pracht,
Manch Auge, das hinter dem Schleier lacht,
Das alles fesselt mit seltner Gewalt
Und läßt wohl nur zweifelnde Liebe kalt.
Wohl ist es auch zweifelnde Lieb' allein,
Die, zehrend mit nie beschreiblicher Pein,
An eines Ritters Herzen nagt,
Der hier umsonst nach Ruhe jagt.
Er ist daheim in Deutschlands Gaun,
Hat dort die lieblichste der Fraun,
Doch ob sie wohl auch die liebendste sei,
Das eben drückt ihm die Brust wie Blei.
Der Zweifel trieb ihn fort vom Haus,
Ins Leben hinein, in die Welt hinaus;
Durch Trennung will er sie prüfen scharf,
Ob ihren Küssen er trauen darf.
Er baut auf des Herzens Wahrheit fest,
Auf Unschuld, die sich nicht heucheln läßt;
Er baut auf der Freude Tränenerguß,
Auf des Wiedersehens gemütlichen Gruß.
Denn lügen läßt sich der willige Schmerz,
Leicht mag man zur Klage beschwatzen das Herz;
Doch der freudig begrüßenden Stimme Klang,
Die Träne der Lust, den begeisternden Drang,
Die zitternden Arme, den funkelnden Blick,
Das göttliche, in sich verstummende Glück,
Das läßt der Himmel sich nicht entweihn,
Sonst büßt er sein köstliches Vorrecht ein.
So träumte sich jener Ritter es oft,
Das ist es, was er zu finden hofft,
Wenn endlich die ewige Jahresfrist,
Die Zeit der Prüfung, verronnen ist.
Und doch hinwider manche Nacht,
Wenn er aus fiebrischen Träumen erwacht,
Da birst, wie verwischt von Geisterhand,
Vor seinen Augen des Zimmers Wand;
Sein Schloß, sein heimisches, steht vor ihm da,
Sein Weib erblickt er, so klar, so nah,
Und vor ihr – Gott! – kniet schwörend ein Wicht,
Aus dessen Hohlaug' Argheit spricht;
Kniet, – kniet ach! nicht vergebens, – sie winkt,
Sie lächelt, sie kämpft zum Scheine, sie sinkt! –
Da graut der Tag, der den Traum zerstäubt, –
Sein Höllenargwohn aber bleibt. |
|
Und wieder geht er mit düsterem Sinn
Einst über den Platz San Marcos hin.
Da drängt sich um einen Mäkler ein Kreis,
Als gäb' er das Beste für schlechten Preis.
Auf hölzernen Stufen sinnig gereiht
Stehn Gläser und Becher eng und weit,
Geschliffen und roh, von lauterem Schall,
Vielkantig und funkelnd wie Bergkristall.
Der Mäkler aber, ein sonderer Mann,
(Man merkt sein gebrechliches Werk ihm an,)
Steht hoch inmitten und faßt gewandt
Pokal um Pokal mit prüfender Hand:
»He! – Kauft euch Gläser, ihr Philosophen,
Denn Glas ist das Wappen der Philosophen
Kauft schöne Gläser, ihr Damen und Zofen,
Denn Glas ist das Sinnbild für Lieb' und Treu'!
Kauft klingende Gläser, ihr Krieger und Helden,
Ein passend Symbol für den Ruhm ist Glas!
Es möge sich jeder Stand hier melden,
Er findet für sich hier Bild und Maß. –
Doch eines hab' ich vor allen zu preisen,
Mein Glas ist ja – Venezianer Kristall!
Ihr mögt die Länder der Erde durchreisen,
Solch Glas ist nirgend im weiten All.
Es ist versetzt mit solchen Stoffen,
Daß, wie dreinfällt ein Tropfen Gift,
Der Becher zerspringt, und klar und offen
Den Frevler verrät, den der Argwohn trifft,
Traun! unter uns, in den Zeiten der Tücke,
Wo jung und alt ans Arge denkt,
Sind solche künstliche Probestücke
Für tausend Skudi soviel als geschenkt!«
Der Ritter hört des Mäklers Geschwätz;
So mancher Käufer geht ins Netz,
Und schon verläuft sich der gaffende Schwarm,
Der Ritter nur bleibt mit gekreuztem Arm,
Und starrt bewußtlos den Handelsmann
Und seine gebrechlichen Bilder an.
»Ei, schmucker Fremdling!« beginnt nun der,
»Verblenden Euch meine Kristalle so sehr?
So kauft Euch einen, Ihr habt die Wahl,
Doch riet' ich Euch wohl zu diesem Pokal;
Er ist so tüchtig und doch so fein,
Mag Frauen und Herren gleich ziemlich sein!
Ihr habt ja gewiß ein Gespons zu Haus,
Da tränke sich's trefflich zu zweien draus;
's ist Venezianer Glas, das zerschellt,
Wie nur ein Tröpflein Gift drein fällt.«
Aufdringen läßt sich der Ritter das Stück,
Bezahlt's und geht mit starrem Blick;
Doch, glaub' ich, fragt' einer ihn gleich ins Gesicht:
›Was tragt Ihr da?‹ – er wüßt' es nicht! – |
|
Die traurige Jahresfrist verrann,
Zur Heimkehr schickt sich der Ritter an.
Venedigs Zinnen versinken ins Meer,
Schon nicken die Alphöhn über ihn her.
Schon winkt ihm vom fernen, duft'gen Rand
So schmerzlich wieder das deutsche Land.
Er findet noch alles, wie er's verließ:
Der Bergstrom furcht noch denselben Kies,
Dieselben Gehöfte, dieselben Aun
Sind neben derselben Straße zu schaun,
Und was dort ragt auf demselben Gestein,
Dies Schlößlein schließt ihm die Gattin ein.
Die Gattin? – Mit bittersüßem Gefühl
Faßt dieses Wort ihn am nahen Ziel;
Sein Herz, halb bang, halb pochend vor Lust,
Zu sprengen droht es die ängstige Brust.
Bald spornt er das Roß, bald hält er's zurück,
Als sucht' er, als zagt' er, zu finden sein Glück.
Jetzt sinkt das Falltor, jetzt erschallt
Vom frohen Empfangsruf Burg und Wald.
Die Treppe herunter fliegt sein Weib,
Gleich einer Blume knickt ihr Leib,
Ob aber vor Freud', ob etwa vor Scheu,
Er kann's nicht erkennen, sie ist ihm zu neu.
Sie ist ihm ja Braut zum zweitenmal,
Ihr Kuß betäubt ihm des Zweifels Qual.
Vergessen ist jeder verdammende Groll;
Ihr zitternder Arm, der Tränen Zoll,
Der schweigenden Wonne seliger Zug,
Das ist nicht Tücke, das ist nicht Trug!
Und als er die Glieder nach Lust erquickt,
Da fragt sie ihn, schmeichelnd hinübergebückt:
»Und hast du aus Welschland nichts mir gebracht,
Was Freude dem kindischen Weibe macht?«
Sie sagt's, da fällt sein Becher ihm ein.
»Wohl!« spricht er, »dieser Pokal sei dein.
Ich kauft' ihn fern in der Meeresstadt,
Und eigen ist, was der Becher hat:
Wie nur ein Tröpflein Gift drein fällt,
Alsbald zur Erde sinkt er zerschellt.
Drum nimm dies Werk, so tüchtig und fein,
Und füll es zum Rande mit duftigem Wein,
Und trink es auf deine Lieb' und Treu'
Und denk an unsere Schwüre dabei!«
Die Gattin füllt den Becher zum Rand,
Und faßt ihn und spricht zum Himmel gewandt:
»Die Träne, die mir vom Auge quillt,
Sie sei meiner Treue lebendiges Bild!
Sie roll' in dieses Glas hinein,
Sie soll ein Pfand meiner Liebe dir sein!«
Und eine Träne, groß und hell,
Perlt nieder, rollt ins Glas zur Stell';
Da klingt, – da springt das Glas entzwei, –
Und sie sinkt nieder mit gellendem Schrei.
»Gift,« schreit der Ritter – »zerschellt dies Glas:
Nun hab' ich für deine Treue das Maß!
Die Träne der Untreu', – ich fühl's, ist Gift, –
Und Tod ist die Strafe, die Falschheit trifft!«
Und während sein Dolch ihr die Brust zerfleischt,
Bekennt sie sterbend: sie hab' ihn getäuscht. |