Johann Gabriel Seidl
Bifolien
Johann Gabriel Seidl

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IV.

Die Feuerglocke zu Köln.

                  Der Glock' am Kölner Münster benahm die Zeit den Ton;
Wer soll die neue gießen? Der Ruhm ist reicher Lohn.
Und Wolf, der Glockengießer, ein wilder, finstrer Mann,
Tritt hin zum Rat und bietet mit kühner Hast sich an.

Ihn lockt es, einst zu hören, wie stolz sein Werk geweiht
Hineinspricht in das Leben, als offner Mund der Zeit,
Als ein mit späten Enkeln geteiltes Eigentum,
Sein Denkmal jede Schwingung und jeder Klang sein Ruhm.

Drum auf Schul-Erhards Wiese beginnt er schnell den Guß.
Schon gärt im lohen Ofen des Erzes grauser Fluß,
Schon öffnet Wolf mit Bangen des Models irdnen Schrein,
Und läßt in Gottes Namen die glühe Speis' hinein.

Und alles harrt erwartend, bis ausgekühlt das Werk,
Damit er ab es schäle vom Hut bis zum Gemerk;
Nun faßt er schon den Hammer, erhebt ihn schon zum Schwung,
Schon birst die Form, o Himmel! die Glock' hat – einen Sprung.

Und Wolf, in Gottes Namen, erneut voll Hast den Guß.
Schon zwängt er in den Model den zweiten Feuerfluß,
Läßt schon das Werk verkühlen, hebt schon den Arm im Schwung,
Zerschlägt die Form, o Himmel! zum zweitenmal – ein Sprung.

»Nun weil's denn nicht,« so ruft er, »in Gottes Namen glückt,
Sei's in des Teufels Namen!« – Das gläub'ge Volk erschrickt;
Er aber hört kein Warnen, und schmelzt und rührt und gießt,
Bis hell ins Kleid von Erde die rote Speise fließt.

Schon ist's verkühlt, schon schwingt er den Hammer, sprengt das Kleid, –
Da steht es hell und glänzend in seiner Herrlichkeit;
Kein Sprung, ja nicht ein Makel, des Feuers schönstes Kind!
Er sieht's und staunt, die Menge trägt's nach der Stadt geschwind.

Schon ziehn es hundert Hände mit Macht empor am Strang.
»Wolf,« heißt es, »prüf' am ersten des eignen Werkes Klang;«
Er wartet schon am Turme, bis sich die Glock' erhebt,
Jetzt hastet sie, jetzt zieht er das Seil, sie tönt, – er bebt.

Sie tönt so hohl, so grausig, sie gellt so wild und graß,
Und rührt er gleich sie nimmer, sie brummt ohn' Unterlaß;
Das Volk zerstiebt, sich kreuzend, ihn aber faßt's wie Sturm,
Und schüttelt ihn wie Wahnsinn und schleudert ihn vom Turm.

Die Glocke ließ man aber, noch hängt sie mahnend dort,
Und predigt: »Gunst des Bösen ist gar ein schwacher Hort!«
Doch als ein Kind des Fluches, als Werk der Höllenkunst,
Rührt man sie nur beim Wetter, bei Sturm und Feuersbrunst.

 
In der Kirche.

        Ein frommes Lied durchschüttert
Den hochgewölbten Dom,
Durch alle Räume zittert
Des Chors gewaltiger Strom.

So war's vor langen Jahren,
Da stand ich, ein Knabe, hier;
Was hab' ich seither erfahren,
Was ging vorüber an mir!

Dort kannt' ich viele Mienen
In Stühlen und Bänken umher:
Jetzt such' ich umsonst nach ihnen,
Ich finde sie nicht mehr.

Nicht ein Gesicht, nicht eines
Von allen weit und breit,
Und niemand erkennet meines,
Als wär's eine neue Zeit.

Das Meßlied aber schallet
So wie es damals klang,
Und was durch die Hallen hallet,
Es ist noch derselbe Gesang.

Der Mensch vergeht und verlebet,
Das Dasein wechselt und kreist;
Hoch über den Wellen schwebet
Beständig der ewige Geist.


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