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Mensch, wenn ein Mensch vor dir erscheint
Mit menschlich froher Brust,
Was denkst du dann im stillen, Freund,
Von seiner hohen Lust?
Ist dein Entzücken voll und rein,
So du darüber hast?
Wird's eitel ganze Freude sein,
Was dich mit ihm erfaßt?
Sieh, Freund, erblick' ich einen so,
Dann denk' ich stets bei mir:
»Du, guter Mann, du bist so froh,
Stehst gar so selig hier,
Schlürfst all' das bißchen Fried' und Freud'
In diesem Stündchen ein,
Und denkst nicht, wann dir nach der Zeit
Je wieder so wird sein?
Wer weiß, du guter Ohnenot,
Der du so munter bist,
Wer weiß, ob dieses ›Heute rot‹
Nicht ›Morgen tot‹ schon ist.
Wer weiß es, ob du diesen Trank
Nicht mit dem Tode trinkst,
Ob nicht vom Rosenbette blank
Ins Rasenbett du sinkst!
Wer also, denk' ich dann so fort,
Wer also darf sich freun,
Da schon das erste Blatt verdorrt,
Wenn wir das letzte streun?
Wer kann vom Herzen munter sein,
Wenn Nacht den Tag berührt,
Und oft der goldne Freudenwein
Zum Totenweine wird?!« –
Doch, Menschen, wenn ein Mensch vor euch
Im schmalen Sarge liegt,
Die Augen zu, die Wangen bleich,
Die Händ' ans Herz geschmiegt, –
Was denkt ihr dann, durchfährt's euch nicht
Wie Schreck vorm Spiegelbild?
Seh' ich dem Toten ins Gesicht,
So werd' ich weich und mild.
»Ei!« denk' ich mir, »du stummer Mann,
Du hast es nicht so schlecht:
Versöhnt sieht uns dein Antlitz an,
Und alles ist dir recht. –
Und doch hinwider, wenn man's nimmt,
So hast du's, o! recht schwer:
Dein Saitenspiel ist abgestimmt,
Kein Lautner stimmt dir's mehr!
Was je darüber fuhr und klang,
Es fuhr und klang umsonst,
Dein Heimgang ist ein stiller Gang,
Und stumm ist's, wo du wohnst!
Drum denk' ich, rüstig aufgespielt,
Solang' die Saite hält:
Nur ein Land gibt es, wo man fühlt,
Nur eine laute Welt!« –
So, Brüder, war ich oft nicht froh,
Wo alles froh erschien,
Und sah ich eine Leiche wo,
So blickt' ich lächelnd hin.
Des ist ja grad das Menschenherz
So höhnend sich bewußt:
Nie hat es einen ganzen Schmerz,
Nie eine ganze Lust! |