Johann Gabriel Seidl
Bifolien
Johann Gabriel Seidl

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Vierte Lese.

Nicht gegängelt will ich werden,
Nicht gekost und nicht geherzt;
Aber Fehde biet' ich jedem,
Der mir mein Gefühl verschwärzt!

I.

Die beiden Spieler.

                    »Laß ab, laß ab von deinem Treiben,
Es führt zu keinem guten Ziel!« –
»»Umsonst, es läßt mich nimmer bleiben:
Ein list'ger Teufel ist das Spiel!
Nur wer das Höchste weiß zu wagen,
Hat Anspruch auf den höchsten Preis.
Fort! fort! das Glück muß ich erjagen,
Und gält' es meinen letzten Schweiß!««

Der Spieler ruft's, und eilt von hinnen
Mit seiner Habe kargem Rest;
Da gilt nun weiter kein Besinnen,
Bei allen Haaren hält's ihn fest.
Mag sich sein Weib daheim zergrämen,
Weh' über seine Kinder schrein,
Wenn ihn des Würfels Zauber lähmen,
So kann ihn keine Macht befrein.

Zum Spieltisch eilt er heut' auch wieder,
Wirft seine Würfel hastig drauf,
Und setzt sich ungeduldig nieder; –
Da fällt ein fremder Gast ihm auf,
Im Mantel, schwarz von Bart und Locken,
Mit dunkler Kappe sitzt er da;
Spiellustig halb und halb erschrocken
Rückt ihm der Würfler forschend nah.

»Beliebt's?« so murmelt nun der Fremde,
Und zieht ein Würfelpaar hervor. –
»»Ei nun! und ging' es auch ums Hemde!
Wo ist ein Mensch, der nie verlor?
Kommt an! Ihr seid wohl noch ein Jünger,
Ein Neuling?! Nun, das lernt sich bald;
Durchs Fehlen bilden sich die Finger,
Drum frisch! Und wer verliert, bezahlt!««

Nur wenig galt's beim ersten Male,
Doch mit dem Spiele wächst der Preis. –
»»Ei seht! Was treibt Ihr denn? Ich zahle
Ja viermal schon! Ihr macht mich heiß!
Wohlan! es soll was Rechtes gelten:
Das Glück ist nur dem Kühnen hold!««
Er ruft's, wirft, fehlt und zahlt mit Schelten
Dem Gaste schier sein halbes Gold.

Da flammt er auf: »»Mit Euren Händen
Ist Gott, wenn's nicht ein ärgrer ist!
Da hilft kein Drehen und kein Wenden,
Da frommt nicht Übung und nicht List!
Nur werfen heißt bei Euch gewinnen,
Doch nicht zu End' ist noch der Kauf;
Werft! Euer Glück muß jetzt zerrinnen,
Mein letztes Gold hier setz' ich drauf!««

Sie werfen; mit des Gastes Händen
Ist wieder Gott, das Gold ist sein. –
»Und wollt Ihr,« spricht er, »noch nicht enden?«
Der wilde Würfler donnert: »»Nein!
Begehrt! noch hab' ich was zu wagen:
Ich hab' daheim noch Kind und Weib,
Ich hab', um es daran zu schlagen,
Noch meine Seele, meinen Leib!

Ich – enden, meint Ihr? Enden? – Nimmer!
Jetzt ist es erst ein lustig Spiel!
Was Flitterwerk und Goldgeflimmer,
Begehrt! Jetzt gelt' es einmal viel!«« –
Dem Gaste scheint es fast zu grauen,
Doch endlich faßt er sich ein Herz,
Und spricht mit mutigem Vertrauen:
»Wohlan! Nun gelt' es mehr, als Scherz!

Nicht Kind, nicht Weib ist's, was ich wähle, –
Nur Nullen sind sie ohne Mann;
Doch wenn ich mehr als Ihr nun zähle,
So sprech' ich Euch, Euch selber an.
Ihr sollt mir dann verfallen bleiben,
Mit Leib und Seele mir allein,
Mir müßt Ihr beides, mir verschreiben,
Wollt Ihr, so schwört und schlaget ein!«

»»Es gilt! Ich schwör's, – mit Leib und Seele,
Gewinnt Ihr, will ich Euer sein!
Wenn aber ich mehr Augen zähle,
Seid Ihr mit Leib und Seele mein!««
Der Spieler wirft mit bangem Zagen, –
Sein Wurf gelingt, – nun siegt wohl er;
Da wirft der Gast mit kühnem Wagen,
Und siegestrunken zählt er – mehr.

Der Spieler sieht's und stürzt leibeigen,
Als Sklave, nieder vor dem Gast;
Der aber steht mit ernstem Schweigen,
Und gönnt dem Opfer kurze Rast.
Dann spricht er: »Auf, Verlorner, komme,
Erkenne deinen neuen Herrn!
Laß mich nur hoffen, daß es fromme,
Dann lös' ich deine Fesseln gern!

Blick her!« – Jetzt wirft er Mantel, Locken,
Bart, Kappe weg mit Ungestüm;
Aufblickt der Würfler, süß erschrocken, –
Ah! Seine Gattin steht vor ihm!
Sie hat sich diese List ersonnen,
Und Gott hat ihre Hand gelenkt;
Sie hat im Spiele den gewonnen,
Den ihre Lieb' ihr nicht geschenkt.

»Mein,« ruft sie, »mein mit Leib und Seele,
Mit Leib und Seele bist du mein!
Es ist dein Schwur, worauf ich zähle,
O laß ihn keinen Meineid sein!« –
Der Spieler weint; in ihren Armen
Verbirgt er seiner Reue Schmerz,
Und durch ihr göttliches Erbarmen
Heilt sie und heiligt sich sein Herz!

 
Posthornklang.

        Hört' ich sonst ein Posthorn klingen,
Als ich noch zu Hause war,
Ach! wie drängt' es mich von hinnen,
Weit von hinnen immerdar;

In die Ferne, nach der Fremde
Dorthin, wo mich niemand kennt,
Wo man ohne Vorurteile
Meinen neuen Namen nennt;

Wo ich alle meine Blüten
Frisch vom Keime kann erziehn,
Wo mich keine Feinde suchen,
Wo mich keine Freunde fliehn! –

Hör' ich jetzt ein Posthorn klingen,
Seit ich in der Fremde bin,
Ach wie drängt es mich so mächtig
Nach der Heimat wieder hin:

Nach der Heimat, in die Gegend,
Wo mein Aug' – ach! – alles kennt,
Wo so mancher Freund wohl stündlich
Sehnend meinen Namen nennt!

Wo gedrängt um jedes Plätzchen
Bilder meiner Kindheit stehn,
Wo die Lüfte, wenn gleich rauher,
Doch vertrauter mich umwehn!

Darum klinge, Posthorn, klinge,
Wiege meine Sehnsucht ein:
Ruh' ist nicht daheim, nicht draußen,
Ach, wo mag die Ruhe sein?!


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