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Noch liegt im Morgenschlummer die Seine-Stadt und träumt,
Indes die Berg' im Osten schon blasses Rot umsäumt;
Da plötzlich weckt die Schläfer ein lang' vergessner Schall,
Es ist Kanonendonner, es läuft von Wall zu Wall.
Was soll im tiefen Frieden des Krieges Sturmsignal?
Sie taumeln empor, sie zählen: »Zehn-, zwanzig-, hundertmal, –
Ha! – Hundert und eins! – Frohlocket, die Hand des Herrn entschied,
Ein Thronerb' ist geboren, das ist sein Wiegenlied!«
Ein Thronerb' ist geboren, Heil ihm, Heil dir, o Land!
Nun hegst du in deinem Schoße der Zukunft sichres Pfand,
Das Pfand, das dir dein Kaiser erkauft mit bittrem Schmerz,
Das Pfand, wofür er gebrochen das edelste Frauenherz.
Blickt selig der Mütter ärmste auf ihren Säugling hin,
Wie seliger wohl die Mutter, die eine Kaiserin!
Das Kind, das sie geboren, nicht lebt es für sie allein,
Es lebt für Millionen, es wird ein Kaiser sein.
So fühlen die Frauen es alle im weiten Kaiserreich,
Nur eine will's nicht fühlen, die sitzt so still und bleich;
Ihr stößt es hundert und einmal ein Messer durch die Brust,
Zu ihrem Gemache brauset wie Hohn des Volkes Lust.
Es ist die Frau, die der Kaiser, dem Volke zulieb, verstieß,
Die Kaiserin ist's, die blutend er sich vom Herzen riß:
Den Myrtenkranz zerdrückte der Krone schwere Wucht,
Dem Herzen genügt die Blüte, der Thron verlangt die Frucht. –
Da wird nach Brauch in den Straßen verkündet ein Edikt:
»Wofern, da der Thronerb' heute das Licht der Welt erblickt,
Geboren ward ein Knabe zu gleicher Stund' und Zeit,
Sei Patin ihm zu heißen die Kaiserin bereit.« –
Bald war der Knabe gefunden, ein Kind der blassen Not,
Denn die es geboren, die Mutter, sie lag daneben – tot,
Die Kaiserin aber denket: »Da tu ich ein gutes Werk,
»Nun richt' ich auf diese Waise mein gnädig Augenmerk.
Empfinden will ich's lassen, woran es mich stündlich mahnt,
Will's hegen als des Himmels geheiligtes Unterpfand,
Will drauf den Dank übertragen für meines Besitzes Glück:
Und was ich dem Bettler tue, Gott zahl's einem König zurück!« –
Allein auch die arme, blasse, verstoßene Kaiserin
Eilt heimlich oft, wenn es dämmert, zu jenem Knäblein hin,
Und hebt es aus der Wiege und herzt es mit feuchtem Blick:
»Du warst deiner Mutter Unglück, mir wärst du gewesen ein Glück
Und hätt' ich dich müssen erkaufen mit meinem Tode wie sie,
So trügest doch du dereinstens die Krone, die Gott mir lieh,
So läg' ich mit meinem Purpur doch unentweiht im Grab,
So weinte doch treue Liebe mir zärtliche Tränen hinab.
Drum will ich's dich fühlen lassen, woran dein Geschick mich mahnt,
Will hegen dich als des Schmerzes geheiligtes Unterpfand,
Auf dich will ich übertragen all' meiner Entbehrung Gram,
Will dir, einem Bettler, schenken, was Gott einem Prinzen nahm!«
So überhäufen zur Wette, wiewohl verschieden gesinnt,
Die Kaiserinnen beide mit Gnade das arme Kind;
Gibt Silber die Hand der einen, beut Gold der anderen Hand,
Und spendet jene die Perle, schenkt diese den Diamant.
Der Thronerb' in seiner Wiege prangt nicht mit solchem Schmuck,
Was Zierd' erst war dem Knäblein, bald wird es ihm zum Druck,
Freigebig ist das Entzücken, verschwenderisch ist der Schmerz,
Was Zank der Gnade gewesen, wird bittrer Hochmutscherz.
Wie mag der Wettstreit enden, des Preis ein arglos Kind?
Wer tritt dazwischen als Richter, wo Kronen die Waffen sind?
Wohl ist noch einer stärker, wohl einer reicher noch,
Was Kaiserinnen auch bieten, er überbietet sie doch.
Sie geben Gold und Silber und Perlen und Diamant,
Er streckt aus dem Abendpurpur hernieder seine Hand,
Und trägt das Kind aus der Wiege zu sich über Wolken fort,
Und schenkt ihm – einen Himmel und – eine Mutter dort! |