Johann Gabriel Seidl
Bifolien
Johann Gabriel Seidl

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II.

Ein weißes Haar.

        Ein finstrer Mann durchschreitet
Die Stub' in weitem Schritt;
Der ist bei Tag ein Jäger,
Und bei der Nacht – Bandit.

Wie Wetterwolken lagert's
Auf seinem Angesicht,
Verbrechen oder – Reue,
Doch nein! – die kennt er nicht.

Jetzt auf das Stroh im Winkel
Wirft er sich ungestüm,
Sein Töchterlein, das holde,
Sitzt spielend neben ihm;

Beim sonnverbrannten Vater
Das zarte Töchterlein,
Wie eine weiße Rose
Am schwarzen Rabenstein.

Ermattet läßt er sinken
Sein Haupt in ihren Schoß,
Sie wühlt in seinen Locken,
Nichts denkend, absichtslos.

Da ruft sie plötzlich lachend:
»Ei, Väterchen, fürwahr,
Da – mitten zwischen schwarzen
Steht auch ein – weißes Haar!«

Da fährt empor der Räuber: –
»Ein weißes? – wirklich, Kind?« –
»»Ja – ja – ein weißes, Vater,
Wenn's ihrer mehr nicht sind!«« –

Und ernster wird der Räuber,
Als er's seit langem war,
Und murmelt wie im Traume:
»Schon jetzt ein weißes Haar?!

Nun ist es Zeit, Matteo!
Fahr hin, Banditenstahl,
Komm her, du treue Büchse,
Gibst mir wohl auch ein Mahl!«

Und Jäger ward der Räuber,
Wie er's als Jüngling war: –
Den hat der Herr gerettet
Durchs erste weiße Haar.

 
An mein Vaterland.

        Ich hab' dich nicht vergessen,
Mein liebes Österreich!
Noch macht's, an dich zu denken,
Das Herz mir immer weich.

Ich sah wohl schöne Alpen,
Umweht von Balsamhauch,
Sah Paradiese Gottes, –
Du aber hast sie auch.

Sah Silberströme wallen
Durch manchen grünen Plan,
Sah Täler, Auen, Städte, –
Du bist nicht ärmer dran.

Es lacht' auch andrer Orten
Manch treues Herz mir zu,
Doch wer hat sie auf Erden
Zu Tausenden wie du?

Ich bracht' auch in der Fremde
Manch selig Stündchen hin,
Allein in deinem Boden
Schläft ja mein Jugendsinn.

Du hast die ersten Freuden
So treu mit mir geteilt,
Du hast die ersten Leiden
So liebend mir geheilt.

Und sind mir in der Fremde
Viel hundert Plätzchen lieb,
So hast du ja kein Fleckchen,
Das deutungsleer mir blieb.

Drum glaub' dich nicht vergessen,
Lob' ich die Ferne gleich:
Ich weiß nur eine Heimat,
Weiß nur ein Österreich!

Denn was ich in der Fremde
Gesehn, gefühlt, erkannt,
Ist nur ein goldner Reifen
Um deinen Diamant.


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