Johann Gabriel Seidl
Bifolien
Johann Gabriel Seidl

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IV.

Ein Traum des alten Fritz.

(15. August 1769.)

                  Siebzehnhundertneunundsechzig war's in schwüler Sommernacht,
Wo der alte Fritz in Breslau stöhnend aus dem Traum erwacht;
Eilends rief er seinem Pagen: »Nehm er Feder und Papier,
Schreib er auf, was ich erzähle; Sonderbares träumte mir:

Nacht war's, – auf dem Feld des Himmels standen, furchtbar anzusehn,
Sich Gewitterwolken drohend gegenüber wie Armeen,
Blitze zuckten hin und wieder, einzelnen Signalen gleich,
Plötzlich in das tiefe Schweigen schlug ein mächt'ger Donnerstreich.

Da zerstob das Heer der Wolken, und der Himmel glänzte rein,
Wie auf ein Kommando rückten alle Sternenfronten ein:
Einer flammt' an ihrer Spitze, rot und feurig wie der Blitz,
Und in seinem Kerne deutlich stand zu lesen: › Stern des Fritz‹.

Stern des Fritz! – so schreib' er; – leuchtend, wie der Stern so vor mir stand,
Und den hellen Schimmer reichlich ausgoß übers Preußenland,
Da mit ungestümem Pochen mußt' ich es mir selbst gestehn:
Einen Stern, der den verdunkelt, mag die Welt so bald nicht sehn. –

Sieh! – da stieg es fern im Süden purpurn auf wie frisches Blut;
Rötete zuerst den Westen, zog sich dann wie Meeresflut
Gegen Norden, gegen Osten, über alles Volk und Land,
Daß es war, als ob der Himmel aufging' in Zerstörungsbrand.

Sieh! – und aus dem Purpur plötzlich springt ein flammender Komet,
Dessen Rute von dem Ausgang bis zum Niedergange geht;
Alle Stern' erbleichen zitternd, selbst mein Stern, der Stern des Fritz,
Geht in seinem Blutmeer unter und verblaßt von seinem Blitz.

Endlich fern im Norden zuckt es rot herein, doch anders rot,
Ausgeglüht hat schnell der Purpur, der Komet hat ausgedroht,
Und ein Regenbogen gürtet um die Welt sein schillernd Joch,
Und mein Stern auch schimmert wieder, ferner zwar, doch heller noch.«

Also sprach der alte Fritze, also schrieb der Pag' es auf;
Lange blieb das Blatt vergessen, und doch stand viel Wahres drauf;
Siebzehnhundertneunundsechzig in der schwülen Sommernacht,
Wo der Fritz im Norden träumte, war im Süd ein Stern erwacht;

Ein Komet, ein blutigroter, der die Welt mit Brand erfüllt,
Ein Komet, der auch des Fritzen großen Stern für lang' verhüllt,
Ein Komet, der seine Rute schwang ob manchem Volk und Thron,
Bis er unterging im Norden, der Komet: › Napoleon‹!

 
Löwentraum.

        In seinem Käfig lag ein mächt'ger Leu
Mit einem muntern Hündchen eingesperrt;
Er wußte, daß sein kleiner Gast ihm treu,
Und daß es Scherz nur, wenn er neckt und zerrt.

Sogar zu schmeicheln schien ihm solch Vertraun,
Solch kühn Ergeben in die Übermacht,
Und spaßhaft rührend war es anzuschaun,
Wie zahm der Riese nahm den Zwerg in acht.

Man sah's dem guten Vater Löwen an,
Daß ihm das Kindlein Hund vom Herzen lieb:
Er hatte seine kind'sche Freude dran,
Und trug gelassen, was er tat und trieb.

Doch einmal schlief der gute Vater Leu,
Und neben ihm lag still das Kindlein Hund,
Und Träume, wie sie Löwen just nicht neu,
Umzuckten ihn und reizten seinen Schlund.

Er träumte sich hinaus ins Meer von Sand,
Auf seiner wilden Kräfte wüstes Feld;
In seinen Mähnen glühte Sonnenbrand,
Sein Rachen war von Blutbegier geschwellt.

Und wild aufbrüllend, daß der Käfig bebt,
Haut er die Pranke plötzlich in den Hund,
Und reißt ihn, eh' er noch die Stimm' erhebt,
In kleine Stücke mit gefräß'gem Schlund.

Dann wacht er auf und sieht was er getan,
Und sein Gebrüll wird ein gewaltig Ach!
Und hätt' er Tränen, weinend säh' er's an,
Was er im Traum am armen Freund verbrach.

Und traurig murrend liegt er manchen Tag
Und wälzt sich unmutsvoll, als säh' er's ein,
Daß es auch Augenblicke geben mag,
Wo's einen Löwen reut, ein Löw' zu sein!


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