Johann Gabriel Seidl
Bifolien
Johann Gabriel Seidl

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IX.

Charles Bessières.Der Held ist Jean Baptiste Bessières, Herzog von Istrien (geb. 1768, † 1813), Marschall Napoléons, der mit Erfolg in Ägypten, gegen Österreich und Spanien kämpfte. Er fiel 1813 bei Rippach zwischen Weißenfels und Lützen, von einer Kanonenkugel getroffen. Da er in größter Armut starb, bedachte Napoléon noch auf St. Helena seinen Sohn mit 100 000 Francs. Ein Charles N. ist nicht nachzuweisen.

(1813)

                Vor seinem Zelte sitzet
Der Marschall im Dämmerschein,
Es mundet dem alten Soldaten
Kein Imbiß und kein Wein;
Vor Lützen war es, am ersten Mai,
Die Truppen marschierten an ihm vorbei,
Der Zeiger wies auf Vier.

»Herr Marschall, laßt's Euch munden,«
So spricht der Adjutant,
»Es dürft' einen Fasttag geben,
Das Feld hier ist bekannt;
Wer weiß, ob ein Tropfe die Kehl' uns netzt,
Eh' morgen wieder, so wie jetzt,
Der Zeiger weist aus Vier.«

Der alte Marschall lächelt:
»Ei, laßt die Sorge sein,
Mir ahnt, ich brauche heute
Nicht Imbiß und nicht Wein;
Der Herr hat jedem ein Ziel gesetzt;
Erinnert Euch des, wenn wieder, wie jetzt,
Der Zeiger weist aus Vier.«

So naht in banger Erwartung
Die Mittagsstund' heran;
Schon regt sich's hüben und drüben,
Schon knallt es dann und wann.
»Gedeckt muß eher der Hohlweg sein,
Dann rüstig mit Gott in den Feind hinein!« –
Der Zeiger rückt auf Vier. –

Der alte Marschall reitet
Voraus mit seinem Troß:
Da schwirrt eine Kugel herüber,
Sein Nebenmann sinkt vom Roß.
Der Marschall erweist ihm die letzte Ehr',
Da schwirrt es wieder, da stürzt auch der, –
Der Zeiger weist auf Vier.

Sie legen ihn auf die Bahre,
Sie tragen ihn fort voll Schmerz,
Es war ihm die Kugel gegangen
Durchs alte Heldenherz;
Knapp an ruht unversehrt die Uhr,
Die Räder standen stille nur,
Der Zeiger weist auf Vier.

Sie führen des Marschalls Leiche
Zu seiner Gattin zurück;
Sie heißt sie mit Tränen willkommen,
Sie fragt mit schmerzlichem Blick:
»O sagt mir, wann er sein Ende fand?«
Sie legen die Uhr in ihre Hand,
Der Zeiger weist auf Vier. –

Auch sie ist heimgegangen,
Verrauscht ist jede Spur;
Nur im verlassenen Zimmer
Hängt einsam noch die Uhr;
Der Enkel bedarf kein mahnend Wort,
Unaufgezogen hängt sie dort,
Der Zeiger weist auf Vier.

 
Trostreiches Sterben.

                Es ist um eine Flieg' ein kleines Ding,
Für unsre großen Dichter zu gering;
Wir kleinern mögen uns damit befassen,
Was mag sich auch von Fliegen sagen lassen? –

Ei seht! – Fürs erste sind sie flink und frisch,
Sodann gesellig, Gäst' an jedem Tisch,
Keck, sagen wir, als ob, was wir so schelten,
Nicht könnt' als Liebe zu den Menschen gelten.

Und wie gewandt sie sind! Wer läuft, wie sie,
Kopfüber an der Wand und fällt doch nie?
Sie haben Flügel, solche Tierchen Flügel,
Und unser Fuß erlahmt an einem Hügel.

Froh sind sie auch, und ach, wie froh sie sind!
Was braucht zu seiner Freud' ein Menschenkind!
Ein Abendstrahl durch eine Kerkerlücke,
Und hundert Fliegen sonnen sich im Glücke.

Und wenn der Herbst Marienfäden spinnt,
Und wenn des Jahres Sand zur Neige rinnt,
Und wenn der Frost aus feuchten Wänden schauert,
Da hab' ich euch, ihr Tierchen, oft bedauert.

Da sucht ihr bänglich alle Winkel auf,
Da taumelt ihr wie schwindelnd oft im Lauf,
Und summt, als wolltet ihr's einander klagen:
»Du, frierst du auch? Mein Stündlein hat geschlagen!«

Doch nein, so trostlos sei das Scheiden nicht!
Sieh, dort das Fenster hell vom Abendlicht!
Der lieben Sonne letzter lauer Schimmer,
Des Herbstes Abschiedsgruß vom dumpfen Zimmer!

Ha! sieh, da fliegt's von allen Seiten her,
Und drängt sich an die Scheiben matt und schwer,
Und summt und sonnt sich einmal noch, und weidet
Sich satt im lauen Lichte, bis es scheidet.

Und hundert Leichen zählt das Morgenrot. –
Das nenn' ich trostreich sterben seinen Tod;
Da lern', o Fürst der Schöpfung, von den Fliegen,
Des Todes Stachel wohlgemut besiegen!

Nicht kaure, wenn Spätsommer dich umgraut,
Dich feig ins Dunkel ohne Lust und Laut;
Empor, hinaus, und wär's zum letzten Male,
Und trostreich stirb am heitren Sonnenstrahle!


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