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11

Ermattet, abgehetzt und wütend sank Mrs. Alden in den bequemen Sessel des Luxusappartements, das sie und Oliver während ihrer Überfahrt auf der ›Lusitania‹ beherbergen sollte. »O Gott«, rief sie aus, »nichts wie Schwierigkeiten! Alles falsch! Endlich ist das Schlimmste vorbei – abgesehen von dieser Reise!« Und sie blickte mißtrauisch nach dem viereckigen Fleckchen blauen Himmels, das zum Kabinenfenster hereinschaute, denn sie fürchtete, es könnte sich mit Wolken bedecken. »Ich hoffe, du hast recht, und das Schiff ist wirklich besser als die ›Lucania‹, von der Letitia Lamb behauptete, sie fahre so ruhig. Ruhig? Du liebe Zeit!«

»Wenigstens ist die ›Lusitania‹ schneller: fünf Tage!« bemerkte Oliver mit der Miene stiller Autorität, die er sich angewöhnt hatte, wenn er mit seiner Mutter sprach. »Die Bostoner Schiffe sind sämtlich alte Kähne.«

»Ich hätte nicht gedacht, daß ich das alles überstehen könnte, ohne zusammenzubrechen. Es regt mich auf, wenn ich daran denke. Natürlich gehöre ich nicht zu den schwachen Frauen, die beständig über alles jammern. Es ist nutzlos und vergeblich, all das Schreckliche, was nun einmal geschehen ist, beständig wieder aufzuwärmen. Ich gehe einfach darüber weg und schlage es mir aus dem Kopf, um frei und klaren Geistes zu bleiben für jeden neuen Tag, den Gott werden läßt. Aber bedenke nur, was ich habe durchmachen müssen – alles wegen der Schwäche und Haltlosigkeit deines armen Vaters und wegen deines Eigensinns – weil ihr darauf bestanden habt, daß ich diese Reise machte, obgleich es gar nicht mehr nötig war. Kannst du dir vorstellen, was es für mich bedeutete, mein Haus allein zu lassen? – allerdings entschloß sich Letty Lamb ja endlich, dort zu wohnen, damit nicht eingebrochen wird und kein Feuer ausbricht und die Mädchen mit ihren zweifelhaften Freunden keine Orgien darin feiern. Und dabei wäre es doch eigentlich Lettys Pflicht gewesen – und in ihrem Namen darf ich sagen, wohl auch eine Freude für sie – mich zu begleiten und mir, wenn möglich, einen Teil meiner schweren Aufgaben abzunehmen. Aber nein: sie mußte mich allein reisen lassen, meinem Unglück entgegen: dein Vater nicht bei Sinnen, du, als unerfahrener Junge, allein in einem fremden Lande! Und das alles nur, weil diese selbstsüchtige Irma mich im Stich gelassen hatte, um aus Sentimentalität ihre alte Heimat wiederzusehen, wo sie doch ganz überflüssig war, abgesehen davon, daß sie natürlich vor ihren deutschen Verwandten mit der Großartigkeit Amerikas protzen mußte. Es ist wirklich unglaublich, wie selbstsüchtig die Menschen sind: jeden Sonntag in der Kirche hören sie, daß man sich dem Dienste am Nächsten widmen soll, und es kommt ihnen gar nicht in den Sinn, die Predigt auf sich selbst zu beziehen. Irma mußte sich gerade zu derselben Zeit Ferien nehmen, wo du auch weggingst und dazu verleitet wurdest – schrecklich zu denken, von wem! – an unpassenden Orten mit unpassenden Leuten zusammenzusein. Und von Irma verstehe ich einfach nicht, warum sie nicht nach Empfang der traurigen Nachricht – und sie gehörte zu den ersten, denen ich telegraphiert habe – sofort abreiste, um mir wenigstens bei Kleinigkeiten zu helfen, da sie mir doch schließlich alles verdankt. Aber in ihrem übertriebenen Brief, der von lauter Lobesworten für deinen Vater strotzte, die nicht einmal der Wahrheit entsprachen – nun, ich weiß ja, wie sie sich von ihren Gefühlen hinreißen läßt, weil sie niemals gelernt hat, sie zu unterdrücken, und wirklich halbwegs an das glaubt, was sie sagt – in diesem Brief entschuldigt sie sich damit, daß sie ein paar arme Kusinen nicht enttäuschen könnte. Bloß, weil sie ihnen versprochen hatte, sie zu besuchen! Na, wenigstens wollte sie nur einen einzigen Tag bei ihnen bleiben und das nächste Schiff nach New York nehmen, um möglichst vor uns dort zu sein, sodaß alles zu Hause seinen alten Gang geht, wenn ich ankomme. Sie meinte, ich brauchte dann nicht so schmerzlich zu empfinden, was für eine Katastrophe hinter mir läge, außer, daß du dann im College sein würdest und der Doktor im Himmel – sie ist wirklich schrecklich altmodisch und sentimental!«

Hier schöpfte Mrs. Alden tief Atem, blickte wiederum nach dem Fenster, um sich zu vergewissern, daß sich draußen keine schwarzen Wolken zusammenballten, hielt sich an den Armlehnen ihres Sessels fest und fuhr in ihrer Rede fort, indem sie Oliver scharf und vernichtend ansah:

»Und dann der entsetzliche Zufall, daß mich alle deine Briefe und Telegramme verfehlten! Und wie hätte ich ahnen können, daß das nette Hotel, das mir Letitia Lamb empfohlen hatte, plötzlich geschlossen und spurlos verschwunden war, sodaß der Schutzmann nicht einmal mehr den Namen kannte? Letty hatte mir gesagt – du weißt ja, wie überlegt und gescheit sie ist – ›Für mich ist das Thackeray-Hotel das Richtige, denn es liegt gerade dem Britischen Museum gegenüber, da fühle ich mich Phidias näher, und außerdem ist es nicht teuer. Zu dir aber, liebe Harriet, paßt Longs Hotel in Bond Street besser, denn Phidias ist für dich nicht so wichtig, und da du auch nicht nach Paris weiterfährst, hast du vielleicht Lust, in London ein paar Einkäufe zu machen; dafür ist natürlich Bond Street ganz das Gegebene, oder, falls es regnet, die Burlington-Arkade, die in der Nähe liegt.‹ So schrieb ich dir, ich sähe ein, daß du mich nicht in Liverpool abholen könntest, da du bei deinem kranken Vater bleiben müßtest, du möchtest aber nach London kommen – nicht zum Bahnhof, wo wir einander in der Menschenmenge verfehlen könnten, und wo man auch seine innersten Gefühle nicht zeigen darf; außerdem dachte ich mir schon, daß ich auf dem Bahnsteig genug damit zu tun haben würde, mein Gepäck zu finden und zu zählen, weil man ja in diesem komischen, altmodischen Ländchen keinen Gepäckschein bekommt. Aber wenigstens hättest du mich sofort nach meiner Ankunft in Longs Hotel treffen und mir berichten sollen, wie es deinem Vater geht – denn ich hielt es ja nicht im Ernst für möglich, daß du ihn während der ganzen Zeit völlig unversorgt in einer Pension auf dem Lande hattest liegen lassen! Zu allererst aber wollte ich zu unserem Botschafter gehen und ihn fragen, ob es nicht in London ein amerikanisches Krankenhaus gäbe, und wenn nicht, welches einheimische er empfehlen könnte, dann wollte ich deinen Vater dorthin schaffen lassen. Stell dir also meinen Ärger vor, als ich entdeckte, daß Bond Street – oder vielmehr Longs Hotel dort – gar nicht mehr existierte, und daß alle meine Briefe und Telegramme verlorengegangen waren! Der alte weißhaarige Kutscher mit seiner roten Nase, der alle meine Sachen auf dem Dach seines schäbigen kleinen Coupés verstaute, schien von Longs Hotel schon gehört zu haben, ich konnte aber überhaupt nicht verstehen, was er sagte; und der Schutzmann, den ich schließlich rief, hatte keine Ahnung, bis endlich ein anderer Schutzmann dazukam und sagte: ›Ja, Madam, es gab in früherer Zeit allerdings mal ein Hotel hier in der Nähe, das Longs Hotel hieß, aber sie haben es schon vor Jahren abgerissen.‹ Das fand ich recht unhöflich von ihm, es klang, als wäre ich eine uralte Frau; und dabei grinste er mich noch an, als müßte ich alles wissen, was in London vorgeht, während ich doch gar nicht da lebe.

Was sollte ich nun anfangen? Sollte ich in das andere Hotel gehen, das für Genies so bequem in der Nahe von Phidias und dem Britischen Museum liegt? Womöglich war es überfüllt! So rief ich in meiner Verzweiflung: ›Fahren Sie mich zum Bahnhof!‹ – ›Zu welchem Bahnhof?‹ – ›Zum Bahnhof für Eton!‹ Denn jetzt fühlte ich in meinem Innersten, daß alles ganz schlimm stände, und daß du dort sein müßtest; oder wenigstens würde ich dort erfahren können, wo du warst. Ein Angsttraum, zu denken, daß ich am Ende den ganzen weiten Weg von Amerika hierher gemacht hatte, ohne dich überhaupt aufzutreiben!

Aber der Kutscher, die beiden Polizisten und die Leute, die sich allmählich um uns angesammelt hatten, starrten mich alle nur ganz blöde an. Anscheinend gab es keinen Bahnhof für Eton. Wo lag Eton überhaupt? Welches Eton? Dann kam ein sehr netter junger Mann aus einem Laden heraus, und als er sah, daß ich in Schwierigkeiten war, benahm er sich sehr freundlich und höflich, obgleich er auch ein Engländer war, und sagte, der Bahnhof für Eton wäre Paddington. Er hätte wirklich nicht liebenswürdiger lächeln können, wenn er ein Amerikaner gewesen wäre. Am Schalter aber fragte der Beamte, als ich ein Billet nach Eton verlangte: ›Windsor oder Slough?‹ ›Eton‹, sagte ich nochmals und wunderte mich darüber, daß sie einen tauben Mann zum Verkauf der Fahrkarten angestellt hatten. Da erklärte er mir, es ginge in der nächsten Stunde kein Zug nach Windsor, und so würde ich schneller über Slough ankommen. Er gab mir also ein Billet, auf dem ›Slough‹ stand, aber er sprach es aus wie Slah-o, und ich wußte nun nicht, wie ich es aussprechen sollte, denn ich wollte doch an jeder Station fragen, ob ich aussteigen müßte. Aber dann war es der allererste Ort, an dem wir hielten. Ein häßlicher kleiner Bahnhof, scheußliche kleine Häuser, und obendrein regnete es! Wie konntest du deinen armen Vater in einem solchen Nest zugrunde gehen lassen!«

Oliver verschmähte es, sich zu verteidigen. Er kannte nur zu gut die Rhetorik seiner Mutter – dies berauschende Laster, dies unwiderstehliche Bedürfnis, die Tatsachen wider besseres Wissen falsch darzustellen, um sie in ihrer Phantasie so zu sehen, wie sie ihr gerade in den Kram paßten. Wäre sie eine Dichterin oder eine Heilige gewesen, dann hätte diese Begabung vielleicht die wundervollsten poetischen Schöpfungen hervorgebracht; aber sie war nur eine rechthaberische Frau, die in einer öden, schwatzhaften Welt lebte; und ihre Phantasie betätigte sich auf einer so niedrigen Stufe, daß sie ihr jede Möglichkeit zum wahren Verständnis der Dinge abschnitt. Oliver aber war, obwohl er sich auf eine höhere Ebene zurückgezogen hatte, allen Tatsachen gegenüber äußerst genau; und wie ein verzweifelter, aber geduldiger Lehrer stellte er zuweilen die Fabeleien seiner Mutter richtig. Slough, bemerkte er bei dieser Gelegenheit, gelte allgemein als ein besonders gesunder Ort. Er habe gerade in der ›Times‹ gelesen, daß es eine geringe Säuglingssterblichkeit, weniger Todesfälle im Kindbett und keine Elendsviertel aufweise.

» Kindbett! O Gott!« dachte Mrs. Alden. »Wie kann er das nur auszusprechen wagen! Noch vor einem Jahr hätte er so etwas mir gegenüber niemals in den Mund genommen; und jetzt rutscht es ihm ganz harmlos heraus, er denkt nicht daran, sich zu entschuldigen, es ist, als hätte er ›Spatz‹ gesagt. Er ist nicht mehr rein; diese verdorbenen Männer haben seine Seele beschmutzt und seine Manieren zugrunde gerichtet. Sein Vater war wenigstens noch einigermaßen zurückhaltend; wenn er auch gern roh gewesen wäre, so wagte er es doch nicht. In Beacon Street hatte er niemals ein undelikates Wort gehört. Oliver ist mutiger, in dieser Beziehung schlägt er mir nach; und wenn ein mutiger Mensch seine Grundsätze verliert, so weiß man nicht, wo er noch enden wird. Das ist ein fürchterlicher Gedanke.«

Indessen sprach Harriet diesen fürchterlichen Gedanken vorläufig nicht aus. Denn im geheimen scheute sie es doch, mit ihrem Sohn Dispute anzufangen; durch Beweise oder noch mehr durch sein Schweigen setzte er sie allzuoft ins Unrecht. Außerdem trug sie der Schwung ihrer Phantasie jetzt schon wieder von diesen kritischen Betrachtungen fort, und sie griff ein anderes von Olivers Worten auf, das weniger gefährliche Gedankenverbindungen auslöste.

»Keine Elendsviertel!« rief sie in einem Tone niederschmetternder Empörung aus, in dem sie Übung hatte. »Ich habe in Slough überhaupt nichts anderes gesehen. Wenn dieser Sumpf für englische Begriffe ein gesunder Ort ist, wie müssen dann die andern sein? Was für eine langweilige Kleinstadt außerdem, und wie lange muß man da zwischen lauter nassen, nebligen Feldern und Wiesen herumfahren! Warum liegt zum Beispiel die Schule dort so weit weg vom Bahnhof? Warum liegt sie nicht auf irgend einem Hügel? Na, ich hatte meinen brennenden Ärger über die Ungerechtigkeit von allem und jedem noch nicht überwunden, als wir bei einem Haus ankamen, das von Efeu und Rosen und Blumenkästen erdrückt wurde und wo ihr wohnen solltet; und da sitzt du also vor den offenen Schubladen eines Schreibtischs, der über und über mit Papieren bedeckt ist. ›Wo ist dein Vater?‹ Du sahst ganz blaß und abgearbeitet aus und sagtest: ›Hast du denn meine Telegramme nicht bekommen? Er ist vor fünf Tagen gestorben.‹ O Gott, mein armes Herz war ganz betäubt vor Schreck! Die Telegramme waren natürlich in die Irre gegangen, weil es ja das Hotel gar nicht mehr gab. Allerdings war die traurige Nachricht im Grunde kein so fürchterlicher Schlag für mich. Ich hatte das Schlimmste erwartet; besonders nachdem ich schon an Bord so viel gelitten hatte, als ich richtig merkte, wie schrecklich es ist, von Hause fort zu sein. Aber daß er schon fünf Tage tot war! Zu denken, daß es mir nicht einmal beschieden war, seinem Begräbnis beizuwohnen! Und wie schrecklich, daß die Leiche nun exhumiert werden mußte, wo es vielleicht schon zu spät zum Einbalsamieren war, und wo vor der Überführung nach Amerika so viele Formalitäten und Schwierigkeiten zu erledigen waren! Natürlich hatte ich mir immer vorgenommen, ihn in unserm Bumsteadschen Erbbegräbnis in High Bluff beizusetzen, da er doch sein Heim bei uns hatte und nun einmal zu unserer Familie gehörte; und im Prinzip bin ich auch nicht gegen Verbrennung. Es ist nur ein Aberglaube, zu denken, daß die Art der Bestattung irgend einen Einfluß auf den Geist haben könnte; außerdem ist Feuerbestattung auch hygienischer. Aber vielleicht war es auch dazu schon zu spät – ein gräßlicher Gedanke! Jedenfalls gingen wir nun zur Botschaft, um die Sache zu regeln, und nachdem man uns eine Ewigkeit hatte warten lassen, als ob unsere Angelegenheit weiter nicht wichtig wäre, bekam ich den Botschafter überhaupt nicht zu Gesicht, sondern nur einen übertrieben eleganten jungen Sekretär, der mich kaum zu Wort kommen ließ, während ich doch fragen wollte, ob es nicht besser wäre, direkt nach Washington zu telegraphieren – denn ich kenne doch Theodor Roosevelt persönlich, obwohl es ja bei der letzten Zusammenkunft der ›Töchter der Revolution‹ so voll war, daß er sich vielleicht nicht ganz genau an mich erinnert. Aber der Sekretär sagte, sie hätten mit diesen Dingen nichts zu tun, ich müßte in einen ganz andern Stadtteil zum Generalkonsul gehen. Endlich gab er mir eine Karte, auf der in großen Buchstaben die Adresse des Konsulats stand, und führte mich höflich zur Türe, obwohl er es ziemlich eilig zu haben schien. Und dann beim Konsul, wo wir wieder fast eine halbe Stunde warten mußten, war der dicke, gräßliche, kahlköpfige Mann im Geschäftszimmer ausgesprochen grob und hat mich während unseres Gesprächs zweimal unterbrochen, um jemand andern anzuhören, der dazwischen kam – dabei war meine Angelegenheit doch höchst privater Natur und sehr schmerzlich – und als er endlich begriffen hatte, ›was uns Verdruß machte‹ (so drückte er sich aus), schellte er und ließ eine ältliche Person mit einer Brille kommen. ›Dies hier ist Miß Riddle, die unserer Transportabteilung für verstorbene amerikanische Bürger vorsteht‹, sagte er, ›Miß Riddle wird Ihnen genauere Auskunft erteilen‹; und tatsächlich nötigte er mich hinaus, ohne aufzustehen, so daß du mir selbst die Tür öffnen mußtest. Was für Manieren! Und ich fand, daß mich Miß Riddle in ihrem eigenen Büro ziemlich schief ansah, weil ich nicht in Schwarz ging (wenn auch natürlich nicht in schreienden Farben), sodaß ich ihr noch erklären mußte, daß ich Trauerkleidung nicht billige, weil ich es für falsch halte, den Kummer zu hätscheln und großzuziehen, statt sich hoffnungsvoll der nächsten Pflicht zuzuwenden. Sie schien das schon früher mal gehört zu haben; und ich fand, daß sie die paar Worte, die du sprachst, aufmerksamer anhörte als alles, was ich gesagt hatte. Das kam bloß davon, daß sie eine Frau war – obwohl sie gar nicht mehr jung war und du doch wahrhaftig noch ein Junge bist. Man sollte für solche Zwecke Männer anstellen, ein Mann hätte gewiß mehr Verständnis für meine Gefühle gehabt. Im übrigen riet sie mir ja entschieden, so zu handeln, wie du es vorschlugst, und die Leiche zu lassen, wo sie einmal war, sodaß ich mich also entschließen mußte, mir das Grab anzuschauen. Und ich muß sagen, der kleine Kirchhof schien wirklich ein stilles, poetisches Fleckchen zu sein, zumal an dem Tage die Sonne noch etwas durchkam; und daß er im Ausland liegt, hat vielleicht gerade etwas Symbolisches. Dein Vater war ja ein Weltreisender und hing so wenig an seiner eigentlichen Heimat. Auch war der Geistliche sehr höflich. Ich merkte wohl, daß er Interesse an dir nahm; und als er uns die kleine Kirchentür öffnete, blieb er mit solch respektvollem, religiösem Gesichtsausdruck draußen stehen, als wollte er uns in unsern heiligsten Gefühlen nicht stören – obgleich wir natürlich nur herumgingen und den kleinen Raum ansahen und gar nicht das Bedürfnis hatten, niederzuknien und zu beten. Ich glaube fast, wie er da barhäuptig und die Hände auf dem Rücken draußen im Friedhof stand, hat er im stillen für uns gebetet. – Nun also, ich habe dir deinen Willen gelassen; und jetzt, wo dein Vater gestorben ist, finde ich es nur natürlich, wenn du mit Liebe an ihn denkst und alles so zu machen suchst, wie es sein Wunsch gewesen wäre.«

Damit blickte Mrs. Alden zum dritten Mal zum Himmel, der nun nicht mehr so blau war wie vorher, und stellte fest, daß sie die Bewegung des Schiffes schon fühle; sie fürchte, sie müsse sich hinlegen und vor dem Lunch ein wenig ruhen, sie habe einen so anstrengenden Morgen hinter sich.


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