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Als Fräulein Schlote und Oliver von ihrem auf zwei Wochen verlängerten Ausflug nach Great Falls zurückkehrten, waren beide auffallend verändert; sie in ihren neuen, zu herabgesetzten Preisen erstandenen Kleidern und Hüten, er mit merklich aufgefrischten Lebensgeistern, der warmen Röte der Gesundheit unter seiner gebräunten Haut und einer ebenso bestimmten wie vergnügten Art zu sprechen. Er trug den Kopf sichtlich höher, und seine Mutter brauchte ihn nicht länger zum Geradesitzen zu ermahnen.
Fast hätte die kluge Dame beim Anblick ihres nun soviel gesünder aussehenden Sohnes zugegeben, sie habe die Gefahren des ersten Ausflugs aus dem Nest überschätzt, wenn nicht bei Oliver gewisse kleine Anzeichen von Demoralisation aufgetaucht wären wie erste schwarze Wolkenstreifen am gewitterigen Horizont.
Schon gleich am ersten Tag beim Lunch mußte Mrs. Alden entsetzt ausrufen: »Oliver, du ißt ja mit der linken Hand! Du weißt doch, daß ich das nicht billige, und auch Letty Lamb findet es schrecklich. Mit der Linken essen und dabei das Messer in der Rechten halten ist fast so schlimm wie das Messer geradezu in den Mund stecken. Ich sehe kommen, daß du das auch noch tust.«
» Natürlich würde Letty Lamb das sagen«, erwiderte Oliver mit einem wohlwollenden Lächeln, das seine Mutter und Irma veranlaßte, ihn erstaunt anzusehen. Sie waren eben nicht dabei gewesen, als Jim Darnley die Bemerkung gemacht hatte, daß Damen natürlich fragen müßten, warum der ›Schwarze Schwan‹ keine schwarzen Segel habe. »Allerdings«, fuhr Oliver fort, »sieht es so aus, als wollte ich das Essen Hand über Hand einschaufeln wie ein Matrose, der das Hauptsegel einholt.« Da er inzwischen mit Essen fertig geworden war und Messer und Gabel säuberlich parallel auf den Teller gelegt hatte, konnte nun der praktische Teil der Frage für erledigt gelten und die Angelegenheit sachlich betrachtet werden.
»An Bord entspann sich einmal eine Diskussion darüber«, sprach er weiter mit der Miene eines Mannes, der sein ganzes Leben auf See verbracht hat, »und Papa erzählte, daß es bei den Mohammedanern nicht nur als unmanierlich, sondern geradezu als religiöse Verfehlung gilt, mit der linken Hand zu essen, weil der Prophet (sein Name sei gepriesen!) das niemals getan hat. Doch das ist nicht bloß ein Aberglaube, denn die Alten speisten immer im Liegen, während sie sich auf den linken Ellbogen stützten; so waren der linke Arm und die linke Hand nicht frei verfügbar und konnten nicht gut mit Grazie erhoben und bewegt werden. Nur die rechte Hand konnte wie ein Vogel über dem großen Topf mit Essen kreisen und die gewünschten Stücke vornehm mit drei Fingern herausangeln. Alles andere hätte für schmutzig gegolten, und selbst zu dieser erlaubten Methode gehörte eine Menge Übung. Um den Bissen zu befördern, ohne daß er tropfte, mußten sich alle drei Finger gleichzeitig, aber auf ganz verschiedene Art betätigen wie lebendige chinesische Eßstäbchen. Aber Papa meinte, es wäre lächerlich, wenn wir, die wir doch aufrecht dasitzen und mit Messer und Gabel bewaffnet sind, die linke Hand nicht nach Bequemlichkeit gebrauchen sollten – ebenso lächerlich, als wenn man am Klavier die hohen Töne in aller Eile erledigen wollte, um danach mit der rechten Hand auch die tiefen spielen zu können.«
Und nachdem Oliver dies alles im Tone des amüsierten Betrachters vorgebracht hatte, machte er sich langsam und nachlässig daran, seinen Apfelkuchen – er war nicht besonders gut – auf die verbotene Weise zu essen. Fräulein schwieg, triumphierte aber sichtlich; Mrs. Alden schwieg auch, kochte aber ebenso sichtlich vor Zorn. Immer schon hatte sich die gute Deutsche geärgert über die zeremonielle Art, das Messer wegzulegen und es vorsichtig an den Tellerrand zu lehnen, dann die Gabel von der linken in die rechte Hand hinüberzuwechseln, bevor man den kleinsten Bissen aß. Sie hielt das für eine nutzlose Verzögerung bei einer der Freuden dieses reichen und übervollen Daseins.
Mrs. Alden fühlte, wie zwecklos es war, zu wiederholen, was sie vorher schon tausendmal gesagt hatte, nämlich daß der Doktor ein Spötter sei und absichtlich alles Altmodische und Ausländische verteidige, und daß ganz bestimmt heutzutage in Amerika wirklich feine Leute niemals die linke Hand benutzten. Sie beschränkte diesmal ihren Protest auf ihr eigenes, sehr nachdrückliches Beispiel, doch hatte sie die Mehrheit gegen sich. Beim Abendessen wagte Fräulein in aller Stille, zum Feind überzugehen und es genau so zu machen wie Oliver. Das bedeutete offenen Aufruhr. Oliver hatte ja schon längst sein Recht auf weiche Hemden, Westenlosigkeit und die Verwendung eines Schuhriemens an Stelle einer Uhrkette durchgesetzt – jetzt erklärte er auch noch seine Unabhängigkeit in der wichtigsten Frage der Tischmanieren und verführte Fräulein dazu, in ihre ursprünglichen deutschen Unsitten zurückzufallen. Damit noch nicht genug: im geheimen frohlockte er – denn soviel Vertrauen in seine Stärke besaß er nun schon – über die unaussprechliche Tatsache, daß er wirklich keine Unterwäsche mehr trug. Diese unanständige Erleichterung der Lebensbürde, deren Berechtigung der Junge nach hygienischer wie moralischer Richtung hin gewissenhaft geprüft hatte, blieb lange Zeit unentdeckt. Mrs. Alden hatte schon seit Jahren die ganze Überwachung der Wäsche Fräulein übertragen.
Ebenso wie andere Jungen auf Reisen hatte Oliver einen Kodak auf die Jacht mitgenommen; als er heimkam, war das Entwickeln der Filme seine erste Sorge; dann zeigte er voller Stolz die Aufnahmen, die er vom ›Schwarzen Schwan‹, der Besatzung und den verschiedenen Küstenszenen gemacht hatte; auch einige länger belichtete Bilder von der Achterkajüte und von seines Vaters orientalischer Kabine waren dabei.
Mrs. Alden betrachtete alles nur flüchtig und seufzte über die Verschwendung an Zeit und Geld, die in solchen Liebhabereien steckte. Nichts aber konnte die feurige Begeisterung übertreffen, mit der Fräulein sich auf die Bilder stürzte.
»Und wer ist der schöne junge Mann mit den weißen Hosen?« fragte sie. »Es könnte fast ein Leutnant der kaiserlich deutschen Marine sein.«
»Lord Jim«, entgegnete Oliver lakonisch. Je selbstverständlicher er den ganzen Jim nahm, desto reifer und erfahrungsreicher kam er sich vor.
»Lord Jim?« fuhr seine Mutter auf. »Wer ist Lord Jim?« Sie war nicht an Verstellung gewöhnt, und der Ton übertriebener Kälte und Gleichgültigkeit verriet sofort, daß sie wußte, wer es war.
»Es ist der Kapitän. Für gewöhnliche Sterbliche heißt er Mr. James Darnley, aber die Unsterblichen – das heißt Papa und ich – nennen ihn Lord Jim.«
Fräulein stellte erfreut fest, wie klassisch gebildet und literarisch sich ihr Zögling zu geben wagte. Manchmal hatte sie geglaubt, es mangle ihm an Stilgefühl, aber jetzt endlich zeigten sich die Früchte ihrer Tätigkeit. Sie war der festen Meinung, daß auch Goethe als Knabe in seinem wunderbaren Heim in Frankfurt in diesem homerischen Stile geredet hatte, und selbst wenn seine ehrwürdige Mutter (wie in diesem Fall Frau Alden) die Bedeutung seiner Worte nicht immer verstanden hatte, dann doch ganz gewiß sein belesener Vater. Aber auch wenn niemand Notiz von Olivers Anspielung nahm, verriet diese klassische Wendung das unablässige launige Spiel der Phantasie im Geiste des jungen Genius; und was war schließlich für ein Genie wichtiger als das Spiel seiner Einbildungskraft?
Mrs. Alden merkte nichts von Genie oder Stil, dafür empfand sie zutiefst die Bedeutung gesellschaftlichen und moralischen Anstandes. »Ich höre ungern«, sagte sie, »daß du deinen Vater nachahmst, der seinen Angestellten dumme Spitznamen gibt und auf viel zu vertraulichem Fuße mit ihnen steht. Das ist unwürdig.«
»O, ich rede ihn auch nicht ›Lord Jim‹ an, obgleich er das nicht übel nehmen würde. Ich sage einfach Jim zu ihm.«
»Wie kannst du nur? Wo er doch soviel älter ist als du und nicht zu unsern Kreisen gehört! Und geradezu ein Dienstbote ist er doch auch nicht.«
»Er ist der Sohn eines Pfarrers, steht gesellschaftlich mit uns völlig auf einer Stufe und wirkt für sein Alter wunderbar jung. Ich nenne doch Fred Brown auch einfach Fred, obgleich er über sechsundzwanzig ist und ich ihn nicht halb so gut kenne oder kennen möchte, wie ich jetzt Lord Jim kenne, nachdem ich zwei Wochen lang jeden Tag mit ihm gegessen, gebadet und gesprochen habe.«
»Das ist ganz was anderes. Fred Brown ist der Sohn deines Geistlichen und ist in deine Schule gegangen. Du könntest ihn nicht ohne Peinlichkeit auf einmal Mr. Brown nennen. Aber der Kapitän von der Jacht deines Vaters ist kein passender Freund für dich, ganz abgesehen von seinem Alter. Er ist ein ausländischer Abenteurer. Du würdest ja auch Mr. Denis Murphy nie Denis nennen, obgleich du mit ihm schwimmen gegangen bist.«
Der abgründige Unterschied zwischen diesen beiden Beispielen machte Oliver sprachlos. Erklärungsversuche hatten da keinen Sinn. Mr. Murphy war eine Art Diener gewesen, ein alter Mann, der still und respektvoll seine Arbeit tat. Jim war ein herrlicher Kamerad, ein idealer älterer Bruder, der beste, der einzige Freund. Für zwei junge Männer, die allein draußen sind, die gleichen Abenteuer erleben und zusammen essen, arbeiten und schlafen, besteht das Leben nur aus dem, was sie miteinander teilen können. Alle tiefer liegenden Verschiedenheiten werden durch diese äußere Gemeinschaft verwischt; und diese Gemeinschaft verleiht, besonders wenn man sie zum erstenmal kennen lernt, den unwichtigsten Kleinigkeiten eine wunderbare Bedeutung und läßt die einfachsten Mitteilungen kostbar und einzigartig erscheinen. Wieviel Vergnügen macht es, über etwas ganz Selbstverständliches zu schwatzen, auf das man früher gar nicht gekommen wäre, oder unaussprechliche Dinge ganz einfach zu besprechen und den Alpdruck steifer Zurückhaltung abzuschütteln!
Zum ersten Mal hatte Oliver vergessen, sich zu beobachten und zu studieren; sein Tagebuch strömte plötzlich über von dem Wesen eines andern Menschen, seinen Worten, seinen Eigentümlichkeiten, seinen mutmaßlichen Gefühlen; alles schöner geschrieben als sonst und mit vielen Nachträgen und Zusätzen und sorgfältigen Verbesserungen versehen. Nicht einmal der Anflug von Gewöhnlichkeit und Zynismus, den er wohl oder übel an Jim bemerken mußte, mißfiel unserm jungen Puritaner: gerade diese gröberen Züge verhinderten, daß er seinen neuen Freund gekünstelt, hochnäsig oder allzu englisch fand, und im Vergleich zu den ewigen Anständigkeiten und Heucheleien daheim wirkten sie erlösend. Sie standen auch in vergnüglichem Gegensatz zu dem exotischen Geschmack und dem blassen Ästhetentum seines Vaters.
Deshalb hatte sich Oliver übrigens auch nach ein paar Tagen an Bord über sein Quartier in der Achterkajüte bei Jim beklagt. Dies Admiralslogis im Stile des sechzehnten Jahrhunderts mit seinen Schnitzereien und Vergoldungen, seinen vielen Schränken und Kommoden, die geheimnisvolle Schätze beherbergten, war und blieb ihm unbehaglich. Er konnte in diesem chinesischen Antiquitätenkabinett nicht gut schlafen und hätte lieber einfacher gehaust.
»Kommen Sie doch zu mir und schlafen Sie auf dem Sofa in meiner Kabine«, hatte Jim geantwortet, »das wird Ihnen einfach genug sein, vorausgesetzt, daß ich Sie nicht störe.« In der Tat glich die große, luftige Kapitänskajüte fast einer modernen Klinik mit ihren schneeweißen Wänden und Decken und ihrer Einrichtung aus Nickel und Glas. Die einzige üppigere Verzierung bestand in einem Drahtgestell für Postkarten, über und über besteckt mit Weihnachtskarten, Photographien von jungen Männern in Marineuniform, ferner mit Bildern recht eindeutig aussehender Schönheiten, farbigen Ansichtskarten vom Vesuv, vom Badestrand in Brighton und der nächtlichen Brooklynbrücke. Auch eine alte, etwas verfleckte Einladung zu einem öffentlichen Ball war da zu sehen und ein paar Flitter von einem Weihnachtsbaum. In der entgegengesetzten Ecke über dem Schreibtisch hing ein gerahmter Stich: eine alte, von großen Bäumen beschattete Dorfkirche und die vergrößerte Photographie eines kleinen Mädchens; um das kindliche Gesicht, in dessen reinen Zügen die Ähnlichkeit mit Jim unverkennbar war, bauschte sich duftiges blondes Haar wie ein Heiligenschein. Das eine waren Jims Schlachttrophäen, das andere seine Hausgötter: seine kleine Schwester und die Kirche in Iffley, wo sein Vater Pfarrer war.
In diesem Heiligtum eines alltäglichen jungen Mannes richtete sich Oliver voller Zufriedenheit häuslich ein. Ein richtiger Diwan mit Bettüchern und einer Decke war doch ein bequemeres Bett als die Matte in der Achterkajüte; und vor allem fehlte dieser Kabine die ironische Atmosphäre einer geheimnisvollen Überlegenheit. Alles, was er nicht beherrschen konnte und was in seinem eigenen Leben keine Rolle spielte, erkannte Oliver nur sehr widerwillig an. Nach Ansicht seines Ich besaßen solche Dinge kein Daseinsrecht: trotzdem waren sie da. In Jims Quartier blieb Oliver diese metaphysische Demütigung erspart. Nichts Unnahbares umgab ihn; alles hier Vorhandene war ihm im Grunde unterlegen. Geistiger Hochmut und körperliche Bequemlichkeit suggerierten ihm mit vereinten Kräften, daß nun alles in Ordnung sei. Er hörte gern, wie Jim im Zimmer hin- und herging oder im Badezimmer pfiff und sang; manchmal redeten die beiden sogar im Dunkeln von Bett zu Bett noch lange miteinander und erörterten dabei alle Geheimnisse zwischen Himmel und Erde.
War es jetzt das Gewissen, das aus der Stimme seiner Mutter zu ihm sprach, oder war es einfach ihre blinde Ungerechtigkeit, die ihn für immer von dem Freunde trennen wollte, der ihm alles bedeutete, ihm von der Vorsehung selber gesandt schien und ihm nicht nur die wirkliche Welt der Männer und der harten Tatsachen eröffnet hatte, sondern auch für die Ruhe und Behaglichkeit seines Vaters unentbehrlich war?
Dies alles aber seiner Mutter auseinandersetzen, hieß die Sache noch schlimmer machen. Jedes Wort zu Jims Gunsten würde sie nur in ihrer Feindseligkeit bestärken. Oliver hatte sich angewöhnt, den Äußerungen ihrer Unvernunft nie zu widersprechen. Durch Stillschweigen vergab er sich nichts. Stillschweigen war milder und gerechter als Aufbegehren. Es ließ ihm um so mehr Freiheit in seinem Innern. Hartnäckiges Auftrumpfen hätte ihn nur verpflichtet, um jeden Preis an der einmal geäußerten Ansicht festzuhalten, die doch vielleicht vorschnell gefaßt und der Revision bedürftig war. Trotzdem lag in seinem Schweigen nicht die leiseste Spur von Nachgiebigkeit. Man konnte ihm anmerken, daß er sich seine Munition nur aufsparte.
Er reichte Fräulein ein weiteres Bild hinüber: wieder Jim, diesmal im Gespräch mit Papa. Auf dieser Photographie gefiel Irma der Seeheld noch besser als auf der andern, er sah fast deutsch aus, und ihr armes Herz litt schwere Pein, weil man ihr nicht Gelegenheit gegeben hatte, dies nautische Musterexemplar kennen zu lernen und vielleicht ... Natürlich bewunderte sie auch die Offiziere des Heeres, aber über dem unendlichen Meer schien doch eine besondere Poesie zu liegen.
Am nächsten Tag war sie so erregt, daß sie völlig vergaß, ihre Suppe zu essen, die vor ihr in dem blauen Teller kalt wurde. »Der Herr Doktor«, stieß sie hervor und fiel vor Aufregung in die deutsche Sprache zurück, »hat ein Telegramm geschickt, in dem eine wundervolle Überraschung steht. Oliver soll noch einmal sechs Wochen auf die Jacht kommen, und damit seine Arbeiten ungestört weitergehen können, soll ich auch mitkommen – denken Sie nur, gnädige Frau! Dieser gute, hübsche, selbstlose junge Kapitän ist tatsächlich damit einverstanden, meiner armen kleinen Wenigkeit seinen eigenen Raum abzutreten und in der Offizierskabine zu schlafen. Es ist alles so wundervoll und himmlisch und unerwartet.«
Die »arme kleine Wenigkeit« sah sich schon als die teure Gattin des ritterlichen Seefahrers und träumte davon, wie sie ihr übriges Leben lang unter den Klängen der Barkarole aus »Hoffmanns Erzählungen« auf buntbesegeltem Schiffe zwischen Palmen und Koralleninseln einhergondeln würde wie Kleopatra in der Barke. Aber noch besser – denn sie verstand, bei allem Idealismus realistisch zu bleiben – konnte sie sich ihren Erwählten als Kapitän eines großen Dampfers der Cunard-Linie vorstellen, dem sie, die glückliche Mutter einer ganzen Schar junger Matrosen, von ihrem reizenden Heim am Meer aus alle vierzehn Tage bei seiner Rückkehr schon von weitem zuwinken würde.
Mrs. Aldens blasses, etwas aufgedunsenes Gesicht lief dunkel, ja grünlichgelb an, sie richtete sich hoch auf. »Irma, was reden Sie denn da? Glauben Sie wirklich, Oliver hätte Lust, den ganzen Sommer von daheim fort zu sein? Soll er seine Gesundheit gefährden durch eine unbequeme Seereise nach irgendwelchen gottverlassenen Orten, wo solche törichten alten Männer nur aus Langeweile herumbummeln und sich dann Sportsleute nennen? Wenn er krank würde, wo sollte er da einen Arzt hernehmen?«
»Aber Doktor Alden ist doch selbst dabei«, murmelte Irma verblüfft und hatte das schreckliche Gefühl, daß die ganze Sache heillos verkehrt ging.
»Und wie wollen Sie ihm denn Stunden geben, wo ihr doch beide bestimmt die ganze Zeit über entsetzlich seekrank wäret?«
»Ich glaube«, sagte Oliver ruhig, »daß wir das ohne weiteres riskieren könnten, nicht wahr, Irma? Vielleicht werden wir zuerst seekrank, aber sicher überwinden wir die Sache bald und sind dann für immer damit fertig. Es lohnt sich.«
»Oliver!« rief seine Mutter streng, »du willst doch damit nicht sagen, daß du tatsächlich daran denkst, diesen Vorschlag anzunehmen?«
»Warum nicht?« Olivers Stimme zitterte ein wenig, trotz seines Entschlusses, ruhig zu bleiben.
»Zunächst deshalb nicht, weil ich es unbedingt verbiete. Aber du solltest meine Gründe verstehen und ich weiß, im Allerinnersten tust du das auch. Das mit deiner Gesundheit und dem heißen Wetter ist Unsinn. Der frische Seewind kommt unsern breiten, großen Fluß herauf, und auf dem Berg hier ist der Sommer so gesund und angenehm, wie man sich's nur wünschen kann, abgesehen von ein paar heißen Tagen, wie sie überall vorkommen. Wenn du wirklich eine Luftveränderung und Seebäder nötig hättest, dann würde jeder ehrliche, unparteiische Arzt entweder Nantasket Beach oder Cap Cod oder Rockaway Point empfehlen, und du könntest vielleicht im August mit Irma hingehen; ich hätte nichts dagegen, obwohl ich persönlich finde, daß Sommerreisen eher eine Last als eine Wohltat sind.
Nein! Gesundheit und Luftveränderung müssen auch nur als Vorwand herhalten. Wenn es sich wirklich bloß darum handelte, wäret ihr beide nicht so aufgeregt! Weshalb all dies Getue? Die vierzehn Tage auf der Jacht – trotz deines Versprechens, Oliver, bist du so lange ausgeblieben, du fängst leider an, deinen Grundsätzen untreu zu werden – diese vierzehn Tage haben dir den Kopf verdreht. Du hast plötzlich einen ganz neuen Ton angenommen und zeigst ein sonderbares Mißfallen an allem hier zu Hause. Das kommt nicht vom Meer oder von der Jacht oder vom Sternenhimmel oder von den Gesprächen mit deinem armen Vater, der nie sehr viel redet und dir früher niemals Eindruck gemacht hat. Sondern ich weiß genau, daß nur der Einfluß dieses übelbeleumundeten Kapitäns dahintersteckt, der viel zu jung ist für seine Stellung und einen viel zu schlechten Ruf hat, um dein Freund sein zu können. Ich weiß manches von ihm, obwohl ich mich immer geweigert habe, ihn kennen zu lernen. Dein Vater ist so hoffnungslos schwach, daß ich niemals gegen die verhängnisvolle Herrschaft aufkommen konnte, die dieser Fremde über ihn besitzt; der hat ihn überredet, seine alte Jacht zu verkaufen, die fünfzehn Jahre lang gut genug war, und diese neue zu bauen, die so unsinnig phantastisch und teuer ist. Dieser Mann möchte deinen Vater dazu bringen, seine Heimat ganz aufzugeben und nur noch in ausländischen Häfen zu leben, wo der junge Lump sich auf eigene Faust amüsieren kann. Und nun soll ich zusehen, wie du, ein ahnungsloser, anständiger Junge, auch noch verdorben und allen ernsten, vernünftigen Zielen entfremdet wirst? Das kann ich nicht. Mein Lebenswerk soll nicht vernichtet werden, weil du für kurze Zeit einer Verblendung nachgibst, deren du dich sehr schämen wirst, wenn sie vorbei ist; denn sie wird nicht dauern, das ist mein einziger Trost. Aber bis dahin kann deine Erziehung schon ruiniert und dein Geist vergiftet sein; und ich habe mir doch solche Mühe darum gegeben, habe mich von deinem Onkel Harry beraten lassen, der Fachmann in pädagogischen Dingen ist, und auch Irma, das gebe ich gern zu, hat mich bis jetzt treu unterstützt, obwohl sie dich nun anscheinend in deinem falschen Benehmen bestärken will. Es war ein Fehler, daß ich dich überhaupt auf die Jacht ließ. Ich fühlte es ja gleich, aber ich ließ mich überreden, um nicht engherzig und voreingenommen zu scheinen. Diesen Fehler werde ich nicht zum zweiten Mal machen. Es ist meine Pflicht, dich zu retten, wenn nicht mein Lebenswerk schon zunichte geworden ist und du nicht längst verloren bist; vielleicht hast du mich schon immer im geheimen betrogen – du bist ja so verschlossen – und warst schon immer allen edlen Vorbildern, diesem Hause, mir selbst und allem, was wir verkörpern, im stillen untreu.«
Mrs. Aldens voller Busen wogte, sie schluchzte beinahe, ihre Lider zitterten und schlossen sich über ihren farblosen Augen, die dünne Linie ihrer Lippen zuckte und verzog sich, aber sie blieb tränenlos, und als sie ihren Wortvorrat erschöpft hatte, umklammerte sie erregt die Seitenlehnen ihres Stuhles.
Noch nie hatte Oliver seine Mutter im Kampf mit einer so leidenschaftlichen Erregung gesehen. Bei ihr, die gewöhnlich passiv und kalt war, wirkte dieses Schauspiel herzzerreißend. Die entsetzte Irma begann zusammenhanglos zu weinen und meinte, der Herr Doktor müsse doch wissen, was am besten sei. Er würde doch seinen eigenen Sohn – einen so vollkommenen Sohn – nicht bösen Einflüssen aussetzen. Das Ganze müßte ein schreckliches Mißverständnis sein.
Oliver hatte inzwischen den Tisch verlassen und stand am geöffneten Fenster. Mit abwesenden Augen blickte er auf die Bäume, den Himmel und den Rasen, den die kreisenden Wasserräder mit ihrem feuchten Nebel benetzten. Er war fest entschlossen, ruhig und gerecht zu bleiben, und konnte es doch kaum mit ansehen, wie seine Mutter zusammenbrach. Nicht daß er sie deswegen bemitleidete oder auch nur eine wärmere Regung für sie empfand. Ganz im Gegenteil: er fürchtete, sie allzusehr hassen zu müssen, sich allzusehr von ihrer Schwäche abgestoßen zu fühlen, sich allzusehr über ihre Ungerechtigkeit zu empören.
Beredte, treffende Widerlegungen ihrer Worte fielen ihm in Menge ein. Wenn Lord Jim auch von einem Kriegsgericht verurteilt worden war – weiter wußte seine Mutter bestimmt nichts Nachteiliges über ihn – so hatte man doch das Urteil später widerrufen und ihn freigesprochen. Wenn er sehr jung für seine Stellung als Kapitän war, so sprach das eher zu seinen Gunsten, zudem war er noch Ingenieur und besaß Erfahrung genug, um das Kommando auf See zu führen. Und wenn er auch nicht besonders viel gelesen hatte und sich nicht viel in der feineren Gesellschaft von Damen bewegte, so war er in Haltung und Benehmen doch unbedingt Gentleman, viel mehr als zum Beispiel Onkel Harry, der alles, was er von Erziehung wußte, nur aus Büchern und Vorlesungen kannte. War er, Oliver, außerdem nicht alt genug, um mit Menschen verschiedener Art verkehren zu dürfen? Besaß er so wenig eigenen Charakter, daß er sofort zum Spiegelbild jedes neuen Bekannten wurde? Wenn man Leute, die anders waren als man selbst, gerecht beurteilte oder sogar gern mochte – mußte man sie deshalb gleich nachahmen? Lord Jim war auf seine Art ein erstklassiger Kerl, der schwer gegen ungünstige Verhältnisse angekämpft hatte, um seinen Weg zu machen. Wie lächerlich, zu meinen, Oliver sei darauf aus, ihn zu kopieren!
Ganz von diesen Argumenten erfüllt, wandte der Junge sich um; dabei erblickte er plötzlich sein eigenes Spiegelbild in der großen Scheibe des geöffneten, bis zum Boden reichenden Fensters. Er hatte beide Hände tief in den Jackentaschen vergraben. Das war eine Haltung, die ihm früher nie bei sich selbst aufgefallen war; er mußte sie ganz unbewußt angenommen haben! Sie stammte offenkundig von Jim Darnley! Nein, er wollte nicht versuchen, abzustreiten, was so klar zutage trat. Seine Mutter war doch bis zur Wurzel der ganzen Angelegenheit vorgedrungen. Sicherlich konnte niemand sich völlig davon frei halten, von Menschen, bei denen er sich glücklich fühlte und die er liebte, unbewußt beeinflußt zu werden. Man brauchte ja die Wahrheit nicht gleich auszuplaudern, wenn sie die allerpersönlichsten Gefühle betraf, aber man mußte sie vor sich selbst anerkennen und auf ihr weiterbauen. Daher war es wohl besser, alle Erörterungen zu vermeiden und nur den praktischen Erfolg im Auge zu behalten.
Oliver setzte sich wieder vor seinen Teller und fing an, die eingemachten Pfirsiche mit Sahne zu verzehren, die er noch nicht angerührt hatte und auch nicht gern mochte.
»Wenn du so sehr dagegen bist, Mutter«, sagte er schließlich, »so bleibt nichts übrig als an Papa zu schreiben, ihm alle deine Bedenken mitzuteilen und dann zu warten, wie er sich entscheidet.«
»Wie er sich entscheidet«, rief Mrs. Alden höhnisch und gewann ihre hochmütige Sicherheit zurück. »Ich denke doch, er lädt dich ein, er befiehlt dich nicht etwa zu sich. Du brauchst ihm doch nur abzusagen.«
»Nein, ich kann ihm nicht absagen, ohne den wahren Grund anzugeben«, entgegnete Oliver, und die ganze Lauterkeit seines Wesens klang in seiner klaren Stimme wieder. »Er ist ebenso überzeugt davon, daß es gut für mich wäre, zu ihm auf die Jacht zu kommen, wie du überzeugt bist, daß es schlecht ist; und schließlich ist er genau so mein Vater, wie du meine Mutter bist.«
»Ja, wirklich«, warf Fräulein eifrig dazwischen, »und außerdem ist er doch Arzt, und mit seinem Geld wird alles und jedes bezahlt.«
Oliver wäre es lieber gewesen, Irma hätte diese letzte Bemerkung nicht gemacht. Allerdings hatte sie sachlich recht damit. Denn sogar dies Haus, das seine Mutter als ihr alleiniges Eigentum betrachtete, gehörte ihr nur, weil ihr Gatte es gerettet, renoviert und ihr ein üppiges Geschenk damit gemacht hatte, damals, als es aufgegeben und abgerissen werden sollte. Aber es war nicht großherzig, diese demütigende Wahrheit gerade in dem Moment zu betonen, wo die Meinungsverschiedenheit auf eine höhere Ebene verlegt wurde und es sich um die Frage handelte, was für Oliver das Allerbeste wäre.
»Vater findet«, fuhr er fort, ohne auf die Unterbrechung zu achten, »daß mein Schulwissen für mein Alter ausgezeichnet ist, daß ich aber nicht genug mit jungen Männern zusammen gewesen bin, abgesehen von den Jungen in der Schule, die sehr gute Burschen sein mögen, aber, wie er sagt, nur das Rohmaterial zu wahrer Menschlichkeit in sich haben und so weit in allem hinter mir zurück sind, daß der Verkehr mit ihnen mich nur eingebildet macht. Er sagt auch, daß ich alle meine Ideen und Meinungen von Damen und Geistlichen habe; und Damen, meint er, wagen nie die Wahrheit rücksichtslos zuzugeben, selbst wenn sie einmal einen Einblick in die Wirklichkeit getan haben. Die Wahrheit ist ihnen zu anstößig. Und von den Geistlichen findet er, daß sie wiederum Orakel für Damen sind, denn sie fassen deren Illusionen in Worte und malen das Weltall rosa und himmelblau, damit sich die Damen darin wohl fühlen können. Deswegen freute sich Papa darüber, daß ich mich gleich an Lord Jim anschloß: der habe einen gesunden Einfluß auf mich und käme gerade zur rechten Zeit, denn niemand sähe die Dinge unbefangener in ihren wahren Farben als er, der sich so gleichgültig gegen Vorurteile verhält, und dem doch die Anmaßung, für weise oder gescheit zu gelten, so fern liegt. Und ich bin gerade alt genug, sagt Papa, um mir den Wind etwas um die Nase wehen zu lassen und zu entdecken, daß die Weltanschauung, in der ich aufgewachsen bin, nur eine Konvention ist wie alle Weltanschauungen, und dazu noch wahrscheinlich eine veraltete Konvention, die eine Hemmung für mich sein wird, wenn ich nicht über sie hinauswachse.«
»Ich dachte es ja, ich fühlte es ja, daß so etwas hinter meinem Rücken angezettelt wurde«, brach Mrs. Alden mit neuer rednerischer Kraft los. »Ein Hinterhalt, eine Intrige, die alles vernichten sollte, was ich in langen Jahren für dich getan habe, und aus dir einen nichtsnutzigen, nörgelnden Spötter, einen Faulenzer und schlechten Amerikaner machen will. Es ist eine Schande! Ein Vater, der die Korruption seines einzigen Kindes unterstützt und im voraus darüber triumphiert! Natürlich wird er dich mir wegnehmen, wenn du ihm die Entscheidung überläßt. Ich kann nichts dagegen machen, denn bis jetzt gilt noch der Vater und nicht die Mutter als gesetzlicher Vormund der Kinder, obgleich das eine schreckliche Ungerechtigkeit ist, ein Überbleibsel aus mittelalterlicher Barbarei. Und er wird sich ohne Gewissensbisse dieses abscheuliche Gesetz zunutze machen. Feige Menschen sind doppelt grausam, wenn sie einmal zum Kampfe gezwungen werden. Ich darf kein Erbarmen erwarten. Aber wenn ich dich auch nicht retten kann, so kann ich doch mein Gewissen rein halten und mich weigern, fernerhin irgend etwas mit dir verdorbenem Menschen zu tun zu haben. Sage deinem Vater nur dies: Er mag reicher sein als ich, wie Irma soeben betont hat, aber dieses Haus wenigstens gehört mir, und wenn er dich mir jetzt wegnimmt, soll er dich für immer behalten. Keiner von euch wird dann je wieder die geheiligte Schwelle meines Heimes betreten.«
Ein langes Schweigen folgte, nur unterbrochen durch Fräulein Irmas vergebliche Versuche, ihr Schluchzen zu ersticken. »Was?« stieß sie schließlich hervor, »soll Oliver nie wieder zurückkommen? Und ich Ärmste – was soll aus mir werden? Soll ich wieder nach Deutschland gehen?«
Mrs. Alden hatte Irma niemals geliebt, in diesem Augenblick aber haßte sie sie wegen ihrer Tränen und wegen ihrer stumpfsinnigen Unterwerfung unter das männliche Geschlecht und seine Tyrannei. Aber genau wie Oliver neigte seine Mutter von Natur aus dazu, dem ersten Impuls zu widerstehen und auf lange Sicht hin zu rechnen. Inmitten dieses Familiendramas erwog sie kühl alle etwaigen Folgen und sah eine trostlose Zukunft vor sich; eine sehr ungemütliche und mühselige Zukunft, im Falle sie das treue Fräulein nicht länger bei sich hätte, diese gute Irma, die den Haushalt führte, Abende lang bei ihr saß, ihr vorlas und ihr das Haar machte, das dünn wurde und sorgfältig verteilt und unmerklich ergänzt werden mußte. Daß Oliver über kurz oder lang fortgehen würde, war immer zu erwarten gewesen und würde nicht unerträglicher sein als die Abwesenheit seines Vaters oder ihrer Brüder. Männer waren ablösbare Bestandteile wie falsches Haar; doch die Abwesenheit Fräuleins hätte nach all diesen Jahren eine unangenehme Leere in ihr zukünftiges Leben gebracht.
Das Bild dieses Lebens, wie es jetzt mitten in allem Kummer und aller Aufregung vor Mrs. Alden aufstieg, war an sich durchaus nicht unerfreulich. Sie fühlte sich wie die Priesterin eines Minervatempels, die aus den heiligen Bezirken erzürnt die Fremdlinge vertreibt, die ihn entweiht haben; und während sie ihren Gatten und ihren Sohn heroisch verbannte, kam es ihr keinen Augenblick in den Sinn, daß sie dann etwa mittellos zurückbleiben könnte. Sie kannte Dr. Alden zu gut, um nicht zu wissen, daß er ihr, selbst auf die stärkste Herausforderung hin, den Unterhalt niemals versagen würde. Je reiner und unzugänglicher sie ihren Tempel hielt, desto größer war nur die Verpflichtung der zurückgewiesenen und ausgeschlossenen Öffentlichkeit ihn anständig zu unterstützen. Es würden also Friede und Überfluß, vereint mit hervorragender Reinheit, in ihrem Heiligtume herrschen; und das Bild ihrer alten Tage, in denen sie dieses hehren Wächteramtes walten würde, bestärkte sie in ihrem heldischen Entschluß. Doch brauchte sie eine Altardienerin. Natürlich konnte sie sich immer noch an Letitia Lamb halten, aber Letitia alterte, war von zarter Gesundheit, hatte einige lästige Liebhabereien und auch ein wenig eigenes Vermögen. Gerade weil sie eine ältere und intimere Freundin war als Irma, würde man schwerer mit ihr fertig werden; sie wäre keine so dienstbereite Gefährtin. Nein, diesem vortrefflichen Fräulein durfte man nicht erlauben, wegzugehen.
»Über Sie habe ich nichts gesagt, Irma. Das können wir immer noch regeln. Die plötzliche Schrulle, mit der Jacht in der Welt herumsegeln zu wollen, ist in Ihrem Falle keine Schlechtigkeit, sondern bloß kindische Vergnügungssucht. Sie haben meine Bemühungen um Olivers Erziehung stets unterstützt. Sie haben versucht das Rechte zu tun. Er könnte ja in keinem Fall länger bei uns bleiben als bis zum nächsten Winter, wo er das College besuchen muß. Doch hat das nie bedeutet, daß Sie uns dann auch verlassen sollten. Ich möchte, daß Sie dieses Haus stets als Ihr Heim betrachten.«
»Ach, liebe Mrs. Alden«, rief Irma glücklich unter Tränen aus und war schon im Begriff, ihre edle, großherzige Gönnerin zu umarmen. Aber sie ließ sich noch rechtzeitig daran hindern. Dies war nicht der geeignete Augenblick für Aufwallungen weiblicher Schwäche.
»Also gut«, sagte Oliver mit fester Stimme, als er aufstand und sich anschickte, das Zimmer zu verlassen. »Ich werde sofort an Vater schreiben und ihm berichten, wie du über seinen Vorschlag denkst.«